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Wie Russland China umwirbt

Roman Goncharenko20. Mai 2014

Mit seinem Besuch in Shanghai setzt der russische Präsident Wladimir Putin seinen Kurs auf Annäherung mit China fort. Moskau strebt offenbar eine strategische Allianz mit Peking an und setzt auf die Wirtschaft.

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Wladimir Putin und Xi Jinping am 20.05.2014 in China (Foto: REUTERS/Carlos Barria)
Bild: Reuters

Russland sagt "Danke" - zum wiederholten Mal. Nach dem umstrittenen Referendum auf der ukrainischen Halbinsel Krim über einen Anschluss an Russland Mitte März bedankte sich Wladimir Putin bei China. Die Führung in Peking betrachte die Lage in der Ukraine "in ihrer ganzen historischen Dimension", so der Kremlchef in seiner Rede in Moskau. China hat - anders als der Westen - zurückhaltend auf die russische Annexion der Krim reagiert. Außerdem hat sich Peking gegen Sanktionen gegenüber Russland ausgesprochen. Nach Putin bedankten sich der russische Außenminister Sergej Lawrow und der Verteidigungsminister Sergej Schojgu bei Peking. "China hat wie ein fester Partner gehandelt", schwärmte auch der Vizeregierungschef Dmitri Rogosin.

Große Pläne, bescheidenes Wachstum

Bei seinem jetzigen Besuch nutzt Putin die Chance, um der chinesischen Führung persönlich zu danken. "China hat sich als unser wichtigster Handelspartner fest etabliert", sagte Russlands Präsident am Dienstag (20.05.2014) in Shanghai. Bis 2015 könnte der Handelsumsatz zwischen beiden Ländern von den jetzigen 90 Milliarden US-Dollar auf 100 Milliarden anwachsen, so Putin. Geplant seien mehrere Projekte, die zusammen bis zu 20 Milliarden US-Dollar kosten würden.

Momentan ist die Wachstumsdynamik im russisch-chinesischen Handel eher bescheiden. Russland bezifferte das Plus im Jahr 2013 auf rund zwei Prozent. Die chinesische Statistik ist pessimistischer - 1,1 Prozent. Das Tempo habe im Vergleich zu 2012 (13 Prozent) "deutlich abgenommen", zitierte die russische Nachrichtenagentur Interfax einen chinesischen Diplomaten in Moskau.

Gas, Öl und Kohle für Investitionen

Gazprom-Firmensitz in Moskau (Foto: YURI KADOBNOV/AFP/Getty Images)
Russlands Erdgasriese Gazprom will China über neue Pipelines beliefernBild: Yuri Kadobnov/AFP/Getty Images

Russland hat sich offenbar für eine strategische Allianz mit China entschieden. Das deutete sich bereits in Putins programmatischem Artikel über Russlands Außenpolitik kurz vor seiner dritten Wahl zum Präsidenten im März 2012 an. Russland solle seine Wirtschaftssegel mit "chinesischem Wind" füllen, schrieb Putin. Richtungsweisend scheint auch die erste lange Auslandsreise des frisch gewählten Präsidenten. Nach Blitzbesuchen in Berlin und Paris, die nur einige Stunden dauerten, reiste Putin Anfang Juni 2012 für zwei Tage nach Peking.

Je stärker Russland wegen der Ukraine-Krise vom Westen unter Druck gesetzt wird, umso aktiver betreibt Russland eine Annäherung an China. Nach der Drohung der US-Kreditkartenfirmen Visa und Mastercard, sie könnten russische Transaktionen stoppen, kündigte Russland ein eigenes Kreditkartensystem nach chinesischem Vorbild an. Und auf die Drohung, der Westen könnte weniger Gas und Öl in Russland kaufen, beschleunigte Moskau seine Pläne für neue Pipelines nach China. Der russische Energieriese Gazprom teilte mit, genauso viel Gas nach China pumpen zu wollen, wie derzeit nach Europa. Außerdem will Russland das energiehungrige Reich der Mitte mit Kohle versorgen. Die derzeitigen Lieferungen könnten um das Vierfache gesteigert werden, so ein russischer Minister. Da die USA und die EU Investitionen und den Transfer von westlichem Know-how nach Russland in Frage stellen, bietet Russland China eine Partnerschaft im Flugzeugbau und in der Raumfahrtindustrie an. Während der Westen die Einreise für Russen einschränken will, haben Moskau und Peking bereits Visaerleichterungen in Angriff genommen.

Im Gegenzug hofft Russland auf chinesisches Geld. Moskau wolle, dass China bis zum Jahr 2020 seine Investitionen in Russland um das Siebenfache steigere, sagte der russische Wirtschaftsminister Alexej Uljukajew in Moskau.

Geopolitische Allianz

Russland und China blockieren Syrien-Resolution (Foto: dpa)
Russland blockiert gemeinsam mit China Syrien-Resolutionen im UN-SicherheitsratBild: picture-alliance/dpa

Zudem wolle Russland mit China eine geopolitische Allianz schmieden, vermuten Beobachter. Moskau und Peking sähen die Weltordnung gleich, sagte einst Präsident Putin. Beide seien für eine multipolare Welt und gegen eine Vorherrschaft der Vereinigten Staaten. Diese Allianz wurde bereits bei mehren Abstimmungen im UN-Sicherheitsrat deutlich, in dem beide Länder ein Vetorecht haben. Russland und China blockierten mehrere westliche Resolutionsentwürfe zum Bürgerkrieg in Syrien.

"Dabei hat sich China stets hinter dem breiten russischen Rücken versteckt", sagt der Moskauer Außenpolitik-Experte Fjodor Lukjanow im DW-Interview. Er meint, dass sich China weniger antiwestlich verhalten habe als Russland.

Russen sehen in China keine Gefahr mehr

Das russische Lob für China tönt immer lauter. "Unsere Beziehungen waren noch nie so gut", sagte die Vizeregierungschefin Olga Golodez auf einer Tagung. Man habe sogar ein Lied über die russisch-chinesische Freundschaft komponiert. Das gemeinsame Werk eines chinesischen Komponisten, eines chinesischen Dichters und eines russischen Musikers feierte bereits Premiere.

Auch einfache Russen freuen sich über die von Moskau vorangetriebene Freundschaft mit den Chinesen. Rund drei Viertel der Russen glauben, die Beziehungen zwischen den beiden Ländern seien gut. Das ist das Ergebnis einer Umfrage des russischen staatsnahen Meinungsforschungsinstituts FOM, die im April 2014 veröffentlicht wurde. 2010 habe nur jeder zweite Russe die Beziehungen als positiv bewertet, so FOM. Noch drastischer hat sich die Zahl derer verändert, die in China eine Gefahr für Russland sehen. 57 Prozent der Befragten glauben, dass ein erstarktes China russische Interessen nicht bedrohe. Nur 19 Prozent sind anderer Meinung. 2009 war das Verhältnis umgekehrt: 39 zu 44.