DW:
Herr Prytula, eine Stadt passt in einen ganzen Turm. Man lebt und arbeitet dort, man kann dort auch Kultur genießen. Was halten Sie vom Konzept einer vertikalen Stadt?
Michael Prytula:
Das Projekt klingt erst einmal sehr verführerisch und beinnhaltet viele Themen, die interessant sind. Es steht auch in der Tradition von architektonischen Utopien: Le Corbusier, die japanischen Metabolisten in den 60er Jahren und Paolo Soleri haben ähnliche Konzepte schon gedacht und sie sind nie realisiert worden.
Warum sind sie nicht realisiert worden?
In dichten Stadtsystemen, in Tokio, New York, London haben wir Verdichtungen, da sind hohe Konstruktionen sinnvoll. Aber eine Stadt, die sich in der Fläche ausdehnt, so zu verdichten, ist nicht notwendig. Die Menschen wollen so nicht leben und brauchen es auch nicht. Auch andere Aspekte wie die Ver- und Entsorgung in der Stadt sind in einer vertikalen Stadt nicht effizienter gelöst, als in heutigen Städten.
Wie sieht Ihre Stadt der Zukunft aus?
Die Städte müssen zukünftig viel stärker ressourcen- und energieeffizient werden. Sie müssen die vorhandenen Stoffkreisläufe schließen: Nahrungs- und Nährstoffkreisläufe, Abwasser-, Wasserfragen sind zu klären. Der Klimawandel ist ein großes Thema und darauf müssen sich die Städte einstellen. Jede Stadt ist sehr individuell und hat ihre individuellen Lösungen.
Wie kann man es zum Beispiel schaffen, dass die Städte künftig energieeffizienter werden?
Heute werden vielfach getrennt gedachte Sektoren der Ver- und Entsorgung von Städten zusammen gedacht. Ein Beispiel ist, wenn man beim Abwasser die Energie aus der Abwärme oder der chemisch gespeicherten Energie zurückgewinnt, kann man sie dann dem Energiesystem zuführen. Durch Photovoltaik, solarthermische Anlagen, Kraft-Wärme-Kopplung, verschiedene technische Systeme kann man tatsächlich den Energiebedarf der Städte erheblich senken.
Gibt es denn Städte weltweit, wo das schon gut funktioniert?
Es gibt in vielen Ländern Pilotprojekte und Pilotregionen. Es gibt in Deutschland und Österreich bereits Regionen, ganze Landkreise, die sich autark mit Energie versorgen wollen. Es gibt in Asien Pilotprojekte zum Thema Recycling, alternative Wassersysteme. Aber die Transformation der bestehenden städtischen Systeme ist eine große Herausforderung.
Und trotzdem, gibt es schon eine Stadt, wo Sie sagen, das ist die Modellstadt? Wir haben im Vorgespräch schon über Delhi gesprochen. Sie sagten, das sei schon eine sehr nachhaltige Stadt.
Delhi ist eine nachhaltige Stadt, wenn man den gesamten Stoffwechsel, die ganzen ökologischen Fußabdrücke betrachtet. Die europäischen Städte sind vielleicht sauberer, aber der ganze Ressourcenstrom, der im Hintergrund läuft, ist erheblich höher als bei Städten in Süd-Ost-Asien. Unter diesem Gesichtspunkt sind Städte dort durchaus nachhaltiger im Vergleich zu den europäischen Städten, die ihre Produktion ausgelagert haben und bei denen eben sehr viel im Hintergrund läuft.
Man muss natürlich auch individuelle Lösungen für die verschiedenen Städte der Welt finden. Dankeschön für die Informationen.
(Interview: Maria Grunwald)