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Wenn der Postmann nicht mehr klingelt

Julia Mahncke
19. August 2020

Der Chef der US-amerikanischen Post, Louis DeJoy, ist ein Unterstützer von Präsident Trump und wird wegen Kürzungen bei seiner Behörde kritisiert. Dabei wird sie eine zentrale Rolle bei der Wahl im November spielen.

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USA I Oregon I Briefkasten in Eugene
Bild: DW/J. Mahncke

Ein junger Mann in blauem Hemd lehnt sich aus seinem weißen Post-Lieferwagen. Er greift ein paar Briefe und verteilt sie in vier nebeneinanderstehende Briefkästen in einer kleinen Sackgasse in Eugene im US-Bundesstaat Oregon. Seit zwei Jahren arbeitet er für den United States Postal Service (USPS). Seinen Namen will er lieber nicht verraten, nur so viel: "Ich freue mich auf die Wahl," sagt er: "Wegen der Überstunden!" Er hofft darauf, bald eine Festanstellung zu bekommen, denn bei der Post habe er schon jetzt mit einem befristeten Vetrag genug Geld verdient, um die Anzahlung für ein Haus anzusparen. Derzeit sei eine 60-Stunden-Woche nicht ungewöhnlich, erklärt der Bote. Ob er bei der Arbeit Änderungen im Vorfeld der Wahl im November beobachtet hat? "Oh, es hat sich viel geändert, aber ich glaube, darüber darf ich nicht sprechen."

Einige Details sind bekannt: Unter anderem soll es Mitarbeitern vielerorts verboten sein, Überstunden oder zusätzliche Fahrten zu machen. Dies könnte dazu führen, dass Post später als sonst ankommt. In einem internen Memo vom Juli dieses Jahres, das der Nachrichtensender CNN veröffentlichte, wurden diese Änderungen angekündigt. Dort heißt es: "Zeitweise kann es sein, dass Post liegen bleibt."

USA I Oregon I Briefkasten in Eugene
Dieser steht noch, aber mehr als 30 andere Briefkästen scheinen in Oregon verschwunden zu seinBild: DW/J. Mahncke

Zusätzlich machten im Internet Fotos aus verschiedenen Städten die Runde, die USPS-Mitarbeiter dabei zeigten, wie sie öffentliche Briefkästen auf Laster luden und wegkarrten. Insgesamt hat die US-amerikanische Post rund 142.000 Kästen zu leeren. Allein in Oregon fehlen seit vergangener Woche mehr als 30 Briefkästen. USPS-Sprecher Ernie Swanson begründete dies lokalen Medien gegenüber damit, dass das Briefvolumen drastisch zurückgegangen sei und es sich bei einigen Kästen um doppelte gehandelt habe, die nebeneinander gestanden hätten. Die Anfrage der Deutschen Welle, wer die Anordnung für das Entfernen gegeben habe und warum dies nicht bis nach der Präsidentschaftswahl habe warten können, beantwortete USPS nicht.

US-Abgeordnete verlangen Antworten

Vielleicht wird es aber bald Antworten vom leitenden Beamten der Post, Postmaster General Louis DeJoy, geben. Er soll am Freitag vor dem US-Kongress aussagen. Bis dahin versprach er, alle Reformen, die er bei der Post angestoßen habe, auf Eis zu legen. Die Sprecherin des Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, will außerdem am Samstag über ein Gesetz abstimmen lassen, das dem USPS zusätzliche Gelder zusichern und Änderungen am Service verbieten würde.

Louis DeJoy I Republikanische Partei
Postchef Louis DeJoy soll vor dem Kongress aussagenBild: Getty Images/A. Wong

Denn der USPS ist auch für den Ablauf der Briefwahl zuständig. Und um die reibungslos und fristgerecht abwickeln zu können wird die Post in diesem Jahr aller Voraussicht nach mehr Geld und mehr Mitarbeiter benötigen und nicht weniger.

Die Behörden rechnen für die Wahl am 3. November mit einer massiven Zunahme der Briefwahl, weil Millionen Amerikaner wegen Corona nicht den Gang ins Wahllokal riskieren wollen. Statt etwa 33 Millionen Briefwähler wie im Jahr 2016, könnten es dieses Mal womöglich mehr als doppelt so viele sein. Damit der USPS die Stimmzettel fristgerecht zustellen kann, wollten Abgeordnete - die meisten von ihnen Demokraten, aber auch einige Republikaner - der Behörde mehr Geld zur Verfügung stellen. Trump jedoch warnt seit Wochen fast täglich, dass die erwartete starke Zunahme der Stimmabgabe per Briefwahl zur Wahlfälschung führen wird. Er hat sich gegen eine Wahl ausgesprochen, die ausschließlich per Post ausgeführt und will keine zusätzlichen Gelder bereitstellen. Auf diese Weise sei der USPS dann auch nicht ausgerüstet, um eine universelle Briefwahl durchzuführen, erklärte er in einem Interview mit dem Fernsehsender “Fox”. Eine universelle Briefwahl ist nicht geplant. Wahllokale soll es in den meisten US-Bundesstaaten auch weiterhin geben.

Nur in einigen wenigen US-Bundesstaaten wird ausschließlich per Post abgestimmt. Seit 1998 ist dies in Oregon beispielsweise der Fall. Wahlscheine werden hier automatisch zugesendet, um es Wählern so einfach wie möglich zu machen. So soll sichergestellt werden, dass jeder die Chance hat, abzustimmen - diejenigen, die auf dem Land wohnen, diejenigen, die am Tag der Wahl arbeiten müssen, oder die aus gesundheitlichen Gründen nicht in ein Wahllokal gehen können. Das Konzept ist also nicht neu. “Zu behaupten, es gäbe Probleme mit der Briefwahl, ist schlicht falsch”, erklärt Phillip J. Cooper, Professor für Öffentliche Verwaltung an der Portland State University, im Gespräch mit der DW. Und fügt hinzu: “In Oregon ist die Wahlbeteiligung extrem hoch und der Wahlvorgang sehr einfach.” Umfragen zufolge ist der USPS eine der Behörden, in die US-Amerikaner größtes Vertrauen haben. Donald Trump selbst habe schon per Briefwahl abgestimmt, erinnerte die Senatorin von Nevada, Catherine Cortez Masto, bei ihrer Rede am Montag auf dem Parteitag der Demokraten.

Phillip J. Cooper, Professor für Öffentliche Verwaltung, Portland State University
Die Briefwahl ist sicher, sagt Phillip J. Cooper, Professor für Öffentliche Verwaltung an der Portland State UniversityBild: Kelly James Photography

Alles nur Theater?

Was Trump mit seinen Angriffen auf den USPS und seiner strikten Ablehnung jeglicher finanziellen Hilfe für die Post während der Pandemie und im Vorfeld der Präsidentschaftswahl verfolge, sei lediglich ein Ablenkungsmanöver, meint Alex Morgan, der Direktor des "Progressive Turnout Project". Seine Organisation hat sich zum Ziel gesetzt, Nicht-Wähler, die eher den Demokraten nahe stehen, davon zu überzeugen, im November doch ihre Stimme abzugeben. Alex Morgan sagte im Gespräch mit DW, er habe größtes Vertrauen in die Post. Aber allein Trumps Behauptung, dass die Post unfähig sei, eine Briefwahl durchzuführen, könnten sich negativ auswirken: "Wir machen uns ernsthaft Sorgen um den psychologischen Effekt. Es ist eine Schande. Vor vier Jahren hat keiner gedacht, dass die US-Regierung falsche Informationen verbreitet und sich gegen ihre Bürger stellt."

Die US-Demokraten befürchten wohl, dass DeJoy, der ein Großspender für Trumps Wahlkampagne ist und zuvor mit seiner Logistikfirma für die Konkurrenz UPS gearbeitet hat, die Wahl manipulieren könnte. Was für mögliche Absprachen zwischen dem Postmaster DeJoy und Trump bestehen könnten, ist zu diesem Zeitpunkt Spekulation. Es ist allerdings kein Geheimnis, dass DeJoy von einem sechsköpfigen Gremium gewählt wurde, dessen Mitglieder zwischen 2018 und 2020 von Trump berufen wurden.