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KlimaGlobal

Wie man Gefahren und Schäden durch Hochwasser minimiert

Martin Kuebler | Stuart Braun | Tim Schauenberg
7. August 2023

Rekordregenfälle und Überschwemmungen richten diesen Sommer weltweit verheerende Schäden an, wie aktuell in Slowenien oder China. Wie lässt sich das trotz der sich zuspitzenden Klimakrise künftig verhindern?

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Eine zerstörte Brücke in Slowenien
Nicht nur hier im slowenischen Stranje bei Kamnik zerstörten Überflutungen nach Starkregenfällen viele Häuser und InfrastrukturBild: Luka Dakskobler/SOPA/ZUMAPRESS.com/picture alliance

Mehr als 40 Todesopfer verzeichnet der Nordosten Chinas mittlerweile durch die schweren Überschwemmungen. Sintflutartige Regenfälle infolge des Taifuns Doksuri trafen zuletzt vor allem die Hauptstadt Peking und die umliegende Provinz Hebei. Starkregen ging auch in der Provinz Jilin nieder.

Nach den starken Regenfällen Ende vergangener Woche kämpft Slowenien in zwei Dritteln des Landes mit den Folgen von Überschwemmungen und Erdrutschen sowie dem Dammbruch am Fluss Mur. Auch im Süden Österreichs gab es starke Niederschläge. Dort starb ein Mensch in den Fluten des Flusses Glan. Die Gefahr weiterer Erdrutsche ist weiterhin groß. Betroffen von Unwettern waren zudem Kroatien, Polen, Tschechien und die Slowakei.

Tropensturm Doksuri fordert mehr als 20 Menschenleben

Und erst Anfang Juli hatten nie dagewesene Regenfälle auch in den USA, Indien, Großbritannien und Spanien regelrechte Sturzfluten ausgelöst, die viele Menschen das Leben kosteten.

Bauliche Strategien zur Anpassung an den Klimawandel

Die Rekordüberschwemmungen werden auch mit dem Klimawandel in Verbindung gebracht - und es stellt sich die Frage, wie sich Gemeinden besser anpassen können, um Schäden zu begrenzen. Um Gebäude gegen Hochwasser zu schützen, müssten Fundamenttiefe, Bauweise und Baumaterialien so gestaltet und ausgewählt werden, dass sie extremen Überschwemmungen standhalten können, sagt Lamia Messari-Becker, Professorin für Bauingenieurwesen mit Schwerpunkt nachhaltiges Bauen und Entwerfen an der deutschen Universität Siegen.

"Wir müssen die Keller verstärken, damit sie sich auch mit Wasser füllen können und die Menschen sich schnell in Sicherheit bringen können. Es geht auch um Verstärkungsmaßnahmen für Außenwände und Dächer."

Luftaufnahme des überfluteten Ortes Ravne na Koroskem in Slowenien
In zwei Dritteln Sloweniens wurde die Infrastruktur durch das Hochwasser in Mitleidenschaft gezogenBild: Gregor Ravnjak/AP

Weitere Maßnahmen zum Hochwasserschutz sind laut so Messari-Becker etwa Ventile an den Abwasseranschlüssen, die verhindern, dass Hochwasser durch die Abwasserleitungen in die Häuser fließt. Ebenfalls sinnvoll: die Abdichtung von Fenstern und Türen in unteren Stockwerken.

Als Professorin mit Schwerpunkt Naturgefahrenforschung an der Universität Potsdam befasst sich Annegret Thieken mit den Auswirkungen der Überschwemmungen in Westeuropa im Sommers 2021. Damals kamen mindestens 200 Menschen ums Leben. "Unsere Schadensauswertungen zeigen, dass private Vorsorgemaßnahmen die Hochwasserschäden deutlich reduzieren können", berichtet sie.

So sei es wichtig, potentiell gefährliche Elemente von Gebäuden besser zu sichern, wie etwa Tanks für Heizöl. Hier müsse verhindert werden, dass die Öltanks vom Wasser weggerissen würden und dadurch Schäden an Gebäuden und Umwelt entstünden. "Heizöl kann tief in das Mauerwerk eindringen und auch benachbarte Gebäude beschädigen", so Thieken. "In schweren Fällen können Ölschäden Gebäude sogar ganz unbewohnbar machen."

Wetterfeste Städte: nachhaltige Ansätze für urbanes Hochwassermanagement

Es reicht allerdings nicht aus, sich nur auf Gebäude zu konzentrieren. Städte und Siedlungen müssen sich Gedanken darüber machen, wie man das Wasser kontrollieren kann, damit es erst gar nicht zu überfluteten Kellern kommt.

Eine Möglichkeit: der Bau oder eine Verstärkung von Stauseen und Dämme, die in der Lage sind, plötzlich auftretende Fluten aufzufangen.

Überschwemmungen wie die im Sommer 2021 in der deutschen Ahr-Region zeigen, dass kleine Bäche in engen Tälern innerhalb von Stunden zu tödlichen Sturzbächen werden können, weil das Wasser nicht viel Platz hat, um sich auszubreiten. An solchen Orten, so Messari-Becker, müssten Dämme und Deiche erhöht und ausgebaut werden, um Siedlungen besser vor Hochwasser zu schützen.

Zerstörte Häuser stehen an einer völlig zerstörten Straße hinter Weinbergen im Ahrtal
Enge Täler, wie das Ahrtal (hier ein Bild von Juli 2021) sind bei Sturzregen besonders von Hochwasser gefährdetBild: privat

Doch das ist nicht billig. Allein die Verlängerung eines Deichs kann beispielsweise rund eine Million Euro pro Kilometer kosten. Und je schmaler ein Tal ist, desto kostspieliger werden solche Maßnahmen.

"Um die Infrastruktur wirksam vor solchen Extremereignissen zu schützen, reicht die derzeitige Gestaltung unserer Wasserwirtschaft und des Wasserbaus nicht aus - das haben die katastrophalen Folgen gezeigt", sagt Boris Lehmann, Professor für Wasserbau an der Technischen Universität Darmstadt. 

Zwar betonen Expertinnen und Experten die Dringlichkeit, die alternde Infrastruktur innerhalb des kommenden Jahrzehnts zukunftssicher zu machen. Die verheerenden Überschwemmungen von 2021 in Deutschland und Belgien zeigen laut Lehmann aber, dass allein bessere Baumaßnahmen nicht alle Probleme lösen können.

Naturbasierte Lösungen sind ein wirksamer Hochwasserschutz

"Aus technischer, wirtschaftlicher und praktischer Sicht ist es nicht möglich, unsere Infrastruktur vollständig gegen solch extreme Wetterereignisse zu schützen." Hier müssten Planer und Ingenieure Wege finden, mit der Natur zu arbeiten, anstatt sie lediglich kontrollieren wollen. Wo immer möglich, sollten Flüsse und Bäche so fließen, wie es die Natur vorsieht und nicht verändert oder begradigt werden. Andernfalls würden die Wassermassen während eines Hochwasserereignisses beschleunigt.

Anstatt Flüsse einzudämmen, sollten Deiche zurückverlegt werden, um Platz für Überschwemmungsgebiete zu schaffen - weite offene Grünflächen, die als Überlaufbecken bei Hochwasser dienen. Solche Flächen wurden nach mehreren verheerenden Überschwemmungen in den frühen 2000er-Jahren entlang der Elbe in Ostdeutschland ausgebaut.

Wie die "Schwammstadt" gegen Hochwasser helfen kann

Ein anderer Ansatz besteht darin, städtische Gebiete durchlässiger zu machen, sodass das Wasser über ein größeres Gebiet versickern kann und sich nicht an bestimmten Stellen konzentriert.

Die deutsche Stadt Leichlingen, südöstlich von Düsseldorf, wurde in den letzten Jahren mehrfach von schweren Überschwemmungen heimgesucht. Um die Wasserwirtschaft zu entlasten, experimentiert man mit einem neuen Planungsmodell, das als "Schwammstadt" bekannt ist.

Die Idee ist, Regenwasser von Dächern, Plätzen und Straßen in mit Gras bewachsene Gräben am Straßenrand zu leiten. Überschüssiges Wasser kann so auf natürliche Weise ins örtliche Grundwasser versickern. Dadurch wird die Infrastruktur der Wasserwirtschaft entlastet, also etwa die unterirdischen Kanäle, die die extremen Wassermassen bei Starkregen oft nicht komplett ableiten können. Zudem sollen Rückhaltezisternen installiert werden, die das Wasser ebenfalls auffangen, welches dann in Trockenphasen zur Bewässerung der städtischen Grünflächen genutzt wird.

Flutsicher im urbanen Raum

Das Konzept der Schwammstadt stammt aus China, wo eine Reihe von Städten wie Qian'an und Xingtai im Norden des Landes mit dieser Idee experimentieren. Doch trotz der Schwamm-Infrastruktur lösten starke Regenfälle in Xingtai Sturzfluten aus, bei denen fünf Menschen ums Leben kamen, wie lokale Medien letzte Woche berichteten. 

Chinas Schwammstadt-Strategie sei zwar sehr ehrgeizig", aber nicht dafür ausgelegt, extremen Stürmen wie Doksuri standzuhalten, sagte Hongzhang Xu, der an der Australian National University in Canberra auf Stadtplanung und Infrastrukturentwicklung spezialisiert ist, dem Umweltmagazin Nature. Das Konzept müsse aktualisiert werden, um stärkeren Regenfällen Rechnung zu tragen. Vor allem solle es mit anderen Ansätzen verbunden werden, die "das Wasser möglichst schnell ableiten", so Xu.

Aufklärungskampagnen für richtiges Verhalten bei Hochwasser 

Neben einer besseren Infrastruktur und neuen Wasserbewirtschaftungssysteme müssten aber auch die Menschen wissen, wie sie sich bei Überschwemmungen und Hochwasser verhalten sollten, sagt Wasserbauexperte Lehmann und betont: Die Bevölkerung müsse stärker dafür sensibilisiert werden.

"Gerade bei Sturzfluten, die durch extreme Wetterereignisse ausgelöst werden, gibt es nicht nur viel Wasser, sondern auch viel Treibgut, Müll und andere Dinge, die sich mit dem Wasser bewegen." Wer sich in solche Fluten begebe, laufe Gefahr zu ertrinken oder erdrückt zu werden.

Laut Lehmann sind regelmäßige Aufklärungskampagnen notwendig, um der Bevölkerung beizubringen, wie man sich in Extremsituationen verhält - zum Beispiel, wie man sich aus einem Auto befreit, das von einer Strömung erfasst wird.

"Verhaltensregeln wie: 'Lauf weg vom Wasser und bring dich so schnell wie möglich in Sicherheit', sollten wir schon in der Grundschule vermitteln", sagt der Wasserbauexperte. "Im Notfall kann das Leben retten."

Dieser Artikel erschien erstmals am 07. Juli 2023 und wurde aufgrund der aktuellen Hochwasserereignisse aktualisiert.

Adaption aus dem Englischen: Jeannette Cwienk

DW Autor l Kommentatorenfoto Stuart Braun
Stuart Braun Australischer DW-Journalist und Buchautor.