Wenn Lehrer nicht lesen und schreiben können
8. Mai 2018Der mächtige Baum spendet den Kindern Schatten. Im Halbkreis sitzen sie im Gras oder auf kleinen Holzbänken, der Lehrer ragt in der Mitte heraus. Eine Tafel gibt es nicht in der Dorfschule in Kawaya im Nordwesten Sambias. Doch manchmal "wachsen" Bücher und Notizen auch von den Bäumen - für einen Tag werden sie dort als Unterrichtsmaterial aufgehängt. Lernen unter einem Baum: Das gehört in Sambias ländlichen Gemeinden für viele Schüler und Lehrer zum Alltag.
Sambia ist ein armes Land, und auch 54 Jahre nach der Unabhängigkeit sind rund ein Drittel der Über-15-Jährigen Analphabeten. Der Schulbesuch kann daran nicht immer etwas ändern. Denn die Lehrer sind oft schlecht qualifiziert: Manch einer kann nicht lesen und schreiben. Im April kam es zum Skandal, als die Behörden das Problem öffentlich machten. "263 Lehrer sind inzwischen gefeuert worden, weil ihre Referenzen nicht in Ordnung waren", sagt Stanley Mhango, Vorsitzender der sambischen Lehrdienst-Kommission, in einem Interview mit der DW.
Neue Prüfungen für Lehrer
Der Bildungssektor ist laut Mhango mit rund 100.000 Lehrern im öffentlichen Dienst der größte Job-Anbieter Sambias. Durch die Bemühungen der Regierung, mehr Lehrer einzustellen, seien die Verfahren vereinfacht worden. "Neuerdings können Lehrer auch in privaten Einrichtungen trainiert werden. Das Ergebnis: Viele drängen aus privaten Hochschulen auf dem Arbeitsmarkt, ohne die grundlegenden Anforderungen für einen professionell ausgebildeten Lehrer zu erfüllen", sagt Mhango. "Wir haben jetzt aber eine Aufsichtsbehörde eingerichtet, und es werden auch Tests durchgeführt."
Im westafrikanischen Nigeria gibt es bereits Prüfungen, um unqualifizierte Lehrer ausfindig zu machen. Die Ergebnisse geben Grund zur Sorge über die Qualität der ausgebildeten Lehrer. Im nordwest-nigerianischen Kaduna, dem größten Bundesstaat des Landes, wurden kürzlich zwei Drittel der Grundschullehrer entlassen. Der Grund: Sie hatten die Prüfungen, die für ihre sechsjährigen Schüler vorgesehen waren, selbst nicht bestanden.
Gewerkschaften als Blockierer
Die Lehrergewerkschaft in Kaduna unterstützt die Anstrengungen der Regierung, die Spreu vom Weizen zu trennen, um eine bessere Grundbildung für Schüler zu gewährleisten. Aber nur bedingt: "Vor den Prüfungen hatten wir mit der Regierung eine Abmachung, dass die Mindestpunktzahl von 60 Prozent erreicht werden muss", sagt Titus Amba, Präsident der Lehrergewerkschaft in Kaduna im DW-Interview. "Wir sind überrascht, dass die Hürde jetzt auf 75 Prozent erhöht worden ist. Das akzeptieren wir nicht. Wir werden für unsere Rechte kämpfen." Dennoch hat die Regierung im März Lehrer weitergebildet und die leeren Stellen neu besetzt.
"Gewerkschaften schützen die Interessen ihrer Mitglieder und blockieren neue Gesetzgebung in einem solchen Umfang, dass Lehrer ihrer Verantwortung nicht nachkommen", beklagt Jane Hofmeyr, Bildungsexpertin und selbst Lehrerin in Südafrika, im DW-Interview. Prüfungen der Professionalität seien ihnen nicht willkommen. Und weil die Regierung es sich mit den mächtigen Gewerkschaften nicht verscherzen wolle, würden notwendige Reformen nicht durchgesetzt.
Ähnliche Probleme in verschiedenen Ländern
Die Bildungssysteme in Afrika haben zahlreiche Probleme - und teilweise dieselben. Sambische Schulen sind oft überfüllt, in schlechtem Zustand, und die Lehrer sind demotiviert", sagt die sambische Journalistin Kathy Short gegenüber der DW. Dies liege unter anderem an ihrer schlechten Bezahlung. Zwar steige die Zahl der Einschulungen, doch ebenso die Zahl der Schulabbrüche, zum Beispiel wegen früher Schwangerschaften oder Kinderarbeit.
In Südafrika seien die weiten Wege zu entlegenen Schulen auf dem Land eines der größten Probleme, sagt Bildungsexpertin Hofmeyr. "Um überhaupt einen Lehrer vor eine Klasse stellen zu können, werden oft unqualifizierte Personen genommen, die auch nicht die Tests ihrer Grundschüler bestehen würden." Nigeria sei da keine Ausnahme. Hofmeyr verweist auf eine neue landesweite Studie an öffentlichen Schulen, die den Trend bestätige.
Hoffen auf die neue Generation
Auch in Uganda und Tansania würden zwar Anstrengungen unternommen, um die Qualität der schulischen Ausbildung zu erhöhen. Doch oft erschienen die Lehrer gar nicht erst zum Unterricht. Außerdem litten beide Länder wie viele andere auf dem Kontinent unter einem großen Bildungs-Rückstand. "Die Lehrer lesen nur aus dem Lehrbuch vor und verstehen oft selbst nicht, was sie unterrichten", sagt Hofmeyr. "Sie sind ein Produkt ihrer schlechten Schul- und Lehrerausbildung." Der größte Fehler sei die häufige Annahme, dass der Abschluss einer Ausbildung automatisch Qualität bedeute.
Südafrika habe laut Hofmeyr noch mit dem schlechten Ausbildungsstandard vieler Lehrer aus der Apartheid zu kämpfen. Damals seien Schüler in ihrer Volkssprache unterrichtet worden. Englisch lernten angehende Lehrer erst in der einjährigen Ausbildung an der Universität oder im Lehrerkolleg. Doch diese Generation der Lehrer gehe jetzt in den Ruhestand. "Damit verlieren wir zwar viel Personal, aber es sind die mangelhaft Ausgebildeten." Hofmeyr hofft auf die neu ausgebildeten Lehrer in Südafrika. Die müssen ein Universitätsexamen ablegen, durchlaufen eine längere Praxisphase und werden von einer unabhängigen Behörde kontrolliert.