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Spielmonopol kippt

Thomas Ratzke7. Januar 2007

Über vier Milliarden Euro fließen durch die Wett- und Spielfreude der Deutschen in die Etats der Kommunen. Auch deshalb wollen die Länder nicht auf ihr Spielmonopol verzichten. Doch sie werden wohl bald teilen müssen.

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Ein Lottoschein wird in einer Annahmestelle abgegeben
Spieler, die von ihrer Sucht loskommen wollen, nervt die Werbung mit dem JackpotBild: AP

Bis Anfang 2008 muss neu geregelt werden, wer Wetten und Spiele anbieten darf. Das Bundesverfassungsgericht entschied, dass das staatliche Monopol in der bisherigen Form nicht mit dem Grundgesetz vereinbar sei. Das oberste deutsche Gericht hat die staatlichen Wettanbieter dazu verpflichtet, bis Ende 2007 eine Regelung zu treffen, die die Menschen künftig umfassender und effektiver als bisher vor der Spielsucht schützen soll. Ansonsten wird das staatliche Monopol aufgehoben.

Ein Mann an einem Spielautomat
Spielautomaten haben's in sichBild: dpa

Eine Spielhalle in Berlin, wie es sie überall in der Bundesrepublik gibt. Bei künstlichem Licht verbringt rund ein Dutzend Kunden den Nachmittag an den Spielautomaten. Im Hintergrund laufen mehrere Fernseher gleichzeitig. Gezeigt werden Fußballspiele aus aller Welt, ab und zu auch ein Pferderennen. Spielen kann Spaß, aber auch süchtig machen. Experten schätzen die Zahl der aktiven Spieler in Deutschland auf rund 5,8 Millionen.

Geld für wohltätige Zwecke, Breitensport und soziale Einrichtungen

Im Nebenzimmer, wo die Sportwetten laufen, sitzt Norbert, mit einem Kaffee in der Hand. Er ist fast täglich hier. Am liebsten wettet er auf schottische Fußballspiele. "Für mich ist es auch Freude am Sport, Spaß, irgendwie mitzufiebern vorm Fernseher. Ich gebe da nicht irgendwelche horrenden Summen aus. So zwei, drei Euro Einsatz, vielleicht auch mal einen Fünfer, aber da muss ich mir schon relativ sicher sein."

Die öffentlichen Kassen verdienen dabei kräftig mit. Rund 4,2 Milliarden Euro Steuereinnahmen fließen durch die Wett- und Spielfreude der Deutschen jährlich in die Etats der Kommunen. Für den Berliner Haushalt beispielsweise beliefen sich die Einnahmen aus dem Glücksspiel 2005 auf 70,8 Millionen Euro. Über eine Stiftung kommen die Gelder wohltätigen Zwecken, dem Breitensport und sozialen Einrichtungen zugute.

Staat muss mehr gegen Spielsucht tun

Roulette-Rad in einem Spielcasino
Für viele Spieler gilt: Rine ne va plus - nichts geht mehrBild: dpa - Bildfunk

Im März 2006 hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, der deutsche Staat müsse mehr gegen die Spielsucht unternehmen. "Das heißt, dass entsprechende Maßnahmen eingeleitet werden, das heißt Schutz und Beratung von Spielern", sagt Clemens Teschendorf, Sprecher der Berliner Finanzverwaltung. "Andererseits heißt das aber auch, dass Werbung - insbesondere die Sportwetten -, stark eingeschränkt wird und wir das so nicht mehr akzeptieren werden."

Trotz der Präventionsmaßnahmen gelingt es längst nicht allen Spielern, ihre Lust am Spiel zu kontrollieren, weiß der Diplom-Psychologe Andreas Koch. Er arbeitet bei der Berliner Caritas in einer Beratungsstelle für Spielsüchtige. "Letztendlich haben die meisten Klienten das Spielen eher als Freizeitbeschäftigung angefangen. Ganz harmlos, viele sind mit 16, 17 Jahren einfach mal in einer Spielothek gewesen, aber auf einmal verselbstständigt sich das Spiel und wird zum Selbstzweck. Es geht dann nicht mehr um Geld, sondern um den Akt des Spielens."

Spielsucht betrifft alle Gesellschaftsschichten

Koch beobachtet, dass sich in den letzten Jahren immer mehr Menschen ins gesellschaftliche Abseits spielen. In der Anlaufstelle treffen sich vom Auszubildenden oder dem Schalterbeamten bis hin zum gut situierten Immobilien-Makler alle Gesellschaftsschichten und Einkommensgruppen. Koch geht allein für Berlin von bis zu 20.000 Spielsüchtigen aus. "Die durchschnittliche Verschuldung liegt bei 25.000 Euro. Spieler verstricken sich im Laufe ihrer Spielerei immer mehr in Lügen, weil sie immer mehr Geld organisieren müssen. Sie erzählen irgendwelche Geschichten. Die Offenbarung, der Familie zu sagen: ich habe 80.000 Euro verloren oder: ich habe 20.000 Euro Schulden, wird immer schwerer."

Je nach Schätzung geht man in Deutschland von 100.000 bis 400.000 Spielsüchtigen aus, was einer mittelgroßen Stadt entspricht, deren Einwohner Tag für Tag spielen und längst die Kontrolle über ihr Tun verloren hat. Das Spielen kann zur Existenzbedrohung werden. So auch für Peter, heute 43 Jahre alt und seit inzwischen seit 16 Jahren spielfrei: "Ich habe zum Beispiel den Erbschmuck versetzt von meiner Frau. Ich habe Firmengelder veruntreut, ich glaube, ich habe sogar Scheckbetrug begangen mit dem Konto von meiner Frau. Für mich war der Automat meine große Liebe, den konnte ich streicheln und schlagen, konnte ihm auch mal an den Kopf schmeißen, 'Du bist ein Arschloch!', ohne dass er reagieren konnte."

Lotto-Werbung nervt Betroffene

Ein Werbeschild macht vor einer Lottoanahmestelle auf den Jackpot mit rund 26 Millionen Euro aufmerksam
Jackpot-Werbung lockt Millionen an die KioskeBild: AP

Peter hat es dank seiner Frau geschafft, aus dem Teufelskreis Spielsucht wieder heraus zu kommen. Aber immer noch muss sich der 43-Jährige schützen. Selbst die eigentlich harmlos wirkende Werbung für den Lotto-Jackpot ist für einen Ex-Spieler eine Versuchung. "Diese Werbung mit diesem Millionenjackpot nervt mich persönlich sehr, weil es eine sehr massive Werbung ist. Da muss ich als süchtiger Spieler aufpassen. Wenn ich damit wieder anfange, ist der Schritt, wieder in die Spielhalle zu gehen, sehr, sehr klein."

Laut Beschluss der Länder-Konferenz wird ab 2008 das Wetten im Internet und das Bewerben von Wetten verboten - für die Kommunen würde das sinkende Einnahmen bedeuten. Doch dem Psychologen Andreas Koch geht der Beschluss der Länder-Konferenz noch nicht weit genug. "Was, glaube ich, wirklich erfolgen müsste, ist ein Schutz der bereits gesperrten Spieler, derjenigen, die ganz offensichtlich krank sind. Da brauchen wir Ausweiskontrollen in den Automatencasinos, und da kommt der Staat seiner Aufgabe immer noch nicht zufriedenstellend nach."