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Kasachstans Parallelimporte nach Russland

Alexander Korolev
15. November 2023

Umschlagplatz Almaty: Die russisch-kasachische Grenze bietet viele Schlupflöcher, um Sanktionen zu umgehen und auch in Deutschland hergestellte Produkte nach Russland zu bringen. Was sagen Hersteller und Händler dazu?

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Lastwagen auf dem Markt von Almaty
Der Markt in Almaty ist ein wichtiger Umschlagplatz für Warenlieferungen nach RusslandBild: Alexander Korolev/DW

"Schaut, was für stabile Fernseher!", sagt Kajrat (Name geändert) und klopft kräftig erst auf einen, dann auf einen anderen Bildschirm. "Nimm ihn, nimm ihn!", drängt er.

Und er fügt hinzu: "Vergiss nur das Wort Samsung auf dem Fernseher, denn wir bringen die Etiketten selber an. In Wirklichkeit sind es chinesische Fernseher." Ein echtes Samsung-Gerät fände man hier auf dem Markt gar nicht, erklärt der Händler.

Ein Mann schaut sich auf einem Markt in Almaty Fernsehgeräte an
Auf dem Markt in Almaty werden verschiedene Fernsehgeräte angebotenBild: Alexander Korolev/DW

Der junge Mann arbeitet als Verkäufer auf einem Markt am Stadtrand  der kasachischen Metropole Almaty. Der Markt gehört zu den größten seiner Art in Zentralasien und ist ein wichtiger Umschlagplatz auf dem Weg von China in andere Länder der Region, darunter auch für Parallelimporte, also für Importe durch Dritte und nicht durch den Hersteller selbst.

Über mehrere Kilometer entlang der Autostraße erstrecken sich etliche Verkaufspavillons, wo man buchstäblich alles kaufen kann: Elektronik, Gold, Kleidung, Küchengeräte, Musikinstrumente, Brautkleider, Spielzeug und Baumaterialien. Zwischen den Ständen fahren zahlreiche Elektromotorräder hin und her, die Waren transportieren.

Karte Kasachstans und Nachbarländer

An einem Pavillon, wo Fernseher und verschiedene kleine Elektronikgeräte verkauft werden, beantwortet Kajrat die Frage, ob man eine kleine Menge an Geräten kaufen und diese nach Russland einführen könne, mit "Ja". Die Frage an sich wundert ihn nicht.

"Das mache ich doch selbst", sagt er und fügt hinzu, dass er seine eigenen "Samsungs" auch noch im russischen Onlineshop Wildberries anbiete. "Aber ohne Garantie, die gilt nur hier in Kasachstan."

Sobald der Fernseher nach Russland kommt, sei es mit der Garantie vorbei, warnt der Händler. Dass russische Kunden getäuscht werden und statt südkoreanischen Samsung-Fernsehern ganz andere Geräte bekommen, ist ihm offenbar völlig egal.

Ein Mann transportiert mit einem Elektromotorrad Waren auf dem Markt in Almaty
Transport von Waren auf dem Markt in AlmatyBild: Alexander Korolev/DW

Produkte "Made in Germany"

Kleine Haushaltsgeräte unterliegen keinen EU-Sanktionen, und ihre Einfuhr nach Russland ist nicht illegal. Es geht um Parallelimporte, die ohne Kenntnis des Herstellers in ein Land fließen, für das die Ware nicht bestimmt war. Gleichzeitig unterliegen Drohnen, Spezialausrüstung und Mikrochips, die zur Herstellung militärischen Geräts verwendet werden können, Sanktionen.

Wie funktioniert der Parallelimport zwischen Kasachstan und Russland auf dem Markt in Almaty? Wie werden kleine Mengen eingekauft und nach Russland gebracht?

Blick auf Verkaufsstände im Markt von Almaty
Der Markt in Almaty gehört zu den größten in ZentralasienBild: Alexander Korolev/DW

Wenn man über die langen Wege des Marktes in Almaty spaziert, stößt man auch auf Produkte der bekannten deutschen Marke Bosch. In einem Pavillon ist ein ganzer Stapel Kochfelder zu sehen, auf deren Verpackungskartons Made in Germany steht.

"Kann ich ihnen helfen?", fragt die Verkäuferin Schajna (Name geändert). Auf die Frage, ob man eine kleine Menge Haushaltsgeräte kaufen und ins russische Orenburg liefern kann, hält sie mit jemandem am Telefon Rücksprache.

"Ja, kein Problem, Sie können Geräte bei uns kaufen und sie nach Orenburg schicken. Sie müssen sich nur mit einer Transportfirma absprechen, und davon gibt es viele, es wird keine Schwierigkeiten geben", so die Verkäuferin.

Entsprechende Anbieter finden sich tatsächlich direkt auf dem Markt. Ein Kubikmeter kostet umgerechnet rund 80 Euro. Zwei mal pro Woche wird Fracht nach Moskau transportiert.

Bosch liefert nach eigenen Angaben keine Geräte mehr nach Russland, ebenso wenig Teile für deren Fertigung. Die Produktion am Hausgeräte-Standort in St. Petersburg ist seit März 2022 eingestellt.

Die DW wandte sich zunächst an die Firma im kasachischen Almaty, die Bosch-Produkte vertreibt. Dass die Geräte relativ einfach von Kasachstan nach Russland geliefert werden können, dazu wollte sich bei dem Telefonat eine Mitarbeiterin der Firma nicht äußern. Und auf einen versprochenen Rückruf eines anderen Mitarbeiters wartete die DW mehrere Tage vergeblich.

Doch Recherchen der DW ergaben, dass sich der Gewinn der Vertriebsfirma im Jahr 2022, als Russlands umfassende Invasion der Ukraine begann und Sanktionen gegen Moskau verhängt wurden, verdoppelt hat.

Werbetafeln für Warenlieferungen nach Moskau und St. Petersburg
Werbung für Warenlieferungen nach Moskau und St. PetersburgBild: Alexander Korolev/DW

Die DW wollte auch von Bosch (BSH Hausgeräte GmbH) in Deutschland wissen, wie das Unternehmen mit dem Parallelimport seiner Produkte aus Kasachstan nach Russland umgeht, und erhielt auf eine Anfrage folgende Antwort: "Parallelimporte erfolgen typischerweise ohne Kenntnis des Herstellers und aus Ländern, die keine Sanktionen gegen Russland verhängt haben. Wir haben weder zuverlässige Angaben darüber, ob und in welchem Umfang Produkte über Parallelimporte ins Land gelangen, noch ist es möglich, dies im russischen Markt zu erheben."

Kasachstan weist Bedenken zurück

Russland erlaubt seit März 2022 Parallelimporte. Es wurde eine Liste der zur Einfuhr zugelassenen Waren erstellt. Darin finden sich Gadgets, Haushaltsgeräte, Kleidung, Treibstoff und Autos.

Offiziellen russischen Statistiken zufolge lag das Volumen der Parallelimporte nach Russland im vergangenen Jahr über 20 Milliarden US-Dollar. Die Exporte Kasachstans nach Russland stiegen im Jahr 2022 um fast zwei Milliarden Dollar und erreichten somit fast neun Milliarden Dollar.

"Mit Parallelimporten befassen sich in Kasachstan sowohl Privatpersonen als auch mittelständische und sogar große Unternehmen. Allein nach offiziellen Angaben erreicht die Schattenwirtschaft in Kasachstan etwa 15 Prozent. Aber sie kann in Wirklichkeit doppelt so groß sein", sagt Arman Bejsembajew, Finanzanalyst beim internationalen Brokerunternehmen Tickmill.

Kasachstans Präsident Kassym-Schomart Tokajew und der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz bei einer Pressekonferenz in Berlin im September 2023
Kasachstans Präsident Kassym-Schomart Tokajew und Bundeskanzler Olaf Scholz in Berlin (September 2023)Bild: dts Nachrichtenagentur/IMAGO

Gleichzeitig drängen westliche Länder Kasachstan zu Maßnahmen gegen Parallelimporte. Seit dem 1. April betreibt das Land ein Online-Überwachungssystem für den Import und Export von im Ausland hergestellten Waren.

Der kasachische Präsident Kassym-Schomart Tokajew äußerte sich Ende September zu den Bedenken der deutschen Behörden. Demnach gelangten über Kasachstan Güter nach Russland, die dem Kreml im Krieg gegen die Ukraine helfen könnten. Tokajew versicherte, dass Kasachstan die Russland-Sanktionen befolge und es auf deutscher Seite keine Bedenken geben sollte, was eine mögliche Umgehung der Sanktionen angeht.

Lange und offene Staatsgrenze

Tatsächlich gibt es aber nach wie vor zahlreiche Schlupflöcher für Parallelimporte nach Russland. Die Russische Föderation und Kasachstan teilen sich eine 7500 Kilometer lange Grenze. An vielen Stellen findet Import und Export statt.

"Beide Länder gehören der Zollunion der Eurasischen Wirtschaftsunion an, daher läuft der Warenverkehr zwischen den beiden Ländern relativ ruhig", erläutert Magbat Spanow, Experte am kasachischen Institut für Innovative Ökonomie.

Auch wenn der Westen Kasachstan immer wieder Sekundärsanktionen androht, werden die Parallelimporte mit Russland wahrscheinlich weitergehen. Zumindest auf dem Markt in Almaty rechnet man fest damit.

Adaption aus dem Russischen: Markian Ostaptschuk

Georgien: Schlupfloch für Sanktionen