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Wenn der Rohstoff-Reichtum schrumpft

Julia Hahn8. September 2015

Fallende Ölpreise, leere Staatskassen - der Rohstoff-Boom macht in einigen afrikanischen Ländern Pause. Trotzdem sieht sich der Kontinent als Ort der Chancen und das sollen jetzt auch deutsche Investoren verstehen.

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Symbolbild Ausfall der Ölpreise
Nigeria fördert so viel Öl wie kein anderer Staat in Subsahara-Afrika - und leidet unter dem PreisverfallBild: picture-alliance/dpa

Vor dem Haus der Deutschen Wirtschaft in Berlin weht neben der schwarz-rot-goldenen Flagge an diesem Tag auch die rot-gold-grüne, denn Ghanas Präsident ist zu Besuch. Er will deutschen Unternehmern Lust auf Investitionen in Afrika machen und Argumente hat John Dramani Mahama jede Menge im Gepäck. "Sie suchen einen Ort, an dem Sie Geschäfte machen können? Dann kommen sie zu uns. Ghana ist demokratisch, transparent, hat eine freie Presse, die Mittelklasse wächst und wir haben Rohstoffe." Zuhörer hat er genug auf dem ersten German-African Business Summit mit mehreren hundert Teilnehmern aus der deutschen und afrikanischen Wirtschaft und Politik.

Vor gut acht Jahren wurde in dem westafrikanischen Land mit dem Jubilee-Ölfeld eine der größten Quellen Afrikas entdeckt. Der Ölrausch hat Ghana Wachstumsraten von über zehn Prozent beschert. Inzwischen aber hat sich die Euphorie gelegt. In diesem Jahr soll die ghanaische Wirtschaft nur noch um knapp fünf Prozent wachsen. Eine Quote, von der Deutschland nur träumen kann. Aber zu Afrikas Wachstumsriesen gehört das Land damit nicht mehr - die fallenden Rohstoff-Preise drücken auf die Bremse. Inzwischen kostet das Barrel Öl auf dem Weltmarkt nicht mal mehr 50 US-Dollar; vor zwei Jahren war es noch mehr als doppelt so viel.

Ghana Präsident John Dramani Mahama
Ghanas Präsident John Dramani Mahama beim German-African Business SummitBild: BDI/C. Kruppa

Weniger Geld für Straßen und Stromnetze

"Die fallenden Rohstoffpreise treffen viele Staaten in Afrika sehr hart. Das führt dazu, dass die Haushalte nicht mehr ausgeglichen sind und weniger Geld für Investitionen in Infrastruktur zur Verfügung steht. Das merken vereinzelt auch bereits deutsche Unternehmen", sagt Matthias Wachter, der beim Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) die Abteilung Sicherheit und Rohstoffe leitet.

Ghana gehört zwar erst seit fünf Jahren zum Club der Ölexporteure. Doch diese kurze Zeit hat ausgereicht, um das Land abhängig zu machen von den Einnahmen aus dem Ölgeschäft. Fast 940 Millionen US-Dollar flossen 2014 in die Staatskasse und die Haushaltsentwürfe der Regierung rechnen fest mit diesen stetigen Einkünften. Der anhaltende Preissturz auf dem Ölmarkt führt nun dazu, dass die Finanzplanungen wie ein Kartenhaus in sich zusammenfallen. Die Folgen sind schon jetzt zu beobachten: Ghanas Währung, der Cedi, hat massiv an Wert verloren. Die Staatsverschuldung ist auf über 65 Prozent des Bruttoinlandsprodukts gestiegen. Nicht ohne Grund warnt die Weltbank, dass die Abhängigkeit von den Rohstoffexporten einer der "Haupt-Risikofaktoren" für Ghanas Entwicklung sei.

"Afrika ist der Kontinent der Chancen", erwidert Chiara-Felicitas Otto, die mit ihrem Finanzberatungsunternehmen exficon in vielen afrikanischen Ländern aktiv ist, besonders in Ghana. Zu ihren Kunden gehören deutsche Firmen wie Technologie-Konzerne, Autobauer und Bergbau-Unternehmen. "Aber die Unsicherheit, was Währungen und Rohstoffpreise angeht, macht es nicht einfacher." 2013 hat Ghanas Regierung einen Infrastrukturfonds aufgelegt, in den Einnahmen aus dem Öl- und Gasgeschäft fließen sollen. "Jetzt, wo der Ölpreis so gesunken ist, sind die Einnahmen in diesen Fonds natürlich auch erheblich geringer ausgefallen als ursprünglich gedacht", so die Finanzberaterin. Das heißt: weniger Geld für Straßen, Stromnetze oder öffentlichen Nahverkehr - und damit auch weniger Aufträge für deutsche Unternehmen vor Ort.

Ölboom in Ghana
Fischer in Ghanas "Öl-Stadt" TakoradiBild: DW/G. Hilse

Erneuerbare Energien statt Öl

Noch härter trifft es Nigeria, den größten Ölproduzenten in Subsahara-Afrika. Die Regierung dort finanziert 70 Prozent ihres Staatshaushalts mit Geld aus dem Ölexport. Um die Erschließung anderer Einnahmequellen hat sich das Land lange nicht gekümmert - der Segen der Öldollars wurde von vielen als selbstverständlich genommen. Jetzt kommt die Quittung. Die nigerianische Zeitung "This Day" hat ausgerechnet, dass der Ölpreisverfall die Regierung in Abuja allein im zweiten Halbjahr 2014 fast zwölf Milliarden US-Dollar gekostet hat. Und seitdem hat sich der Rohstoff weiter verbilligt. "Diese Staaten müssen sich Gedanken machen, wie sie ihre Wirtschaft diversifizieren können", sagt Matthias Wachter vom BDI. Das bedeutet, unabhängiger werden von Rohstoffen, neue Industrien und Geschäftsfelder erschließen und fördern. "Und darin liegen für deutsche Unternehmen große Chancen, weil wir Know-How in vielen Bereichen haben, zum Beispiel bei den erneuerbaren Energien, der Medizintechnik und der Infrastruktur." Die deutsche Wirtschaft stünde bereits in den Startlöchern, sagt Wachter.

Die Zahlen erzählen bislang eine andere Geschichte: Nach Angaben des Bundeswirtschaftsministeriums macht Deutschland gerade mal 1,2 Prozent aller Geschäfte im Ausland mit Subsahara-Afrika. Mit einem ganzen Kontinent wird also gerade mal soviel gehandelt wie mit der kleinen Slowakei. Nicht mal ein Prozent der deutschen Direktinvestitionen weltweit fließen nach Afrika. Von rund 500.000 deutschen Unternehmen machen nur rund 1.000 Geschäfte auf dem Kontinent. Nach wie vor ist die Angst vor politischer Unsicherheit, Korruption und Behörden-Chaos groß.

Wachsen ohne Rohstoffe?

Sechs der zehn am stärksten wachsenden Volkswirtschaften der Welt liegen in Afrika, darunter Äthiopien, die Elfenbeinküste und Tansania. "Unser Wachstum basiert nicht auf Rohstoffen, nicht auf Öl, nicht auf Mineralien", sagt Richard Sezibera, Generalsekretär der Ostafrikanischen Staatengemeinschaft EAC. "Sondern auf Tourismus, Computer-Technik, Energie und Technologie. Das macht unsere Region zu einem so spannenden Ort." Zur EAC gehören Tansania, Kenia, Uganda, Burundi und Ruanda. Ein riesiger Wirtschaftsraum mit 150 Millionen Menschen.

Berlin German-African Business Summit Köhler
Richard Sezibera von der EAC mit dem früheren Bundespräsidenten Horst KöhlerBild: picture-alliance/dpa/Gabbert

Auch Ghanas Präsident Mahama will sich nicht mehr nur auf Rohstoffe wie Öl, Gold oder Kakao verlassen. "Wir wollen unseren Energiesektor umbauen", sagt er. "Und dabei auf erneuerbare Energien setzen. Wir haben zwölf Monate Sonnenschein, wenn wir Sonnenlicht exportieren könnten, wären wir der reichste Kontinent der Welt."