Geheim-Aktionen in Syrien
12. Oktober 2012Diskretion ist eine der Kardinaltugenden von Geheimdiensten weltweit. Darum achten sie darauf, dass auch über ihr Engagement in Syrien nicht allzu viel bekannt wird. Offiziell lehnen die westlichen Regierungen ein militärisches Engagement in Syrien ab. Doch dass sie unter der Hand in dem von Gewalt zerrissenen Land längst aktiv sind, lässt sich nicht mehr verheimlichen.
Bereits seit geraumer Zeit ist bekannt, dass CIA-Agenten in der Türkei den Waffentransfer an syrische Rebellen überwachen. Nach Einschätzung von Experten ist auch der Britische Geheimdienst aktiv. Er soll die Entwicklung in Syrien von Zypern aus beobachten und die Rebellen mit strategisch bedeutsamen Informationen versorgen. Laut Erich Schmidt-Eenboom, Leiter des Forschungsinstituts für Friedenspolitik in Weilheim in Oberbayern, sind die Erkenntnisse über 'diskrete' Aktionen westlicher Geheimdienste nicht überraschend. "In Syrien arbeiten an einem Regimewechsel all die Geheimdienste, die in Libyen den Regimewechsel von Gaddafi herbeigeführt haben", erklärt er im Gespräch mit der DW.
CIA-Aktivitäten aus der Türkei
"Der amerikanische Geheimdienst CIA ist seit einigen Monaten überwiegend von der Türkei aus aktiv", erläutert Schmidt-Eenboom. Dieser Auffassung ist auch David Pollock, Leiter des Washington-Instituts für Nahostpolitik. Allerdings schränkt er ein, dass die CIA-Aktivitäten vor dort aus sehr begrenzt seien. Auch amerikanischen Presseberichten zufolge beschränkten sich die amerikanischen Geheimdienste darauf, für eine geordnete Waffenübergabe zu sorgen: Vor allem Raketen und Sprengstoff sollten nicht in die Hände religiöser Extremisten fallen. Finanziert würden die Waffen hingegen von der Türkei, Saudi-Arabien und Katar. "Der Westen unterstützt die gemäßigten Kräfte in Syrien. Katar hingegen unterstützt die fundamentalistischen Gruppierungen", bekräftigt Schmidt-Eenboom.
Die US-Regierung wolle den Rebellen Satellitenbilder über syrische Truppenbewegungen zur Verfügung zu stellen. Auch sei Unterstützung beim Aufbau eines eigenen Nachrichtendienstes denkbar. Ob diesbezüglich eine Entscheidung getroffen wurde, bleibt allerdings ungewiss. Angeordnet hat Präsident Barack Obama bereits, der Geheimdienst CIA solle den Rebellen logistisch beistehen. Derweil kündigten die USA weitere finanzielle Unterstützung für die Aufständischen an. Es sollen 15 Mio. Dollar für Kommunikationsmittel fließen. "Die finanzielle Hilfe aus Amerika dient keinesfalls der Waffenlieferung", meint auch David Pollock und fügt hinzu: "Die Geldsummen sind ausschließlich zur Beschaffung von Kommunikations- und Medizintechnik vorgesehen."
Französische Fluchthelfer
Unter den europäischen Staaten spielt vor allem Syriens ehemalige Kolonialmacht Frankreich eine herausgehobene Rolle. In Zusammenarbeit mit Partnern aus Saudi-Arabien und der Türkei hilft der französische Geheimdienst hochrangigen Vertrauten Assads, dem Regime den Rücken zu kehren und das Land zu verlassen. Die Flucht von Generälen, Politikern und anderen Personen aus Assads unmittelbarem Umfeld, so das Kalkül, soll das Regime moralisch unterminieren. Manaf Tlas - einer der ranghöchsten Generäle des Landes - konnte mit Hilfe der Franzosen Syrien verlassen. Die Flucht von Assad-Vertrauten ist auch darum von Bedeutung, weil diese wertvolle Informationen über die politische und militärische Verfassung des Regimes mitbringen.
Ähnlich gehen westliche Geheimdienste bereits in Libyen vor. Als der ehemalige libysche Außenminister Mussa Kussa, der engste Vertraute Gaddafis, das Land verließ, präsentierte er westlichen Geheimdiensten Informationen, die diese für ihre Arbeit umgehend nutzten. Für die Überläufer lohnt sich die Flucht gleich mehrfach: Sie entgehen möglichen Racheaktionen ihrer Landsleute. Zudem könnten sie im Westen auf Straffreiheit hoffen. Und auch finanziell lohne sich die Flucht, erklärt Schmidt-Eenboom: "Man verspricht ihnen für ihre nachrichtendienstlichen Informationen hohe Geldbeträge."
Berlins offenes Geheimnis
Auch Deutschlands Geheimdienste seien in Syrien aktiv, erklärt Schmidt-Eenboom: "Der alte, bis Ende 2011 amtierende BND-Präsident hatte über Jahre sehr gute Beziehungen zu den syrischen Nachrichtendiensten. Doch mit dem Wechsel der BND-Präsidenten haben wir einen Paradigmenwechsel." Seitdem kooperiere der BND nicht mehr mit dem syrischen Nachrichtendienst, sondern mit Assads Gegnern. Außerdem verträte der BND heute wieder die gleiche Position wie seine westlichen Partnerdienste. "Der neue BND-Präsident Gerhard Schindler ist sehr risikofreudig und versucht, das verlorene Vertrauen bei den westlichen Partnerdiensten wegen der Zurückhaltung in Libyen zurückzugewinnen. Darum finden verschiedene Aktivitäten des BND gegen Syrien statt", so Schmidt-Eenboom ergänzend.
Unklarheit herrsche über die Aufgaben des seit Wochen im östlichen Mittelmeer kreuzenden deutschen Marineschiffes. Vermutungen deutscher Medien, es handele sich um ein Spionageschiff, wies das Bundesverteidigungsministerium zurück. Der Einsatz des Flottendienstbootes diene lediglich der Aufklärung und Frühwarnung. Spionageboote unterhalte die deutsche Marine einem Ministeriumssprecher zufolge nicht. Anfragen der DW an den BND zu näheren Aufgaben des Schiffes blieben bislang unbeantwortet.
Doch Berlin setzt nicht nur in geheimdienstlichen Angelegenheiten auf Diskretion. Im Zeitraum von Januar bis Juni 2012 trafen sich in den Räumen der "Stiftung Wissenschaft und Politik" Mitglieder verschiedener syrischer Oppositionsgruppierungen, um gemeinsam Konzepte für die politische und gesellschaftliche Ordnung Syriens für die Zeit nach Assad zu erarbeiten. Dieses Projekt wurde lange Zeit geheim gehalten - aus Sorge vor dem syrischen Geheimdienst.