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Wie afrikanische Flüchtlinge ihre Ankunft auf Teneriffa erleben

Sandra Petersmann, zurzeit Teneriffa21. August 2006

Die Kanareninsel Teneriffa gilt als Urlaubsparadies. Aber nicht nur Touristen, sondern auch tausende Flüchtlinge aus Afrika erreichen jährlich die Insel. Auf der Überfahrt in einfachen Holzbooten riskieren sie ihr Leben.

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Die Überlebenden müssen oft medizinisch versorg werdenBild: DW

In der Touristen-Hochburg Los Cristianos auf der spanischen Insel Teneriffa reiht sich entlang einer sichelförmigen Bucht Hotel an Hotel. Das ehemalige Fischerdorf hat jedes Jahr rund 3,5 Millionen Übernachtungsgäste. Aber in diesen Wochen ist Los Cristianos vor allem wegen der vielen Boote aus Westafrika in den Schlagzeilen, die von der Küstenwache oder der Seenotrettung in den Hafen geschleppt werden. Die einfachen Holzkähne mit schwachen Dieselmotoren kommen am Tag und in der Nacht - sie brauchen im Schnitt zehn Tage, um Teneriffa zu erreichen. Und die, die darin die Überfahrt geschafft haben, haben ihr Leben riskiert, weil sie von Europa träumen.

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Ein Schiff der Seenotrettung bringt Flüchtlinge an LandBild: DW

Neunzig junge Männer aus Afrika klettern an diesem Tag mit wackeligen Beinen und nassen Sachen aus einem maroden Holzboot, das zu einem guten Drittel unter Wasser steht. Die Küstenwache hat den Kahn gerade in den Hafen von Los Cristianos gezogen, die Polizei hat das Gelände weiträumig abgesperrt. Die Männer aus Afrika haben die Hölle hinter sich. Sie waren elf Tage auf hoher See, sie hatten nicht genug zu essen und nicht genug zu trinken, sie haben gefroren und sind gleichzeitig von der Sonne verbrannt. Sie konnten sich in dem überladenen Boot kaum bewegen und haben deshalb Krämpfe.

Bewegende Szenen

Die Männer der Küstenwache helfen ihnen mit Atemmasken und Gummihandschuhen an Land, wo das spanische Rote Kreuz auf sie wartet. Einsatzleiter Austin Taylor und sein Team haben drei Zelte für die medizinische Erstversorgung aufgebaut. Regelmäßig erleben Taylors Leute bewegende Momente: "Du gibst jemandem Wasser - und er fängt an zu weinen. Du hilfst jemandem aus dem Boot - und er sinkt zu Boden und küsst den Asphalt", erzählt der Einsatzleiter. Manchmal seien auch kleine Kinder an Bord."

Die 90 Männer haben im Senegal abgelegt. So viel ist klar. Aber woher sie stammen, wollen sie nicht verraten. Bloß keine Angriffsfläche bieten, bloß nicht abgeschoben werden, jetzt, wo die Festung Europa endlich erreicht ist. Sie sitzen schweigend auf dem Fußboden in den Zelten und starren auf ihre Füße. Sie bekommen Plastiktüten mit trockenen Sachen. Sie trinken Tee und knabbern Kekse. Einige brauchen einen Tropf mit warmer Flüssigkeit, um sich zu erholen. Aber im Großen und Ganzen geht es allen gut, sagt Austin Taylor vom Roten Kreuz. "Um so eine gefährliche Reise in so einem untauglichen Boot durchzustehen, so viele Tage so eng zusammengepfercht, ohne jeden Schutz, da muss man sehr gesund sein", erläutert Taylor.

Abschirmung von der Postkarten-Welt

Eine Stunde später rollen drei Polizei-Busse vor. Die jungen Männer aus Afrika erheben sich und steigen mit steifen Schritten ein. Ein paar Touristen, die hinter dem Absperrband auf die erste Fähre Richtung La Gomera warten, machen Erinnerungsfotos. Aber die Busfahrer geben Gas und steuern das Polizei-Hauptquartier an, wo auf jeden einzelnen Afrikaner ein förmliches Verfahren wegen illegaler Einwanderung wartet. Danach geht es direkt weiter in eines der Internierungslager, die gut versteckt sind und meistens auf militärischem Gelände liegen. Kontakt nach außen, mit der Postkarten-Welt der Touristen, ist nicht erwünscht.

Immigrantendrama Teneriffa
Die Neuankömmlinge in einem Zelt des Roten KreuzesBild: DW

Luis Carrion, der Polizeichef von Los Cristianos, entfernt das Absperrband und spricht von Einwanderern, nicht von Flüchtlingen. Sie seien jung und gebildet. "Sie verdienen unseren Respekt. Sie sind sehr höflich, sie machen keinen Ärger, sie sind freundlich, sie sind ehrgeizig und diszipliniert", sagt der Polizeichef. Dann verlässt auch er den Hafen und fährt den Bussen hinterher. Das übernächtigte Team vom Roten Kreuz macht die Zelte sauber und hofft auf ein paar Stunden Schlaf. Aber alle gehen davon aus, dass es nicht das letzte Boot an diesem Tag war.

Ungewisse Zukunft

Auf die 90 jungen Afrikaner wartet eine ungewisse Zukunft. Das spanische Gesetz schreibt vor, dass sie nach 40 Tagen freigelassen werden müssen. Wenn dann immer noch unklar ist, woher sie kommen, oder wenn es kein Rückführungsabkommen mit ihrem Heimatland gibt, dann bleiben sie. Ohne Papiere, ohne Arbeitserlaubnis. Die meisten werden aufs spanische Festland gebracht, wo sie dann in den Großstädten abtauchen - in der Hoffnung, irgendwann eine richtige Aufenthaltsgenehmigung zu bekommen.

Davon träumt auch Diene. Er ist Anfang 20, vermutlich aus dem Senegal, erst vor zwei Wochen hat er das Internierungslager verlassen. Nun lungert er auf der Promenade von Los Cristianos herum und arbeitet schwarz. Er ist ein illegaler Einwanderer, aber dafür hat er nicht seine Familie verlassen. Er will in eine Metropole wie Barcelona oder Madrid, wo er sich echte Arbeit verspricht: "Ich bin ein harter Arbeiter", sagt der junge Mann."Ich bin kein schlechter Mensch."