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Wie ist die Privatsphäre zu retten?

Kay-Alexander Scholz11. Februar 2014

Die Snowden-Enthüllungen haben dem "Safer Internet Day" eine neue Bedeutung gegeben. Auch Politik und Wirtschaft haben Datenschutz als zentrales Thema erkannt. Doch eine einheitliche Strategie gestaltet sich schwierig.

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Symbolbild Sicherheit im Internet
Bild: picture-alliance/Andreas Franke

80 Prozent der Deutschen schätzten Ende 2013 die Sicherheit ihrer persönlichen Daten im Internet als gefährdet ein. Zwei Jahre zuvor lag der Wert bei 55 Prozent. Die Differenz sei durch die NSA-Affäre entstanden, lautete die Lesart beim "Safer Internet Day" in Berlin. Die Zahlen stammen aus einer Umfrage des Hightech-Verbands Bitkom. "Das Vertrauen im Internet schwindet merklich, aber unsere Geschäftsmodelle beruhen auf Internetdiensten", warnte Bitkom-Präsident Dieter Kempf. Vor allem beim Cloud-Computing seien die Folgen schon zu merken.

Die Umfrage unter 1000 Bürgern ergab auch, dass die Angst vor Ausspähung durch den Staat inzwischen größer ist als die durch Kriminelle. "Das ist ein riesiges Problem", sagte Gerd Billen. Er war sechs Jahre lang oberster Verbraucherschützer in Deutschland und ist nun Staatssekretär für diesen Bereich im Justiz- und Verbraucherschutzministerium.

Wann kommen neue Gesetze?

Billens Chef, Minister Heiko Maas, versprach den rund 200 Teilnehmern der Konferenz, dass der Verbraucherschutz in der neuen Regierung einen höheren Stellenwert bekomme. Zuvor im Landwirtschafts-, jetzt im Justizministerium angesiedelt, werde es nun "nicht nur Appelle, sondern auch Gesetze geben", sagte Maas und kritisierte damit auch seine Amtsvorgängerin Ilse Aigner. Voller Tatendrang kündigte der neue Minister für Ende April eine erste Gesetzesvorlage an. Sie trägt den sperrigen Titel "Unterlassungsklagegesetz". Damit soll künftig beispielsweise das ungefragte Auslesen von Adressbüchern durch Facebook verhindert werden, erklärte sein Staatsminister Billen.

Heiko Maas, Minister für Justiz- und Verbraucherschutz (Foto: dpa)
Heiko Maas, Minister für Justiz und Verbraucherschutz, verspricht Gesetze und nicht nur AppelleBild: picture-alliance/dpa

Zweite Baustelle sei die Datenschutz-Grundverordnung der EU, sprach Maas ein derzeit hochsensibles Thema in der Öffentlichkeit an. Denn die Verordnung liegt seit Jahren in Brüssel zur Abstimmung. Und die bestehende Verordnung ist von 1995 - also aus einer Zeit, in der noch niemand von Smartphones oder Social-Media sprach. Vor der Europawahl im Mai werde es allerdings zu keiner Einigung mehr kommen, hieß es unisono auf der Konferenz. Man hoffe aber auf eine Einigung noch in diesem Jahr.

Die IT-Branche macht Druck

Bitkom-Präsident Kempf übte jedoch grundsätzliche Kritik an der geplanten neuen EU-Verordnung. Das Gesetz habe nicht die "richtige Ausgangsposition". Denn es sei zu sehr auf Social-Media-Unternehmen ausgerichtet. Das zeige sich beim gewollten "Recht auf Vergessen" und der "Datenübertragbarkeit". Für andere Unternehmen, wie zum Beispiel Versicherungen, seien die beiden Punkte nicht praktikabel. Trotzdem brauche man den Konsens darüber jetzt, machte Kempf die Dringlichkeit einer Einigung deutlich.

Präsident der BITCOM Dieter Kempf (Foto: dpa)
Präsident der Bitkom Dieter Kempf: Wir brauchen einen Konsens in der EU (Archivfoto)Bild: picture-alliance/dpa

Aufgabe der Politik sei es, so Kempf, national und international Spielregeln für Wirtschaft und Geheimdienste im Internet festzulegen und durchzusetzen. Ein Anti-Spy-Abkommen würde er begrüßen. Darin sollten aber auch Strafen für Spionage und Schadensersatzregeln vorgesehen werden. Außerdem müssten Internetwaffen - wie Atom- und Chemiewaffen - international geächtet werden. "Wir brauchen einen gesellschaftlichen Dialog über die Folgen der Snowden-Affäre", forderte Kempf zusammenfassend. Und zwar nicht so sehr über die Ursachen, denn es gebe noch andere aktive Geheimdienste als die NSA, sondern darüber, "wie wir den Gefahren begegnen". Die Wirtschaft sei in diesem Punkt jedenfalls schon weiter, als manche glaubten.

"Demokratie in Gefahr"

Der "Safer Internet Day" wird seit sieben Jahren gemeinsam von der Bitkom und dem Verbraucherschutzministerium veranstaltet. Das Branchentreffen hat durch die Snowden-Affäre neuen Schwung bekommen. Das Thema Datenschutz im Internet ist nun kein Randthema mehr. Und beide Hauptakteure zeigten sich der Gefahrenlage bewusst - Dieter Kempf für die Wirtschaft, Bundesminister Maas für die Politik.

Neue Impulse für politische Diskussionen über das Internet seien "bitter nötig", sagte Maas. Der stetige Verlust der Privatsphäre, immerhin ein im Grundgesetz festgeschriebenes Grundrecht, sei eine Einschränkung von Freiheit, führe zu einer "Schere im Kopf" und zu weniger Informations- und Medienfreiheit. Damit sei "die Demokratie in Gefahr". Doch er glaube, das werde sich wieder ändern. Schließlich sei das Internet jetzt noch in den Flegeljahren der Pubertät. Bald aber werde sich beim Erwachsenwerden "Neues mit Bewährtem" verbinden, auch beim Thema Privatsphäre.

Wer wird Internetminister?

Heiko Maas (SPD) hat mit seinem Auftritt beim "Safer Internet Day" auch ein Signal an seine Kabinettskollegen gesendet: Er will beim Thema Internet und Digitalisierung mitmischen. Das wollen auch andere - zuvorderst die "Minister für Verkehr und digitale Agenda", Alexander Dobrindt (CSU), und Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD). Aber auch Innenminister Thomas de Maiziere ist mit der Materie befasst. Erstmals wird es zudem einen eigenen Ausschuss "Digitale Agenda" geben, der ressortübergreifend angelegt ist. Es bleibt abzuwarten, wie sich die Zusammenarbeit der Akteure gestalten wird.

Übergeordnet agieren wird auch die neue Datenschutzbeauftragte Andrea Voßhoff, obwohl sie formal dem Innenminister untersteht. Mit Spannung wurde beim "Safer Internet Day" ihr Auftritt erwartet. Ihre Rede war jedoch recht kurz. Voßhoff betonte die Relevanz von Datenschutz im Internet. Die Annahme, "ich habe doch nix zu verbergen", sei "kurzsichtig, gefährlich und falsch". Es gebe keine harmlosen Daten, so Voßhoff. Die Datenschutzbeauftragte sprach sich für internationale Standards, aber auch für mehr Eigenverantwortung, sogenannten Selbstdatenschutz, aus.