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Wie der Staat die Kirche mitfinanziert

Günther Birkenstock15. Oktober 2013

Die hohen Kosten für den Bischofssitz in Limburg haben viele Menschen irritiert. Der Skandal bringt ans Licht, dass die Kirchen in Deutschland ihre Finanzen nicht offenlegen müssen und zudem viel Geld vom Staat bekommen.

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Bischof Tebartz-van Elst in Nahaufnahme (Foto: dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Rund 460 Millionen Euro erhielten die katholische und die evangelische Kirche Deutschlands im Jahr 2012 aus der Staatskasse. Diese alljährliche Unterstützung, die sogenannte Dotation, hat historische Gründe. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts ging den Kirchen ein großer Teil ihres Besitzes durch die Säkularisation verloren. Napoleon hatte in ganz Europa Kirchen enteignet. Dafür wird ihnen seitdem die Dotation gezahlt, die durch Verträge mit dem Vatikan mehrfach festgelegt wurde.

Die Höhe der Entschädigungszahlung ist je nach Bundesland sehr unterschiedlich. Festgehalten ist sie auch im Grundgesetz - als Relikt der Weimarer Zeit.

Diese Regelungen hätten allerdings längst abgegolten werden müssen, meint die ehemalige SPD-Finanzexpertin und frühere Bank-Managerin Ingrid Matthäus-Maier. "Das ist ein Verfassungsbruch", sagt die Politikerin im Gespräch mit der Deutschen Welle und betont, dass schon Anfang des 19. Jahrhunderts geplant war, diese Entschädigung durch eine Einmalzahlung aufzuheben. Dass der deutsche Staat heute noch jedes Jahr Millionen an die Kirchen zahle, sei ganz und gar unzeitgemäß, sagt die Politikerin, die sich schon lange für die Trennung von Kirche und Staat ausspricht.

Ingrid Matthäus-Maier (Foto: dpa)
Ingrid Matthäus-Maier: Die Dotation ist unzeitgemäßBild: picture-alliance/dpa

Auch der Politologe und Publizist Carsten Frerk hält die Dotation für nicht verfassungskonform. "Schon die Weimarer Reichsverfassung hatte den Gesetzgeber aufgefordert, diese Staatsleistungen zu beenden." Doch dann sei die große Inflation während der Weltwirtschaftskrise dazwischengekommen, man hatte andere Probleme, das Thema war vom Tisch.

Kirchen als Wirtschaftsunternehmen

Die 460 Millionen Euro sind jedoch nur ein kleiner Teil des Geldes, mit dem der Staat die Kirchen unterstützt. Neun Milliarden erhalten sie im Jahr allein aus Kirchensteuern, die jedes Mitglied zahlt und die der Staat für sie eintreibt.

Wenn man auf die Finanzen der Kirchen in Deutschland blickt, ergeben sich nach Einschätzung von Carsten Frerk mehrere große Bereiche: die Einnahmen aus Kirchensteuern und Gebühren, aus sozialen Einrichtungen und dem kircheneigenen Vermögen. Die Kirche, so Frerk im Gespräch mit der Deutschen Welle, habe viele Einnahmequellen - auch in Bereichen, in denen man das gar nicht vermute.

Carsten Frerk (Foto: Wikipedia)
Carsten Frerk: Die Kirche hat viele EinnahmequellenBild: cc-by-sa-3.0/Mathias Schindler

Die Kirche hilft, aber ...

Die beiden großen christlichen Kirchen betreiben viele soziale Einrichtungen, Krankenhäuser, Kindertagesstätten und Seniorenheime. Finanziert wird deren Arbeit jedoch, so Politologe Frerk, nur zu einem kleinen Teil von den Kirchen selbst.

"Die Hilfswerke Caritas und Diakonie haben eine Kirchenquote von zwei Prozent. Das ist das, was die Kirche hinein gibt. Und das ist eben diese Legende, die Kirche tut soviel Gutes. Sie tut es, aber sie finanziert es nicht." Ein Großteil der Leistungen, die der Kirche zugeschrieben werden, finanziere der Staat, führt Frerk weiter aus. Dabei gebe es keine Unterschiede zwischen evangelischer und katholischer Kirche. Beide bekämen Geld aus öffentlicher Hand.

Bund und Länder zahlen

Der Staat zahlt sogar Gehälter von Bischöfen, kirchlichen Angestellten sowie den Bau und Unterhalt von kirchlichen Gebäuden. So habe zum Beispiel der bayerische Rechnungshof ausgerechnet, dass der Freistaat 700 Kirchen aus öffentlichen Mitteln finanziert. Kosten: 40 Millionen Euro. Hinzu kommen 90 Millionen Euro für das kirchliche Personal Bayerns. Bei den vielen Zahlen schwirrt selbst Fachleuten schnell der Kopf, zumal die Kirchen durch eine besondere Gesetzesregelung nicht verpflichtet sind, ihre Finanzen offenzulegen.

Limburger Bischof Franz-Peter Tebartz-van Elst (Foto: AP)
Auslöser der Finanz-Debatte: der Limburger Bischof Tebartz-van ElstBild: picture-alliance/AP

"Hier herrscht völlige Intransparenz", kritisiert Ingrid Matthäus-Meier: "Allein die Dotation von Nordrhein-Westfalen für die katholische Kirche beträgt sechs Millionen Euro. Aber wie viel da drin steckt an Gehalt für den Kölner Bischof Meisner, das weiß die Staatskanzlei nicht", sagt Matthäus-Maier. Auch wisse man nicht genau, wie groß der Besitz der Kirche eigentlich sei, "obwohl die Kirche einer der größten Grundbesitzer in Deutschland ist". Für die Politikerin ein unhaltbarer Zustand. "Das ist eine öffentlich-rechtliche Körperschaft. Die bekommt Geld. Da müssen diese Sachen auf den Tisch."

Die großen Parteien haben diese Privilegien der Kirche bisher nicht angetastet. Die christlichen Parteien, so Matthäus-Maier, weil sie die bisherige Regelung beibehalten wollten: "Die anderen, die wissen, dass das so nicht geht, haben Angst, sich mit der Kirche anzulegen." Diese Struktur sei nur schwer aufzubrechen, sagt die SPD-Politikerin. Einige Bistümer haben inzwischen auf die Kritik reagiert. Hamburg, Essen, Münster und Speyer haben ihre Finanzen offengelegt.