Wie entstehen die Lufthansa-Preise?
28. November 2017Seit dem Aus von Air Berlin sind Flugpreise auf innerdeutschen Routen um bis zu 30 Prozent gestiegen, haben Branchenexperten beobachtet. Bei manchen Flügen seien es sogar bis zu 50 Prozent. Den Experten zufolge fehlen pro Woche mehr als 100.000 Sitzplätze auf innerdeutschen Flügen.
Doch die Deutsche Lufthansa, die die meisten der innerdeutschen Strecken betreibt, wehrt sich gegen den Vorwurf der Preistreiberei. Was kolportiert werde über angebliche Preissteigerungen sei nachweisbar nicht zutreffend, hat Lufthansa-Konzernvorstand Harry Hohmeister der "Welt am Sonntag" gesagt.
Für 95 Prozent der Passagiere habe sich nichts geändert, so Hohmeister. Starke Preisanstiege habe es auch schon früher gegeben, auf beliebten Pendlerstrecken etwa montagmorgens oder freitagnachmittags.
Preistreiberei?
Den Vorwurf der Preistreiberei hatte zum einen der Chef der Verbraucherzentrale Bundesverband, Klaus Müller, vor einigen Tagen im "Handelsblatt" erhoben: "Wenn die Flugpreise entgegen aller Beteuerungen steigen, war die Übernahme von Air Berlin durch Lufthansa ein schlechter Deal für die Fluggäste", so Müller. Auch der Geschäftsreiseverband VDR kritisiert, Lufthansa verhalte sich wie ein Teilnehmer in einem monopolistischen Markt.
Inzwischen hat sich das Bundeskartellamt eingeschaltet und Lufthansa um Informationen gebeten. Nach Auswertung der übermittelten Daten werde man dann entscheiden, ob man ein Verfahren gegen die Kranichlinie einleite, sagte ein Sprecher. Das könne noch einige Wochen dauern. Noch sei nicht abzusehen, ob damit noch vor Jahresende zu rechnen ist.
Die Ticketpreise werden automatisch mit einem sogenannten "Yield Management System" ermittelt. Dabei gibt es 26 verschiedene Buchungsklassen bei der Lufthansa.
Wenn die Nachfrage steigt, werden die günstigen Buchungsklassen seltener angeboten, sie sind schnell ausverkauft. Die teuerste Preisstufe sei dann schneller erreicht als zu anderen Zeiten, erklärt ein Lufthansa-Sprecher. "Wir haben an unserer Preisstruktur nichts geändert", bestätigt er.
Alles automatisch
Das wäre auch sehr schwierig, meint der Hamburger Luftfahrtexperte Heinrich Großbongardt, der Unternehmen der Luftfahrtindustrie berät, darunter auch die Lufthansa. "Diese Systeme sind sehr komplex." Ihr Mechanismus sei so eingestellt, dass er die beste Rendite (englisch: yield) für die Fluggesellschaft berechne.
So haben etwa Passagiere, die einen Langstreckenflug von New York nach Berlin mit Umstieg in Frankfurt buchen, Vorrang vor reinen Inlandsflugpassagieren. Für sie werden Sitzplätze vorgehalten, weil sie dem Unternehmen insgesamt mehr Geld einbringen als diejenigen, die nur von Frankfurt nach Berlin fliegen wollen. Wenn man ihnen erst einen Anschlussflug zwei Stunden später anbiete, könnten sie womöglich zur Konkurrenz wechseln, etwa zu British Airways oder Air France/KLM.
Immer dann, wenn die Nachfrage bei kleinem Angebot steige, kletterten auch die Preise, so der Luftfahrtexperte. Das merkt man etwa vor und nach den Wochenenden - aktuell vor allem auf Strecken wie Frankfurt-Berlin oder München-Berlin. Derselbe Mechanismus sei auch bei anderen Fluggesellschaften zu beobachten, wenn etwa zu Ferienzeiten oder kurz vor Feiertagen die Ticketpreise anziehen.
Kapazitäten erhöhen
In dieses System einzugreifen und es für einige Wochen außer Kraft setzen, damit innerdeutsch die Preise nicht steigen, sei kaum möglich, glaubt Großbongardt: "Das Einzige, was Lufthansa wirklich tun kann, ist die Kapazität zu erhöhen."
Und das tut das Unternehmen: Seit dem 1. November setzt es auch Boeing 747-400, also Jumbos, zwischen Frankfurt und Berlin-Tegel ein. Insgesamt 28 mal sollen Jumbojets in den ersten drei Dezember-Wochen noch in Tegel landen, um die Nachfrage zu bewältigen.
Rein betriebswirtschaftlich gesehen rechne sich diese "außergewöhnliche Maßnahme" nicht, sagt Lufthansa-Vorstand Hohmeister, aber: "Sie schafft in schwierigen Zeiten zusätzliche Kapazitäten auf dieser wichtigen Strecke und bietet vielen Gästen weitere Reiseoptionen." Bis zu 16 mal am Tag werde diese Route bedient.
Sollte das dem Bundeskartellamt nicht reichen, sollte die Behörde also Anhaltspunkte für eine missbräuchliche Preisgestaltung sehen und ein Verfahren einleiten, dann kann eine Entscheidung darüber sich jedoch noch hinziehen.