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"American Sniper" aus Sicht eines US-Marines

Das Gespräch führte Kate Müser/jb26. Februar 2015

US-amerikanischer Patriotismus wirkt auf Deutsche oft befremdlich. Zum Kinostart von "American Sniper" sprach die DW mit einem früheren US-Elitesoldaten. "Freiheiten zu verteidigen, ist Ehrensache", sagt er.

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Chris Clark, ehemaliger US-Marine und Sicherheitsexperte sowie Gründer der Wohltätigkeitsorganisation für Veteranen Redstone (Foto: Chris Clark)
Bild: Chris Clark

Chris Clark war US-Marine und als Teil einer Spezialeinheit an zwei Kampfmissionen im Irak beteiligt. Vor dem Hintergrund des deutschen Kinostarts von "American Sniper", der auf einer Biographie des US-Scharfschützen Chris Kyle beruht, beschreibt Clark, was die Anziehungskraft des Elitedienstes im US-Militär ausmacht und wie das Leben danach weitergeht.

DW: "American Sniper" kommt heute in die deutschen Kinos. Würden Sie den deutschen Kinogängern empfehlen, sich den Film anzuschauen?

Chris Clark: Ich denke, dem Film gelingt es gut, auf die Schwierigkeiten aufmerksam zu machen, mit denen alle Veteranen nach ihrer Rückkehr in die Heimat zu kämpfen haben. Ich glaube nicht, dass das nur ein US-amerikanisches Thema ist. Ich denke, dass an Kampfmissionen beteiligte Soldaten, egal welcher Herkunft, Probleme damit haben, sich wieder in die Gesellschaft zu integrieren.

Ich halte "American Sniper" aber nicht für einen politischen Film. Er hat zwar eine große politische Debatte ausgelöst, aber die Geschichte konzentriert sich auf die Sicht eines Soldaten und seine Erfahrungen im Irak-Krieg, seine Schwierigkeiten nach der Rückkehr. Die Story lässt sich natürlich in alle möglichen politischen Richtungen deuten, doch ich glaube, der Film bezieht da keine Position. Er zeigt Chris Kyles patriotische Einstellung, seine Hingabe für das Vaterland und die Mission. Doch das ist Sichtweise einer Einzelperson und in keiner Weise ein Stoff für einen politischen Dokumentarfilm über den Irak-Krieg.

"American Sniper" führt dem Zuschauer noch einmal lebhaft vor Augen, dass Soldaten ausgebildet werden, um zu töten. Warum haben Sie sich für solch eine Ausbildung entschieden?

Ich kann natürlich nicht für alle sprechen, die sich für den Dienst an der Waffe melden, aber ich glaube, dass viele Menschen ihrem Land dienen wollen. Die USA befanden sich in zwei Kriegen, als ich mich gemeldet habe, in Afghanistan und im Irak. Meine Haltung war: Wenn die USA sich in einem Krieg befinden, ist es meine Pflicht als Bürger, meinem Land auf die besterdenkliche Weise zu dienen.

Auf der anderen Seite verstand ich damals aber auch nicht viel von Politik. Ich war jung und hatte mich nicht besonders über politische Themen im In- oder Ausland informiert. Aber ich hatte das Bedürfnis, meinem Land und einer größeren Sache zu dienen. Ich kann aber nur für mich sprechen.

Als Mitglied einer Eliteeinheit triffst du auf Leute, die ein starkes Bedürfnis haben, ein professioneller Krieger zu werden. Dieser Wunsch überlagert jede rationale geopolitische Begründung eines Einsatzes.

Würden Sie sagen, dass das Bild des Kriegers speziell im amerikanischen Denken stark verankert ist? Identifizieren Sie sich persönlich mit diesem Typus?

Ich identifiziere mich damit, aber ich glaube nicht, dass diese Idee etwas fundamental Amerikanisches ist. Der Krieger ist ein historisches Konzept, das es in jeder Gesellschaft gibt, nicht nur in der amerikanischen. Es gibt Krieger in Afghanistan und im Irak, in jedem Land der Erde.

Kritiker bemängelten, dass Chris Kyle als jemand dargestellt wird, der den Krieg genießt und beim Töten einen gewissen Kick verspürt. Glauben Sie, ausgehend von seiner Darstellung im Film, dass Chris Kyle stellvertretend für andere Soldaten steht?

Bradley Cooper als Scharfschütze Chris Kyle im Film American Sniper (Foto: dpa)
Prototyp eines Marines: "American Sniper" Chris Kyle, gespielt von Bradley CooperBild: Warner Bros.

Aus meiner persönlichen Erfahrung ist die Figur des Chris Kyle schon stellvertretend für einen gewissen Typ von Elitesoldat bei den Marines oder bei den Navy SEALs. Ich weiß nicht genau, was er über Vergnügen am Töten gesagt hat, und ich würde auch nicht so weit gehen zu sagen, dass es die typische Einstellung eines jeden ist, der in dieser Funktion dient. Aber ich bin schon der Meinung, dass jeder, der auf diesem Level ausgebildet wurde und sich diesen Beruf erwählt hat, auch den Job ausführen will, für den er ausgebildet wurde - und sei es nur für eine kurze Zeit.

Natürlich spielen da auch ethische Fragen eine Rolle. Ich kann nicht für alle sprechen, aber ich wurde nie in eine Situation gebracht, in der von mir verlangt wurde, etwas Unethisches zu tun.

Die Deutschen tun sich sich mit offenen Demonstrationen von Nationalstolz schwer. Auch den US-amerikanischen Patriotismus beäugen sie oft skeptisch. Finden Sie Patriotismus gefährlich?

Ich denke, in einer Demokratie wie den USA, in der wir unsere Anführer wählen, damit sie das Interesse des Volkes vertreten, ist Patriotismus nicht gefährlich. Patriotismus ist eine Reaktion auf die Freiheiten, für die wir uns in den USA glücklich schätzen können. Diese Freiheiten zu verteidigen ist in meinen Augen eine ehrenvolle Sache.

Ich glaube, dass Nationalismus gefährlich sein kann. Was den US-amerikanischen Patriotismus betrifft, glaube ich, dass er gesund ist. Aber es kommt immer auf das Regime an, das gerade an der Macht ist.

Das Tragische an Chris Kyles Geschichte ist, dass er vor zwei Jahren von einem Ex-Marine, der an einer posttraumatischen Belastungsstörung litt, erschossen wurde. Der Angreifer wurde diese Woche wegen Mordes verurteilt. In Deutschland wird die amerikanische Haltung zu Waffen oft kritisiert. Wie würden Sie einem Deutschen die amerikanische Obsession für Waffen erklären?

Fakt ist, dass die Vereinigten Staaten eine Verfassung haben, die uns das Recht gibt, Waffen zu tragen. Das ist also sehr tief in der amerikanischen Kultur und Gesellschaft verankert. Das Bedürfnis, die Rechte, die wir schon seit den Zeiten der Gründungsväter hatten, zu behalten, ist etwas, das ich nicht kritisiere. Nicht jeder Vorfall in den USA, bei dem ein Mensch ums Leben kommt, sei es jetzt der Mord an Chris Kyle oder eine Schießerei in East Oakland, hat etwas mit der Reglementierung von Waffenbesitz zu tun.

Sie sind nun nicht mehr im Armeedienst und haben eine Non-Profit-Organisation mitbegründet, die Veterane unterstützt. Worum geht es Ihnen dabei?

Wir arbeiten mit Veteranen, die sich für einen guten Zweck engagieren und das Gemeinschaftsgefühl, das sie aus dem Militär kennen, erhalten wollen. Wir versuchen, diesen Teamgeist zu schaffen und arbeiten im Ausland in Entwicklungs- oder Hilfsprojekten. Zurzeit engagieren wir uns auf den Philippinen und allgemein in Südostasien.

Wir wollen Veteranen helfen, sich wieder in die Gesellschaft einzugliedern. In der Armee hat man sehr enge Beziehungen zu den Kameraden, vor allem, wenn man sich wiederholt in lebensgefährlichen Situationen wiederfindet. Dieses Bindungen, das Gefühl, für eine Mission und für eine Sache zu kämpfen - das sind Dinge, die verloren gehen, wenn man die Armee verlässt. Das macht es nicht einfacher, sich wieder an ein ziviles Leben zu gewöhnen. Wir wollen die Fähigkeiten der Veteranen nutzen und sie für einen guten Zweck einspannen.

Chris Clark meldete sich im Alter von 17 Jahren bei der US-Armee. Er leistete vier Jahre Dienst bei der Eliteeinheit "1st Recon Battalion". Er war zwei Mal im Irak, 2005 und 2006.