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Mehr Zuwanderung

Rachel Gessat6. Oktober 2012

Schon bald stehen dem deutschen Arbeitsmarkt deutlich weniger Menschen zur Verfügung. Deshalb fordert die Bundesagentur für Arbeit, mehr Fachkräfte aus dem Ausland anzuwerben. Auch zur Rettung der Sozialsysteme.

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Mann hinter einer Glasscheibe der Bundesagentur für Arbeit in Nürnberg (Foto: AP)
Bild: AP

Raimund Becker aus dem Vorstand der Bundesagentur für Arbeit hält die künftige Entwicklung auf dem deutschen Arbeitsmarkt für dramatisch. Nur wenn qualifizierte Arbeitnehmer aus dem Ausland angeworben werden, kann seiner Ansicht nach der Arbeitskräftebedarf in Zukunft gedeckt werden.

Vor allem im medizinischen Bereich ist der Fachkräftemangel schon da. Bei Ärzten, Apothekern und Krankenpflegern können freie Positionen oft erst nach Monaten oder gar nicht mehr besetzt werden. Denn viele deutsche Mediziner arbeiten lieber in der Schweiz oder in Großbritannien, dort sind sowohl die Arbeitsbedingungen als auch die Bezahlung im Durchschnitt besser als in Deutschland. Bei den Pflegekräften sorgen ungünstige Arbeitszeiten und niedrige Bezahlung dafür, dass sich nicht genügend Bewerber finden - während der Bedarf stetig steigt.

Auch in gutbezahlten Berufssparten, etwa im Maschinenbau oder in der IT-Branche, werden schon heute händeringend Arbeitskräfte gesucht. Ebenso gibt es bei Lokführern und Piloten Engpässe bei der Besetzung freier Stellen.

Demografischer Wandel als Problem

In Zukunft werde sich das Problem eher noch verschärfen, prognostiziert die Bundesagentur für Arbeit (BA). "Es stehen im Jahr 2025 perspektivisch über drei Millionen Menschen weniger dem Arbeitsmarkt zur Verfügung, ein Teil davon sind Fachkräfte, die uns fehlen werden", sagt BA-Sprecherin Susanne Eikemeier im Gespräch mit der Deutschen Welle. Schlimmstenfalls werde das dazu führen, dass Unternehmen ihre Produktionen ins Ausland verlagerten und Arbeitsplätze in Deutschland dauerhaft verloren gingen, warnt sie. Weil die Bevölkerungszahlen in Deutschland in den nächsten 20 Jahren stark schrumpfen werden, sollte die Politik schon heute den Zuzug ausländischer Facharbeiter fördern - auch aus Ländern außerhalb Europas.

Eine Mitarbeiterin einer Arbeitsagentur berät einen älteren Mann und eine ältere Frau. (Foto: Pressebild der BA)
Die Arbeitsagentur will ältere Arbeitnehmer im Beruf haltenBild: Bundesagentur für Arbeit

Auch die Betriebe müssten noch mehr dafür tun, dass sich ausländische Mitarbeiter in Deutschland wohl fühlen, indem sie beispielsweise bei der Wohnungssuche behilflich sind. Eine "sympathische Willkommenskultur" wünscht sich Susanne Eikemeier. "Da müssen wir alle noch einmal einen Bewusstseinsprozess anstoßen, damit wir für IT-Spezialisten aus anderen Ländern als attraktives Arbeitsland und neue Heimat wahrgenommen werden können."

Neues Bewusstsein gefordert

Auch Paul Lehrieder, Arbeitsmarktexperte der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag, glaubt nicht, dass es ohne Zuwanderung aus dem Ausland geht. Lehrieder möchte aber zunächst überprüfen lassen, ob nicht deutsche Arbeitnehmer die Facharbeiterpositionen besetzen können. "Da sind Potenziale, die wir erst ausschöpfen müssen, bevor wir hier willkürlich Zuwanderung zulassen."

Portraitfoto von Paul Lehrieder, Stellvertretender Vorsitzender der Arbeitsgruppe Arbeit und Soziales der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag, (Foto: Pressebild der CDU/CSU)
Paul Lehrieder will Facharbeiterstellen zunächst mit Deutschen besetzenBild: CDU/CSU-Fraktion

So sollten ältere Facharbeiter länger im Beruf bleiben und Geringerqualifizierte mehr Chancen zur Weiterbildung bekommen. Um mehr Frauen in Erwerbstätigkeit zu bringen, sei es wichtig, die Kinderbetreuungsangebote weiter auszubauen, meint der Unionspolitiker.

Berufliche Qualifikation stärken

Auch die SPD möchte den Fachkräftemangel durch eine stärkere Einbeziehung von Frauen und Älteren in den Arbeitsmarkt abfedern. Außerdem müsse man mehr Geld in die Aus- und Weiterbildung junger Menschen stecken, fordert die arbeitsmarktpolitische Sprecherin der SPD, Anette Kramme: "Wir haben momentan 1,5 Millionen junger Menschen unter 30 Jahren, die über keinerlei Berufsausbildung verfügen." Die Regierung investiere hier zu wenig, kritisiert die Oppositionspolitikerin.

Auch sie ist aber der Ansicht, dass Zuwanderung nur ein Teil der Lösung sein. Anette Kramme verweist dabei darauf, dass die Sprachkenntnisse nicht selten eine hohe Hürde darstelle. Viele ausländische Fachkräfte bevorzugten daher englischsprachige Länder.

Portraitfoto von Anette Kramme, arbeitsmarktpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion im Bundestag. (Foto: Pressebild der SPD)
Anette Kramme fordert mehr QualifizierungsmaßnahmenBild: Anette Kramme CC BY-ND

Um mehr ausländische Facharbeiter nach Deutschland zu locken, hat die Bundesregierung in diesem Jahr einige Gesetzesänderungen vorgenommen: Im April 2012 trat ein Gesetz in Kraft, das die Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse in Deutschland erleichtert. Und einige Wochen später wurde die "Blue Card" eingeführt, die Hochqualifizierten aus dem außereuropäischen Ausland den Zuzug nach Deutschland vereinfacht.