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Wenn es Moskau zu viel wird

Dirk Kaufmann5. August 2014

Die EU hat ihre Sanktionen gegen Russland wegen der Ukraine-Krise verschärft. In Moskau spürt man die Maßnahmen inzwischen. Nun stellt sich die Frage, wie der Kreml darauf antworten könnte.

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Moskau Kreml Gebäude (Foto: Picture-alliance)
Bild: picture alliance / ZUMA Press

EU-Sanktionen - Auswirkungen für Europas Wirtschaft

Vor einem Monat noch gab sich der russische Wirtschaftsminister Alexej Uljukajew zuversichtlich. Die Wirtschaft seines Landes könne durch westliche Sanktionen nicht in die Knie gezwungen werden. Er gab zwar zu, dass die Rezessionsgefahr steige und die Steuereinnahmen sänken, aber insgesamt müsse Russland sich nicht vor den Folgen der EU-Sanktionen fürchten.

Inzwischen scheint er widerlegt: Wegen der Sanktionen der EU hat am Sonntag (03.08.2014) die russischen Fluglinie Dobroljot, eine Tochtergesellschaft der staatlichen russischen Aeroflot, den Ticketverkauf eingestellt. Dobroljot gab an, unter "beispiellosen Druck" gesetzt worden zu sein. Einige europäische Vertragspartner hätten ihre Pflichten für Wartung und Versicherung der russischen Flugzeuge nicht mehr übernehmen wollen.

Die in Moskau erscheinende Tageszeitung "Kommersant" kommentierte, die Versicherungen der Politik, Russland könne die Sanktionen mühelos verkraften, hätten sich "als Großtuerei erwiesen. Der EU ist es erstmals gelungen, die Wirksamkeit ihrer Sanktionen zu demonstrieren".

Überflugrechte als Druckmittel

Im Gegenzug könnte Moskau nun westlichen Fluglinien bislang gewährte Überflugrechte entziehen. Von solchen Überlegungen in den zuständigen russischen Ministerien berichtet die Moskauer Zeitung "Wedomosti". Das könnte, so die Zeitung weiter, den Fluggesellschaften aus Westeuropa erhebliche Nachteile im Wettbewerb mit asiatischen Fluglinien bescheren und sie insgesamt bis zu eine Milliarde Euro kosten.

Russland Billigflieger Dobrolet Airline (Foto: Picture-alliance)
Erstes russisches Opfer der EU-Sanktionen: Die Billigfluglinie Dobroljot, eine Tochter der staatlichen AeroflotBild: picture-alliance/dpa

Aber: Auch die russische Luftfahrt würde unter dieser Maßnahme leiden. Wegen des Aus der Dobroljot sind die Aktien ihrer Muttergesellschaft Aeroflot zu Beginn dieser Woche bereits um bis zu 7,8 Prozent eingebrochen. Sollten westeuropäische Fluggesellschaften als Antwort auf die Sanktionen etwa Sibirien nicht mehr überfliegen dürfen, würde die Aeroflot zusätzlich Geld verlieren: Die Gebühren für Überflugrechte sind eine wichtige Einnahmequelle für die staatliche Airline.

Öl und Gas als Waffe

Ein weiteres politisches Druckmittel Russlands sind seine Rohstoffe. Ungefähr ein Drittel der Öl- und Gasimporte, auf die die Länder der EU angewiesen sind, kommen aus Russland. Das könnte den Kreml dazu verleiten, seine Öl- und Gasexporte als Waffe zu nutzen. Doch so einfach ginge das gar nicht, sagt die Energie-Expertin Claudia Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung im DW-Interview: "Die Frage ist, ob Russland höhere Preise verlangen kann. Es gibt ja existierende Verträge." In diesen Verträgen mit mehrjähriger Laufzeit sind auch die Preise für das Erdgas festgeschrieben.

Nachdenklich: Russlands Präsident Wladimir Putin (Foto: dpa)
Nachdenklich: Russlands Präsident Wladimir PutinBild: dpa

Allerdings ist auch diese Möglichkeit eine aus russischer Sicht zweischneidige Waffe: Der Kreml könnte den Volkswirtschaften Westeuropas erheblich schaden, würde sich aber auch ins eigene Fleisch schneiden. Den weitaus größten Teil seiner Einnahmen erzielt Russland nämlich durch den Verkauf seiner Bodenschätze. Solle das Öl- und Gasgeschäft mit dem Westen einbrechen, wäre das ein schwerer Schlag für die russische Wirtschaft.

Lediglich "aus hygienischen Gründen"

Auf einem Gebiet haben die Russen bereits bewiesen, dass sie nicht nur willens, sondern auch in der Lage sind, Gleiches mit Gleichem zu vergelten: Zurzeit etwa darf kein Obst und Gemüse aus Polen in Russland verkauft werden. Noch können die Polen das wirtschaftlich verschmerzen und die Russen müssen auch nicht hungern - aber es zeigt, dass Moskau sich wehren will.

Lehrreich an diesem Beispiel ist, dass es nicht ein klassisches Boykott-Verfahren ist. Um den Importstopp zu initiieren, hat Moskau lediglich Lebensmittelprüfer vorgeschickt. Diese haben Lieferungen aus Polen so lange und intensiv untersucht, bis sie einen Vorwand fanden, "aus hygienischen Gründen" den Verkauf der Lebensmittel in Russland zu untersagen. Gleiches haben sie bereits mit Importen aus den baltischen Staaten oder aus Georgien gemacht.

Allen Drohszenarien bei Lebensmitteln, Dienstleistungen oder Gaslieferungen zum Trotz zeigen sich wenigstens Vertreter der deutschen Wirtschaft zuversichtlich. So sagte zum Beispiel Tobias Baumann vom Deutschen Industrie- und Handelskammertag (DIHK) der DW, dass die deutsche Wirtschaft nicht untergehen werde, "selbst wenn alle Exporte nach Russland eingestellt werden sollten - was ja nicht der Fall sein wird".

Schachspieler im Kalten Krieg

Im Kalten Krieg waren die Russen bei ihren westlichen Verhandlungspartnern gefürchtet: Ihre russischen Kontrahenten, hatten amerikanische Unterhändler bewundernd festgestellt, seien knallharte Gegenüber, die wie Schachspieler dächten: immer zwei oder drei Züge im Voraus. Nun muss der Ex-KGB-Offizier Putin zeigen, ob er das auch kann.

Im Moment aber scheint der Kreml nur in kleinen Schritten zu denken. Als Antwort auf die hartnäckigen Forderungen Washingtons, die Europäer sollte härtere Boykott-Maßnahmen gegen Russland ergreifen, sind bislang nur wieder die russischen Lebensmittelkontrolleure tätig geworden. Sie wollen in amerikanischem Bourbon "gefährliche Substanzen" entdeckt haben. Nun muss sich die US-Wirtschaft darauf einstellen, dass ihr Whiskey-Export nach Russland einbrechen könnte.