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Wie Kryptowährungen helfen, den Hamas-Terror zu finanzieren

Kristie Pladson
16. Oktober 2023

Waffen, Logistik, Kämpfer - die Hamas war beim Terrorangriff auf Israel gut vorbereitet. Doch woher kommt das Geld? Die Spur führt auch in die Welt von Bitcoin, Tether und Dodgecoin.

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Zwei Hamas-Kämpfer in militärischer Tarnkleidung mit Waffen
Über Kryptowährung sammelt die Hamas Geld einBild: Majdi Fathi/Zuma/picture alliance

Israel verfügt über eines der modernsten Systeme zur Abwehr von Raketen weltweit. Der sogenannte Iron Dome - die eiserne Kuppel - wehrt seit Jahren die Luftangriffe der Hamas erfolgreich ab.  Doch am 7. Oktober gelang es der Hamas, den Iron Dome zu überwinden und tausende Raketen aus dem Gazastreifen auf Israel abzufeuern.

Bei dem terroristischen Angriff wurden hunderte Zivilisten getötet und verwundet. Rund 200 Menschen werden weiterhin als Geiseln gehalten.

Wie konnte das der De-facto-Regierungsmacht im Gazastreifen gelingen? Und wie konnte die von Deutschland, der EU und den USA als terroristische Organisation eingestufte Hamas den Überraschungsangriff finanzieren? Nach Ansicht von Analysten spielen Kryptowährungen eine wichtige Rolle.

Krypto-Finanzierung für die Hamas in Millionenhöhe

Als terroristische Organisation kann die Hamas ihre Finanzen nicht einfach über normale Banken abwickeln. Insgesamt 31 Länder haben sich in der "Financial Action Task Force" zusammengeschlossen, um Terrorfinanzierung weltweit zu verhindern. Darunter sind auch die USA und Deutschland.

Wer der Hamas auf dem normalen Bankweg Geld schickt, dem drohen von den Ländern der Task-Force Sanktionen. Ein Unternehmen, dass weiterhin Geschäfte in den USA oder in Deutschland machen möchte, ginge also ein Risiko ein, der Hamas Geld zu überweisen. Doch Analysen und Berichte zeigen, dass die Hamas dennoch Zuwendungen in Millionehöhe erhält - zum Beispiel durch Kryptowährungen.

Laut der in Tel Aviv ansässigen Kryptoanalyse-Firma BitOK erhielt die Hamas zwischen August 2021 und Juni 2023 insgesamt umgerechnet knapp 40 Millionen Euro. Und laut dem Wall Street Journal, das das in London ansässige Kryptoanalyse-Haus Elliptic zitiert, erhielt die am Angriff beteiligte Terrororganisation Islamischer Dschihad in Palästina weitere knapp 90 Millionen Euro.

Demnach hat auch der militärische Flügel der Hamas, die Al-Kassam-Brigaden, Millionen aus Kryptowährungen erhalten. Die Überweisungen erfolgten demnach in Form von Bitcoins, dem sogenannten Stablecoin Tether und kleineren Kryptowährungen. Sogar Dogecoins sollen geflossen sein - diese Kryptowährung wurde ursprünglich als Scherz erfunden und erlebte durch Kommentare von Elon Musk einen Höhenflug.

Elliptic schreibt auch, dass die im Gazastreifen ansässigen Terrorgruppen selbst im Mining-Sektor aktiv seien und damit Geld verdienten. Als Mining ("Schürfen") wird der Prozess bezeichnet, bei dem durch den Einsatz leistungsstarker Computer neue Bitcoins oder andere Kryptowährungen entstehen.

Durch Krypto vorbei an den Sanktionen

Unter der Herrschaft der Hamas ist der Gazastreifen von vielen Ländern wirtschaftlich stark isoliert worden. Die Blockaden in den Nachbarländern Israel und Ägypten haben den Waren- und Personenverkehr massiv eingeschränkt.

Trotz dieser Einschränkungen bezeichnete das US-Magazin Forbes die Hamas im Jahr 2014 als eine der reichsten Terrorgruppen der Welt und schätzte deren Jahresumsatz auf bis zu eine Milliarde US-Dollar. Das US-Finanzministerium bezifferte im Mai 2023 den Besitz der Hamas auf mindestens 500 Millionen Euro.

Hamas – die Organisation hinter den Angriffen auf Israel

Das Vermögen stammt aus Steuern und Gebühren sowie aus Finanzhilfen und Spenden. Ein Großteil der Finanzierung der Hamas stammt von im Ausland lebenden Personen oder privaten Spendern aus der Golfregion.

Der Iran gilt als einer der wichtigsten Geldgeber der Hamas. Nach Angaben des US-Außenministeriums stellt der Iran der Hamas und anderen palästinensischen Terrorgruppen jährlich rund 100 Millionen Dollar zur Verfügung. Auch das Emirat Katar und die Türkei haben die Hamas demnach finanziell unterstützt.

Kryptowährungen machen es Hamas-Anhängern leichter, Sanktionen zu umgehen und die Terrororganisation zu unterstützen. Schon 2019 forderten die Al-Kassam-Brigaden Anhänger auf ihrem Telegram-Kanal auf, Bitcoin zu senden.

"Die Realität des Dschihad ist der Einsatz von Anstrengung und Energie, und Geld ist das Rückgrat des Krieges", schrieb die Hamas und fügte eine Wallet-Adresse hinzu. Die hat allein in diesem Jahr Bitcoin im Wert von 30.000 Dollar enthalten.

Im Fokus der Behörden

Im April 2023 erklärte die Hamas jedoch, dass sie ihr Bitcoin-Fundraising einstellen werde. Das liege an den "zunehmend feindlichen Anstrengungen gegen jeden, der versucht, den Widerstand durch diese Währung zu unterstützen", so die Organisation auf Telegram.

Zwar sind Kryptowährungen nicht die größte Finanzierungsquelle für die Hamas, dennoch rücken sie immer mehr in den Fokus. Nach dem Anschlag vom 7. Oktober 2023 hatte die Gruppe anscheinend einen weiteren Spendenaufruf über soziale Medien veröffentlicht. Israelische Behörden gaben kurz nach den Anschlägen bekannt, dass sie mehrere mit der Hamas in Verbindung stehende Kryptowährungskonten eingefroren haben.

"Die Cybereinheit der Polizei und das Verteidigungsministerium haben sofort Maßnahmen ergriffen, um diese Konten mit Hilfe der Kryptobörse Binance ausfindig zu machen und einzufrieren", hieß es in einer Erklärung der Polizei.

Nach Hamas-Großangriff auf Israel - Sderot
Der Angriff der Hamas auf Israel kam für das israelische Militär überraschendBild: Ilia Yefimovich/dpa/picture alliance

Binance ist die größte Krypto-Börse der Welt. Offenbar arbeitet sie mit der israelischen Regierung zusammen. Doch der Verdacht der Terrorfinanzierung über Binance kommt nicht zum ersten Mal auf. Behörden haben in den vergangenen Jahren mehrfach versucht, Digitalwährungen zu beschlagnahmen, die auf Dutzenden mit der Hamas verbundenen Binance-Konten lagen, wie das US.amerikanische Wall Street Journal berichtet. Auch das US-Justizministerium ermittelt gegen die Krypto-Börse, weil sie es versäumt haben soll, Geldwäsche zu verhindern.

Mögliche kriminelle Machenschaften bei der Krypto-Börse Binance?

Beim Gerichtsverfahren wurde auch interner Schriftverkehr von Binance-Mitarbeitern öffentlich. Der deutet darauf hin, dass der Krypto-Börse durchaus bewusst ist, dass auch Kriminelle zu ihren Kunden gehören. Trotzdem scheint Binance ein Auge zuzudrücken.

So schrieb der ehemalige Compliance-Chef Samuel Lim, dass Terroristen in der Regel kleine Summen schicken, da große Summen Geldwäsche darstellen würden.

Ein Kollege antwortete : "Für 600 Dollar kann man kein AK 47 [Sturmgewehr - Anm.d.Red.] kaufen". Auf DW-Anfragen hat Binance nicht reagiert.

Bitcoin - Schlupfloch gegen Sanktionen?

Die Vereinten Nationen schätzen, dass 20 Prozent der weltweiten Terrorfinanzierung auf Kryptowährungen entfallen. Die jüngste Beschlagnahmung der Hamas-Konten hat das Thema erneut angefacht.

Kritiker monieren schon lange, dass Kryptowährungen das perfekte Finanzierungsinstrument für Kriminelle seien. Zum einen weil die Zahlungen schwer zu verfolgen sind, zum anderen weil Finanzvorschriften leicht umgangen werden können.

„Es ist alarmierend und sollte ein Weckruf für Gesetzgeber und Regulierungsbehörden sein, dass digitale Geldbörsen, die mit der Hamas in Verbindung stehen, Millionen von Dollar in Kryptowährungen erhalten haben", schrieb US-Senatorin Elizabeth Warren auf der Plattform X, früher Twitter.

"Krypto ist die nicht ganz so geheime Finanzwaffe, die Terrororganisationen wie die Hamas, chinesische Fentanyl-Netzwerke und Nordkoreas Raketenprogramm finanziert", so Warren weiter.

Dieser Bericht wurde aus dem Englischen adaptiert

Update: Am 25. Oktober 2023 veröffentlichte das Krypto-Analysehaus Elliptic eine Erklärung. Demnach habe das Wall Street Journal, das ursprünglich über diese Geschichte berichtete, die von Elliptic ihm und anderen Firmen zur Verfügung gestellten Daten in der Berichterstattung falsch dargestellt.

So standen von Elliptic analysierten Konten in Verbindung mit der Terrorgruppe Hamas - es war aber zu keinem Zeitpunkt klar, auf wieviel Geld die Terrorgruppe Zugriff hatte.