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Wenn Ernährung zu Religion wird

Nastassja Shtrauchler13. Oktober 2015

Auf der Ernährungsmesse "Anuga" in Köln konnten sich Interessierte und Fachbesucher die neuesten Trends in Sachen Ernährung anschauen und probieren. Wieder ganz vorne mit dabei: Bioprodukte und vegane Ernährung.

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Eine Frau steht neben einem Stand mit veganem Essen bei der internationalen Ernährungsmesse Anuga (Foto: Maja Hitij/dpa)
Bild: picture-alliance/dpa/M. Hitij

In Halle 5.1 geht es um Natürlichkeit, Nachhaltigkeit, um das Ursprüngliche. Eigentlich. Hersteller von Bio-Produkten stellen hier Waren vor wie geräucherte Seitan-Riegel, glutenfreie Backmischungen, Algen-Spaghetti. In den Beschreibungen, mit denen sie diese bewerben, geht es vor allem um Superlative. Darum, wessen Schafsmilch-Jogurt oder fair gehandelte Schokolade noch echter, noch ursprünglicher ist. Von "elite nature" kann man hier lesen, von "the ultimate taste", von "super fruits".

Martina Olivieri passt mit ihrem Stand genau dazu. Neben der endlosen Liste von Dingen, die NICHT in ihren Power-Riegeln und Müslis enthalten sein sollen, sticht einem sofort der Name ihrer Firma ins Auge. "Ambrosiae" steht da zum einen, was übersetzt "Speisen der Götter" heißt. Gefolgt von der bescheidenen Unterzeile "the überfood".

Seit anderthalb Jahren produziert die 34-jährige Italienerin an der Adriaküste Lebensmittel, deren Zutaten während der Herstellung nie mehr als 42 Grad ausgesetzt sind. Damit darf Olivieri ihre Produkte als roh bewerben. Sie ist der Überzeugung, dass das die ursprünglichste Herstellungsmethode ist. Verdauungsenzyme würden so nicht zerstört und Vitamine maximal erhalten, erzählt sie. Noch gibt es ihre "überbars" und "übergranolas", also ihre veganen Bio-Snack-Riegel und Müslis ohne Gluten, Laktose, Cholesterin und Hefe nur in italienischen Bio-Supermärkten. Bald schon will sie diese auch an den deutschen Konsumenten bringen.

Bio-Pasta an einem Stand bei der internationalen Ernährungsmesse Anuga (Foto: Maja Hitij/dpa)
Ein Sortiment voll Bio-PastaBild: picture-alliance/dpa/M. Hitij

Bedürfnis nach naturbelassener Ernährung

Das dürfte vermutlich funktionieren, denn sogenannte "free from"-Produkte gelten als extrem erfolgreich in der hart umkämpften Ernährungsbranche. Das bestätigt auch Klemens Reif, Inhaber einer Firma, die solche Produkte in Deutschland anbietet. Als Experte spricht er auf der "Anuga" in einer der zahlreichen Veranstaltungen über die neuesten Trends. Vor allem Allergen-freie Lebensmittel würden ein "gigantisches Wachstum" erleben, da immer mehr Menschen darauf angewiesen seien.

"Der richtige Wachstumsmarkt liegt aber bei denen, die sich freiwillig "free from" ernähren", so Reif. Dabei gehe es nicht nur um Gluten oder Laktose, sondern immer öfter auch um Weizen. Immer mehr Menschen hätten eben begriffen, dass das dem Körper nicht gut tue. Dass manche Menschen diesem Trend nur anhingen, weil es als "hip" gelte, will Reif nicht bestätigen. Vielmehr gehe es, so glaubt er, um ein tief verwurzeltes Bedürfnis des Menschen nach natur-belassener Ernährung. Reif geht sogar noch weiter. Anstelle der Religion sei für viele Menschen die Ernährung gerückt.

Dass nicht jedes Bio-Produkt funktioniert, kann Andreas Ludwig bestätigen. Seit drei Jahren verkauft er unter dem Namen "Chjlya" ökologisch-zertifizierten und fair-gehandelten Zuckerrohrschnaps aus Brasilien in Deutschland. Vor einem Jahr kamen noch drei sogenannte Premix-Cocktails dazu. Bei ihm könne man sich "biologisch-korrekt betrinken" schrieb eine Zeitung einmal über seine Idee. Trotzdem läuft das Geschäft nicht gut. "In den USA sind die Leute das schon gewöhnt", sagt Ludwig. In Deutschland aber würden seine vorgemischten Drinks nur sehr schleppend angenommen. Auf die Verabschiedung "viel Erfolg", erwidert Ludwig: "Kann ich gebrauchen."

Vegane Wurst, Foto: DW
Sieht aus wie Wurst - ist aber veganBild: Nastasja Shtrauchler

Vegane Lebensmittel im Trend

Ein paar Stände weiter feiern einige junge hippe Menschen sich und ihren "100 Prozent biologischen und veganen Smart-Drink". Süß schmeckt der vor allem, soll aber nur 17 Kalorien haben. Agavendicksaft sei Dank. Wie viele andere hier sind sie Teil ein junges Start-Up Unternehmens. Seit eineinhalb Jahren sind sie auf dem Markt mit ihrem Produkt. Keiner der Mitarbeiter ist älter als 35. Die Musik wummert durch die Urwald-Optik ihres Stands. Gefragt nach den Entwicklungen im Bereich Bio, spricht der Marketingleiter von einem "Hyper-Hype".

Dessen Ausmaße zeigen sich auch an vielen anderen Ständen, bei denen der skeptische Besucher ab und an das Gefühl bekommt, hinters Licht geführt zu werden. Da wäre vor allem ein Stand mit einer Theke, hinter der hübsch drapiert verschiedene Fleisch-und Wurstsorten zu finden sind, die auch nach Fleisch und Wurst riechen, sich aber beim Probieren als vegan entpuppen.

Ganz am Ende findet sich dann aber doch noch etwas ziemlich Leckeres. Vor einem Stand mit Fisch-Produkten räkelt sich ein junger Mann auf einem Diwan-ähnlichen Sessel. Der Oberkörper ist nackt und gibt den Blick auf seine trainierten Bauchmuskeln frei. Ansonsten trägt er blaue Meerjungfrauen-Flossen. Er lächelt vergnügt. Auf seiner rechten Hand balanciert er ein weißes Tablett. Mit Krabbenchips. Ob die glutenfrei sind, wissen wir nicht.

Anuga 2015 Köln Lebensmittelmesse Meerjungfrau Krabbenchips
Lustiges Kostüm und lecker Krabbenchips: Schon allein dafür lohnt sich der Gang zur AnugaBild: Nastasja Shtrauchler