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Westerwelles "Besuch bei Freunden"

Sarah Mersch15. August 2013

Nach den Unruhen in Ägypten wächst die Angst vor einem Flächenbrand. Auch in Tunesien stehen die Islamisten unter Druck. Deutschland will die Führung in Tunis stützen - und setzt auf eine Sicherheitspartnerschaft.

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Der Präsident von Tunesien, Moncef Marzouki (r), und Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) begrüßen sich. (Foto: Michael Gottschalk/dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Unter Freunden besuche man sich nicht nur, wenn es gut, sondern vor allem wenn es mal nicht so gut laufe, sagte Guido Westerwelle zum Abschluss seines zweitägigen Spontanbesuchs in Tunesien. Seine Visite in Tunis fällt mitten in die politische Krise in Tunesien und den deutschen Wahlkampf. Vorsichtig positiv gestimmt ging der Außenminister am Donnerstag (15.8.) aus den Gesprächen mit Regierungsmitgliedern, Oppositionellen und dem Gewerkschaftsverband. Auch wenn er nicht auf einer offiziellen Vermittlungsmission unterwegs war, so versuche er doch, auf alle Beteiligten "konstruktiv einzuwirken und auch eigene Vorschläge zu unterbreiten."

Denn die Verhandlungen über einen Weg aus der Krise drehen sich in Tunis seit Tagen im Kreis. Während die Regierungsparteien die Auflösung der Verfassungsversammlung und den Rücktritt der Regierung nach wie vor strikt ablehnen, rückt die heterogene Opposition nicht von ihrer Forderung ab, eine unabhängige Expertenregierung müsse das Land bald möglichst zu Neuwahlen führen. Auch die Vermittlungsversuche des einflussreichen Gewerkschaftsverbands UGTT, der mehr als eine halbe Million Mitglieder zählt, konnten bis jetzt keine greifbaren Ergebnisse bringen.

Porträt von Ennahdha-Chef Rached Ghannouchi (Foto: Sarah Mersch/DW)
Angst vor "ägyptischen Verhältnissen": Ennahdha-Chef Rached GhannouchiBild: Sarah Mersch

"Keine Auflösung der Verfassungsversammlung"

"Es ist wichtig, dass die Arbeit der Verfassungsgebenden Versammlung, die Arbeit der Demokratisierung fortgesetzt wird", betonte Westerwelle. Deutschland wolle den begonnenen Demokratisierungsprozess stützen, sich jedoch nicht auf die Seite einer Partei stellen. Alle Parteien müssten zusammenrücken und den Konsens suchen, sagte er, ohne sich über die konkreten Inhalte der Gespräche zu äußern.

Zwar traf sich der deutsche Außenminister bei seinem Besuch mit zwei Oppositionsparteien der liberalen Mitte, ausgerechnet die Parteienkoalition Volksfront war jedoch, wie bereits bei Westerwelles Besuch im März, nicht dabei. Die laut lokalen Umfragen drittstärkste politische Kraft, der sowohl der im Februar getötete Chokri Belaid als auch der am 25. Juli ermordete Abgeordnete Mohamed Brahmi angehörten, hält besonders strikt an den Forderungen nach einem politischen Neuanfang in Tunesien fest.

Foto von einer nächtlichen Kundgebnung von Anti-Regierungs-Demonstranten in Tunis. (Foto: REUTERS/Zoubeir Souissi)
Regelmäßig gehen derzeit in Tunis tausende Menschen auf die Straße, um gegen die Regierung zu protestieren.Bild: Reuters

Besorgter Blick nach Ägypten

Tunesien dürfe kein zweites Ägypten werden, forderte Westerwelle mit Nachdruck. Die Situation dort wird in Tunesien mit Sorge betrachtet. Während alle politischen Gruppierungen die Gewalt in Kairo deutlich verurteilten, schaut besonders die islamistische Ennahdha-Partei mit großer Sorge an den Nil. Sie befürchtet, dass die Übergriffe gegen die Muslimbrüder auch die tunesische Regierung ins Wanken bringen könnten. Parteichef Rached Ghannouchi forderte die Tunesier auf, die Schlussfolgerung aus den Ereignissen in Ägypten zu ziehen und auf Konsens zu setzen. "Nur so können wir verhindern, dass sich hier ein tunesischer Sisi den Weg bahnt", sagte er auf einer Pressekonferenz in Tunis in Anspielung auf den Oberkommandierenden der ägyptischen Streitkräfte, der derzeit die Fäden in Kairo zieht.

Deutsches Interesse an Stabilität

Zwar sei die Regierung offen für Gespräche und die Beteiligung weiterer Parteien, die Forderung nach Bildung einer unabhängigen Expertenregierung wies er aber streng zurück. Der mit der Wahl der Verfassungsversammlung eingeschlagene Weg müsse fortgeführt werden. Ghannouchi erklärte, in Tunesien könne noch vor Ende des Jahres gewählt werden - ein Datum, das nationale und internationale Beobachter für nicht realistisch halten, denn zur Zeit gibt es weder ein gültiges Wahlrecht noch eine unabhängige Instanz, die die Wahlen organisieren könnte.

Shake-hands zwischen Außenminister Guido Westerwelle und Tunesiens Regierungschef Ali Larayedh (Foto: EUTERS/ Zoubeir Souissi)
Enge Kooperation fortsetzen: Westerwelle (li.) und Regierungschef Ali LarayedhBild: Reuters

Deutschland zählt seit Jahren zu den wichtigsten Handelspartnern Tunesiens und hat auch aus diesem Grund ein großes Interesse an wirtschaftlicher und politischer Stabilität in dem kleinen Mittelmeer-Staat. Seit dem Umbruch im Januar 2011 hat die Berliner Regierung im Rahmen der sogenannten Transformationspartnerschaft mehr als hundert Projekte der Entwicklungszusammenarbeit in Tunesien finanziert. Auch im Bereich der Sicherheit will Deutschland die tunesische Führung unterstützen: Man wolle den Streitkräften bei der Minenräumung helfen, kündigte Westerwelle an. Durch offenbar von Terroristen gezielt gelegte Anti-Personen-Minen waren in den letzten Monaten mehrfach tunesische Soldaten ums Leben gekommen.