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Der Netzpolitik-Skandal von außen

Ben Knight/ cb6. August 2015

Die weltweiten Reaktionen zum "Netzpolitik"-Skandal fielen anders aus als in Deutschland. Der Rest der Welt feiert schon einen Sieg für die Pressefreiheit, doch für deutsche Aktivisten ist der Kampf noch nicht vorüber.

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Markus Beckedahl, Gründer des Blogs Netzpolitik.org. Foto: Britta Pedersen/dpa
Netzpolitik.org-Gründer Markus BeckedahlBild: picture-alliance/dpa/B. Pedersen

Die Feinheiten sind entscheidend, wenn es darum geht, wem man in einem Skandal die Schuld zuschiebt. Leider haben fehlende Details und absichtlich falsch interpretierte Tatsachen die internationale Berichterstattung über die Netzpolitik-Affäre der letzten Tage bestimmt. So sind Angela Merkels Regierung und speziell Justizminister Heiko Maas im Ausland weitaus besser davongekommen als in Deutschland.

Als am Dienstag bekannt wurde, dass Maas Deutschlands Generalbundesanwalt Harald Range wegen seiner Ermittlungen im Fall der "Netpolitik.org"-Blogger in den Ruhestand versetzt hatte, begrüßten internationale Medien das als einen Erfolg für die Pressefreiheit. US-Journalisten wie Glenn Greenwald und Trevor Timm, zwei der prominentesten Verfechter von Presse- und Internetfreiheit, lobten Maas' Entscheidung:

Aber deutsche Journalisten und Digital-Rights-Aktivisten machten der Euphorie schnell ein Ende und wiesen die beiden darauf hin, dass Maas und Merkel mehrere Monate von den Ermittlungen gewusst und sie toleriert hatten, bevor der Fall öffentlich wurde.

Die falsche Interpretation der Ereignisse in anderen Teilen der Welt kommt nicht überraschend, da die englischsprachige Presse den komplizierten Fall als einen einfachen Konflikt zwischen Maas und Range darstellte. Der angebliche Streitpunkt: Pressefreiheit. Die wichtige Tatsache, dass Maas Ranges Chef und daher für sein Handeln verantwortlich war, ging da völlig unter.

Der deutsche Generalbundesanwalt handelt nicht unabhängig

An dem Missverständnis - untersteht der Generalstaatsanwalt nun dem Justizministerium oder nicht? - ist Range selbst nicht ganz unschuldig. Sein trotziges Statement am Dienstag trug maßgeblich dazu bei. In dem er Maas' Einmischung in seine Ermittlung verurteilte und auf die Freiheit der Judikative hinwies, stellte Range den Streit als einen Grundlagenkonflikt zwischen Politik und Rechtsstaatlichkeit da.

Das stimmt so nicht. In Deutschland verurteilten viele Kommentatoren - von Twitter-Nutzern ganz zu schweigen - Ranges Aussage als eine absichtliche Falschdarstellung seiner Rolle in der Verfassung. Viele verweisen auf die offizielle Website des Generalbundesanwalts und betonen, dass Range kein unabhängiger Teil der Judikative war, sondern ein politischer Beamter, der vom Justizministerium ernannt wurde und diesem Ministerium Rede und Antwort stehen muss. Mit der offenen Kritik an seinem Chef hat Range seinen Boss also dazu gezwungen, ihn zu feuern.

Warum er diesen angriffslustigen Weg wählte, anstatt einfach zurückzutreten, ist eine andere Frage. Aber es scheint ihm und auch dem Minister durchaus gelegen zu kommen. Für Range bedeutete es, dass er sich nicht kampflos ergeben musste und sich selbst als einen Märtyrer für die Unabhängigkeit der Judikative präsentieren konnte. Und Maas konnte einen Sieg für die Pressefreiheit verbuchen - so stellten es zumindest die Medien außerhalb von Deutschland dar.

Harald Range (links) und Heiko Maas. (Foto: Ronald Wittek/Bernd von Jutrczenka/dpa)
Harald Range (links) und sein ehemaliger Chef Heiko Maas sind sich nicht mehr grünBild: picture-alliance/dpa/R. Wittek/B.v. Jutrczenka

Nur mit dem passenden Parteibuch

In den deutschen Medien dagegen wurden beide dafür kritisiert, ihre Fehler unter den Teppich zu kehren. Auf der Titelseite der "taz" stand am Mittwoch der parteipolitische Hintergrund der Affäre im Zentrum.

Range ist von der wirtschaftsliberalen FDP ins Amt gebracht worden, dem Koalitionspartner in Merkels letzter Regierung, die 2013 abgewählt wurde. Er wurde von Maas' Vorgängerin, FDP-Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, ernannt. "Ohne sein FDP-Parteibuch wäre Range 2011 niemals Generalbundesanwalt geworden", schreibt die "taz".

Maas gehört der Mitte-links gerichteten SPD an, die in der aktuellen Koalition mit Angela Merkels CDU das Land regiert. Die politischen Unterschiede verschärften die Unstimmigkeiten zwischen Maas und dem Generalbundesanwalt noch.

Bauernopfer Range?

Aber Maas wird für Ranges Entlassung von der Opposition auch kritisiert: Die Aktion würde nur von seiner eigenen Rolle in der Landesverrat-Anklage ablenken. Auch andere führende Beamte stehen in der Kritik, wie zum Beispiel Hans-Georg Maaßen, der Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz, der das Verfahren wegen Landesverrats einleitete und Innenminister Thomas de Maizière, der für die Geheimdienste zuständig ist.

Hans-Georg Maaßen. (Foto: Marijan Murat/dpa)
Hans-Georg Maaßen trat die Netzpolitik-Affäre losBild: picture-alliance/dpa/M. Murat

"Die Minister Maas und de Maizière kommen mit Range als Bauernopfer nicht davon", sagte Katrin Göring-Eckardt, Fraktionschefin der Grünen, der "Passauer Neue Presse".

Maas hatte vielleicht gehofft, dass Ranges Entlassung die Affäre beendet. Doch so lange die Opposition und "Netzpolitik.org" noch ein Wörtchen mitzureden haben, wird das nicht passieren. Die Grünen fordern eine Sondersitzung des Rechtsausschusses des Bundestags, dem Renate Künast vorsteht. Die Sitzung solle noch in der Sommerpause stattfinden und den Vorgängen rund um den Skandal auf den Grund gehen. Es soll die entscheidende Frage geklärt werden, wer wann was gewusst hat. " Ich erwarte von Union und SPD, dass sie sich dieser Aufklärung nicht verweigern", sagte Göring-Eckardt.

Noch lange nicht vorbei

Hohn kommt auch aus dem konservativen Lager. Kritiker sagen zwar nicht, dass Maas nicht genug für die Pressefreiheit getan hätte, aber sie beanstanden, dass er den Bundesanwalt von seiner Arbeit abgehalten habe. Hans-Peter Uhl (CSU) sprach von einem "hysterischen Vorgehen" des Ministers und betonte, dass der Generalbundesanwalt seiner Arbeit nachgehen müsse: "Die Frage, ob der Gegenstand von Veröffentlichungen ein Staatsgeheimnis ist, wird er wohl noch prüfen dürfen und müssen."

Das tatsächliche Herzstück des Skandals, die Anklage wegen Landesverrats gegen die "Netzpolitik.org"-Journalisten Markus Beckedahl und André Meister, sowie ihre unbekannte Quelle, bleibt weiterhin ungelöst. Nur weil Range jetzt weg ist, heißt das nicht, dass die Anklage fallengelassen wurde - eine weitere Sache, die in den meisten internationalen Medien nicht auftaucht. Viele Unterstützer ,wie beispielsweise Glenn Greenwald haben einen offenen Brief auf der Website netzpolitik.us unterzeichnet, in dem gefordert wird, das Verfahren einzustellen. Darin heißt es: "Klagen wegen Landesverrats gegen Journalisten, die lediglich ihrer für die Demokratie unverzichtbaren Arbeit nachgehen, stellen eine Verletzung von Artikel 5 Grundgesetz dar."