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Politik

Iran: Zensur in sozialen Netzwerken?

5. Oktober 2022

Tausende Menschen protestieren derzeit im Iran - und wollen ihre Wut auch in sozialen Netzwerken zeigen. Doch Instagram scheint nicht alle Postings durchzulassen, so die Vorwürfe einiger Oppositioneller.

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Ein Graffiti als Protest gegen den Internet-Shutdown im Iran
Ein Graffiti als Protest gegen den Internet-Shutdown im Iran Bild: UGC

Brennende Autos, Straßenkämpfe, Frauen, die ihren Schleier verbrennen oder sich mit offenem Haar zeigen: Seit dem Tod der 22-jährigen Mahsa Jina Amini gehen im Iran Menschen gegen das Regime auf die Straße. Laut jüngsten Berichten der Menschenrechtsorganisation Iran Human Rights (IHR) von Anfang Oktober sind dabei bislang 133 Menschen ums Leben gekommen. 

Die junge Kurdin Mahsa Amini wurde am 13. September in Teheran von der Sittenpolizei festgenommen, offenbar weil sie das islamische Kopftuch nicht den Regeln entsprechend trug. Amini brach nach ihrer Festnahme unter ungeklärten Umständen auf der Polizeiwache zusammen und wurde drei Tage später im Krankenhaus für tot erklärt.

Seitdem reißt der Protest trotz massiver Polizeigewalt nicht ab, im Gegenteil: Videos und Bilder zeugen vom brutalen Vorgehen der Sicherheitskräfte gegen Demonstrierende. Die Posts werden im Netz vielfach geteilt, vor allem auf dem im Iran stark genutzten Messengerdienst Instagram. Die Social-Media-Plattform war einer der letzten Anbieter, die bis vor Kurzem noch für die Allgemeinheit verfügbar waren.

Mobiles Internet - acht Stunden am Tag abgeschaltet

Wohl auch deshalb hat das iranische Regime Instagram seit rund zwei Wochen nun auch gesperrt - und das Internet stark eingeschränkt. Mobile Netzwerke sind "weitgehend abgeschaltet", berichtet NetBlocks, eine Organisation zur Überwachung der Internetfreiheit mit Sitz in London. Für rund acht Stunden am Tag - vom Nachmittag bis Mitternacht - sind die drei großen Mobilfunkanbieter Irancell, Rightel und MCI blockiert, schreibt Doug Madory von Kentik, einem US-amerikanischen Unternehmen zur Netzwerkbeobachtung, der DW. Damit sind genau die Zeiten der Proteste und der möglichen Live-Berichterstattung dazu abgedeckt. Allerdings, so Madory, sei dieser Dienstag der erste Tag nach rund zwei Wochen gewesen, an dem das mobile Internet nicht heruntergefahren wurde.

Iran | Proteste nach dem Tod von Mahsa Amini
Seit Wochen gehen Demonstranten im Iran auf die Straße - wie hier in der Hauptstadt Teheran Bild: EPA-EFE

Zugänge zu sozialen Plattformen sind nur noch erschwert möglich, Zensurumgehungs-Tools wie Tor und Psiphon boomen und verzeichnen Millionen Zugriffe aus dem Iran. Soziale Plattformen lassen sich so teilweise auch vom PC erreichen. "Die Iraner haben fast 20 Jahre Erfahrung im Umgang mit Internetzensur. Sie sind unheimlich findig, auch im Umgang mit VPN", sagt der Medien- und Kommunikationswissenschaftler Marcus Michaelsen von der Freien Universität Brüssel der DW. Die Abkürzung "VPN" steht für "Virtual Private Network" und ermöglicht anonymes Internetsurfen. Google gibt auf seiner Farsi-Seite Hinweise für den Gebrauch. 

Zensur auf Instagram?

Doch nicht nur das iranische Regime hat den Zugang zum Internet eingeschränkt - auch auf den sozialen Plattformen selbst soll es zu zu Einschränkungen gekommen sein, so die Vorwürfe von Kritikern. Oppositionelle Aktivisten, Gruppen und Medien berichten von entfernten Hashtags, Videos und Posts auf Instagram. So fragt sich die iranischstämmige Schauspielerin und Aktivistin Nazanin Boniadi, warum der Facebook-Konzern Meta, der auch Instagram betreibt, so viele Posts zu den Protesten lösche.

Ein amerikanisch-iranischer Journalist beschuldigt Meta, jüngst ein Video entfernt zu haben. Es zeigte Protestierende, die dem iranischen Oberhaupt den Tod wünschten. Das Unternehmen habe mehr Respekt vor Diktatoren als vor Bannern und Slogans, twitterte Saman Arbabi weiter. Auch ein Post von ihm, der rund 3,3 Millionen Views generiert haben soll, sei gelöscht worden. Viele andere Protest-Posts sind allerdings noch zu sehen. Auch der iranische Exil-Sender Manoto TV berichtet von gelöschten Posts, ebenso das Dokumentations-Netzwerk "1500 Tasvir".

"Ich habe das auch so mitbekommen und erlebt", sagt Marcus Michaelsen der DW. Gemeinsam mit einer iranischen Kollegin beschäftigt er sich derzeit mit dem Thema, sammelt entsprechende Beispiele, bei denen Inhalte auf einmal gesperrt wurden, obwohl Ähnliches zugelassen wurde. "Es ist teilweise schwer zu erklären, warum die Richtlinien (von Meta, d. Red.) teilweise sehr drastisch durchgesetzt wurden. Ich kann im Moment noch keine Erklärung geben. Aber es ist so."

Meta: Keine Einschränkung

Auf Nachfrage der DW sagte ein Sprecher des Unternehmens: "Wir setzen uns leidenschaftlich für das Recht der Menschen auf Online-Zugang ein, auch im Iran. Iraner nutzen Apps wie Instagram, um in der Nähe ihrer Lieben zu bleiben, Informationen zu finden und wichtige Ereignisse zu beleuchten - und wir hoffen, dass die iranischen Behörden ihren Zugang bald wiederherstellen. In der Zwischenzeit verfolgen unsere Teams die Situation genau und konzentrieren sich darauf, nur Inhalte zu entfernen, die gegen unsere Regeln verstoßen, und gleichzeitig Fehler bei der Durchsetzung so schnell wie möglich zu beheben." 

Gegenüber dem BR hieß es von Meta, bei den Contenteinschränkungen zu Manoto TV handele es sich um eine Anti-Spam-Maßnahme, die mittlerweile wieder rückgängig gemacht wurde. Man habe auch einige Beiträge rückwirkend wieder hergestellt. Auch "1500 Tasvir" geriet unter Spam-Verdacht, weil es sehr viele Inhalte zu den Protesten absetzte.

Starlink als Rettung?

Doch wie kann es jetzt weiter gehen? Elon Musk, Chef von SpaceX, will mit Starlink den Iran aus dem All via Satellit mit dem Internet verbinden. Doch um den Dienst wirklich verfügbar zu machen, fehlt es laut Experten an Antennen im Land. Ein Smartphone oder ein Router reichen dazu nicht aus.

In einem Gastbeitrag der New York Times, unter anderem verfasst von Mahsa Alimardani von der Menschenrechtsorganisation "article 19", heißt es deshalb, dass für eine Verbesserung der Lage im Iran keine "ungetesteten Satellitennetzwerke" nötig seien. Vielmehr gebe es andere Möglichkeiten. So sollte Meta seine Reaktionszeiten deutlich beschleunigen und gleichzeitig Beziehungen zu vertrauenswürdigen Menschenrechtsorganisationen aufbauen. Denn: Ein blockierter Zugang könne zu einer "Frage von Leben und Tod" werden. 

Stephanie Höppner Autorin und Redakteurin für Politik und Gesellschaft