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PolitikAfrika

Wie die Not in Kenia wächst

Daniel Pelz
27. Januar 2022

Ausgedörrte Böden, Tierkadaver, Hunger: Kenia leidet unter einer schweren Dürre. Fast drei Millionen Menschen brauchen Hilfe. Die Not dürfte in den kommenden Monaten wachsen - und auch langfristig sieht es schlecht aus.

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Kenia die Dürre hat eine verheerende Wirkung auf den Haustierbestand
Bild: Ed Ram/Getty Images

In Marsabit ist die Not längst offen sichtbar: "Überall in den Dörfern liegen Tierkadaver. Die Tiere finden kein Wasser mehr und sind zu schwach, um zum nächsten Wasserloch zu laufen. Sie brechen zusammen und sterben", sagt Philipp Ewoton. 

Er arbeitet als Projektleiter der Welthungerhilfe in dem armen Landkreis im Norden Kenias. Und nicht nur die aktuelle Lage macht Helfern wie ihm Sorgen. Sondern auch die Zukunft: 183.000 Menschen in Marsabit brauchen Lebensmittelhilfe. Ein Ende ist nicht in Sicht, im Gegenteil: "Wenn wir nicht bald Regen bekommen, werden diese Zahlen weiter steigen", sagt Ewoton zur DW. 

Drei Regenzeiten ohne Regen

Dürren kommen in vielen Regionen Kenias häufig vor. Doch diese bezeichnen Hilfsorganisationen als historisch: Die vergangenen drei Regenzeiten sind vielerorts praktisch ausgefallen oder weit unter Soll geblieben. In einigen Regionen waren im Dezember 80 bis 90 Prozent aller Dämme und Wasserlöcher ausgetrocknet. Die Vegetation ist abgestorben, die Böden verdorrt. Die Produktion von Mais, einem der wichtigsten Grundnahrungsmittel, ist in einigen Landesteilen um 70 Prozent gesunken. Die Folgen einer Heuschrecken-Plage und der Corona-Pandemie verschlimmern die Lage zusätzlich.

Eine Karte zeigt die Lage Marsabits im Norden Kenias

Schon vergangenen September erklärte Kenias Präsident Uhuru Kenyatta die Dürre zur nationalen Katastrophe. Seine Regierung versprach über 15 Millionen Euro Hilfe für die Menschen. "Unser Vieh stirbt. Unsere Menschen hungern. Als Regierung müssen wir sicherstellen, dass unsere Bürger nicht noch mehr Hunger leiden", sagte Marsabits Gouverneur Mohammed Ali vor wenigen Tagen bei der Verteilung von Hilfsgütern. Auch internationale Hilfsorganisationen wie die Welthungerhilfe oder die UN sind in den Krisenregionen im Einsatz. 

Trotzdem könnte es noch weit schlimmer werden. Die Prognosen für die nächste Regenzeit von März bis Mai sehen düster aus. Vielerorts wird wieder wenig bis gar kein Regen fallen. In Hungergebieten wie Marsabit geht längst die Angst um: "Die Viehhirten hier haben bereits viele Tiere verloren. Nun fürchten sie, dass die Dürre auch ihre Familien in Gefahr bringen wird, dass sie ihre Kinder, ihre Frauen, ihre alten Verwandten verlieren könnten", sagt Ewoton von der Welthungerhilfe. 

'Menschen sind zusammengebrochen'

Es sind realistische Ängste. "Mein Wahlkreis ist schon jetzt stark betroffen: Eine Person ist gestorben, er war 69 Jahre alt. Mir liegen Berichte vor, dass einige Menschen schon zusammengebrochen sind, weil sie nicht genug zu essen haben", sagt der lokale Abgeordnete Tura Elema.

Uhuru Kenyatta bei einer Rede vor dem Parlament in Nairobi (Archiv)
Präsident Kenyatta hat die Dürre zur nationalen Katastrophe erklärtBild: Simon Maina/AFP via Getty Images

Und die Langzeitperspektiven sind alles andere als gut. "Unser Land hat in den letzten Jahren immer wieder Dürren erlebt. Durch den Klimawandel werden sie häufiger, verbreiteter und schwerer", sagt Landry Ninteretse, Afrika-Direktor der Klimaschutzorganisation 350Africa.org. 

Was für die Menschen nichts anderes heißt als dass sie ihr gewohntes Leben nicht mehr weiterführen können. Experten wie Aktivisten glauben, dass große Anpassungen nötig sind, damit Extremwetter nicht zu humanitären Katastrophen führt. Klimaschützer Ninteretse plädiert im DW-Interview für langfristige Hilfen: Mehr Speicherkapazitäten für Regenwasser, intelligente Bewässerungstechniken und den Anbau von dürreresistenten Pflanzen. 

Wer bezahlt die Rechnung?

Auch die lokale Wirtschaft wird sich ändern müssen. Welthungerhilfe-Experte Ewoton plädiert dafür, lokale Märkte und Wertschöpfungsketten auszbauen. "In Marsabit wird viel Kamelzucht betrieben. Wenn wir gezielt Investitionen in die Milchproduktion verstärken, könnten die betroffenen Familien ihre Produkte nicht nur auf den lokalen Märkten anbieten, sondern auch im ganzen Land und ein besseres Einkommen erzielen”, sagt Ewoton. 

Hirten in Marsabit vor toten Tieren
Viele Nomaden brauchen neue Wege, um sich zu versorgenBild: Ed Ram/Getty Images

Doch das würde riesige Summen kosten, die die Menschen vor Ort kaum allein aufbringen könnten, und Kenias Regierung wohl auch nicht. Für Klimaschützer Ninteretse ist klar, wer die Rechnung am Ende zahlen muss: "Kenia gehört zu den afrikanischen Ländern, die wenig zum Klimawandel beitragen, aber am Meisten unter den Folgen leiden. Die internationale Gemeinschaft, vor allem die Industriestaaten, müssen diese Gebiete bei der Anpassung an den Klimawandel und der Bekämpfung der Folgen unterstützen.”

Mitarbeit: Michael Kwena (Marsabit)