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Wie der Westen auf die BRICS-Erweiterung reagiert

25. August 2023

Die BRICS-Staaten Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika wollen zum 1.Januar 2024 sechs neue Mitglieder aufnehmen. Der Westen gibt sich gelassen.

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BRICS-Gipfel in Südafrika
BRICS-Gipfel in Südafrika mit Lula da Silva, Xi Jinping, Cyril Ramaphosa und Narendra ModiBild: Themba Hadebe/AP/picture alliance

Vielleicht sehen die USA die BRICS-Pläne tatsächlich als keine ernsthafte Bedrohung, vielleicht gehört es auch einfach zur politischen Strategie, die geplante Erweiterung um den Iran, Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate, Ägypten, Äthiopien und Argentinien herunterzuspielen. Der US-amerikanische Sicherheitsberater Jake Sullivan jedenfalls meinte, die BRICS seien kein geopolitischer Rivale der USA, weil ihre Interessen zu unterschiedlich seien.

Jake Sullivan, nationaler Sicherheitsberater der USA
Jake Sullivan, nationaler Sicherheitsberater der USABild: IMAGO/ABACAPRESS

Auch das Weiße Haus ist sichtlich bemüht, die Wogen zu glätten und nicht etwa die Initiative lautstark als Frontalangriff auf die weltweite Vormachtstellung der USA anzuprangern. Zum Erhalt des globalen Friedens und der Sicherheit würden die Vereinigten Staaten weiterhin mit ihren Partnern und Verbündeten "in bilateralen, regionalen und multilateralen Foren zusammenarbeiten", sagte ein Sprecher des Außenministeriums. Die USA seien der Überzeugung, dass jedes Land seine Partner für die Zusammenarbeit frei wählen könne.

Washington lenkt den Fokus lieber schon auf das 18. Gipfeltreffen der G20-Staaten in zwei Wochen in Neu-Delhi. Dort sind zwar auch die fünf BRICS-Staaten vertreten, genauso wie die potenziellen Neumitglieder Argentinien und Saudi-Arabien – aber eben nicht die Vereinigten Arabischen Emirate, Ägypten und Äthiopien. Vor allem aber nicht der Erzfeind Iran. Die westlichen Staaten hofften bei dem Treffen in Neu-Delhi auf "starke Ergebnisse", welche die Rolle der G20 als "wichtigstes Forum für wirtschaftliche Zusammenarbeit" unter Beweis stellten, erklärte das Weiße Haus.

"BRICS-Gruppe in erster Linie Wirtschaftsbündnis"

Viele Länder des Westens halten sich dagegen fast demonstrativ bedeckt angesichts des möglichen neuen Machtzentrums BRICS. Lediglich einige Medien wagen sich aus der Deckung und dürften das zum Ausdruck bringen, was hinter vorgehaltener Hand auch viele Regierungen denken. Die norwegische Zeitung Aftenposten kommentiert, die BRICS seien "zu einem globalen Club für autoritäre und reaktionäre Anführer geworden, mit China und Russland an der Spitze". Die Bevölkerungen der Länder hätten Besseres verdient, so die Zeitung.

Die niederländische Zeitung NRC geht noch einen Schritt weiter: "Dass am Ende nur Argentinien, Ägypten, Äthiopien, Iran, Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate zur Mitgliedschaft eingeladen wurden, ist ein Rückschlag für China. Obendrein betonte Südafrika auch noch, dass es 'völlig falsch‘ sei, BRICS als antiwestliche Plattform zu betrachten. Eine Alternative zur G7, wie China sie sich wünscht, ist die Gruppe noch nicht."

Eine gemeinsame Währung, wie sie Brasilien anstrebe, sei zudem nicht realistisch, solange die wirtschaftlichen Unterschiede zwischen den einzelnen Ländern so groß bleiben, heißt es bei NRC. "In einer multipolaren Welt sind viele Länder des globalen Südens verständlicherweise vorsichtig, alles auf ein Pferd zu setzen. Die Symbolik des kooperierenden globalen Südens darf zwar nicht unterschätzt werden. Doch die BRICS-Gruppe ist und bleibt in erster Linie ein Wirtschaftsbündnis."

Berlin nach außen entspannt

Und Deutschland? Bundesaußenministerin Annalena Baerbock verfährt öffentlich nach dem Motto: Alles doch nicht so schlimm und halb so wild. Und auch vollkommen legitim, wenn sich im Jahr 2023 Staaten in einer globalisierten Welt auch anderweitig umschauen. "In diesen Zeiten spüren alle Länder auf dieser Welt, wie wichtig Kooperation und Partnerschaft ist. Jedes Land müsse sich immer wieder fragen: "Welche Partnerschaft passt am besten zu den eigenen Werten und Interessen? Welche nutzen langfristig am meisten?"

Deutsche Außenministerin Annalena Baerbock im Gespräch mit DW
Die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock sieht noch keine Schwächung der G20 Bild: DW

Deutschlands Strategie lautet offensichtlich: Einladungen aussprechen, den Ball flach halten und betonen, dass die Tür nach Berlin für alle neuen BRICS-Mitglieder immer offen stünde – mit allen habe man ja auch Gesprächskanäle, außer mit dem Iran, so Baerbock. Die deutsche Außenministerin sprach sich vehement für eine Zusammenarbeit mit den neuen Mitgliedern der Gruppe wichtiger Schwellenländer aus. Sie teile nicht, was in der deutschen Öffentlichkeit diskutiert werde: dass es ein Problem sei, wenn BRICS-Staaten sich träfen. Als Europäer, als OSZE oder G20 wähle man seine Treffen ja auch frei und selbst.

Europäische Union vor großer Herausforderung

Ausgerechnet ein Mitglied aus Baerbocks Partei nimmt dagegen kein Blatt vor den Mund, was die Ergebnisse des BRICS-Gipfels in Südafrika betrifft. "Der BRICS-Gipfel hat historische Fakten gesetzt. Damit wird das internationale Gewicht von BRICS deutlich steigen, auch wenn es zwischen den Mitgliedern relevante Differenzen gibt", sagt Reinhard Bütikofer, außenpolitischer Koordinator der Grünen-Fraktion im Europaparlament, "mit der beschlossenen Erweiterungsrunde wird sich auch der Charakter von BRICS ändern. Chinas Dominanz wird wachsen, und BRICS wird zu einer eindeutig autoritär orientierten Gruppe."

Reinhard Bütikofer
"Unbezweifelbar wird damit ein Übergewicht des autoritären Lagers bei BRICS zementiert" - Reinhard BütikoferBild: Dwi Anoraganingrum/Geisler/picture alliance

Die BRICS-Gruppe sei zwar nicht homogen, was sich auch in ihrer Haltung zum russischen Angriffskrieg auf die Ukraine zeige. Geeint erscheine sie jedoch in ihrer "anti-westlichen" Haltung, so Bütikofer weiter. "Nicht-westlich war BRICS bisher schon; jetzt verschiebt sich der Akzent ins Konfrontative."

Die Europäische Union stehe nun vor einer massiven Herausforderung, mahnt der EU-Politiker. "Viele Jahre haben wir nicht, um unter Beweis zu stellen, dass Europa ein glaubwürdiger, verlässlicher und fairer Partner sein will für arme und Entwicklungsländer. Gelingt das nicht, dann wird für viele dieser Länder vielleicht BRICS der Fluchtpunkt.”

Porträt eines blonden Manns im schwarzen Hemd
Oliver Pieper DW-Reporter und Redakteur