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Wien besorgt über "Balkanroute"

Emir Numanovic1. Juli 2016

Für Österreich ist klar: Unkontrollierte Migration sollte verhindert werden. Die Polizeichefs Österreichs und der Balkanländer beraten darüber, wie sie in der Flüchtlingskrise besser zusammenarbeiten können.

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Zaun an der österreichisch-slowenische Grenze bei Spielfeld (Oktober 2015) (Foto: EPA/ERWIN SCHERIAU/picture-alliance/PIXSELL)
Grenzzaun an der österreichisch-slowenische Grenze bei SpielfeldBild: picture-alliance/PIXSELL

Die österreichischen Behörden wollen auf künftige Flüchtlingsströme gut vorbereitet sein. Geht es nach dem österreichischen Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP), ist dafür eine gute Zusammenarbeit mit den Nachbarn eine der wichtigsten Voraussetzungen.

Nach bilateralen Treffen mit seinen Amtskollegen aus Italien und Ungarn empfing er am Donnerstag die Polizeichefs der Balkanländer im Innenministerium in Wien. Nur wenige Tage zuvor sind dort auch die Chefs der Grenzpolizei dieser Länder zusammengekommen.

"Die Migrationsbewegungen über die Ostbalkanroute sowie die zentrale Balkanroute sind nach wie vor sehr besorgniserregend. Wir müssen diese Routen, wie etwa die Route über Bulgarien und Rumänien sowie Bulgarien und Serbien, sehr genau beobachten", sagte Sobotka.

Westbalkan Konferenz zur Flüchtlingskrise in Wien (Foto: picture-alliance/epa/C.Bruna)
Im Februar fand in Wien die erste Westbalkan- Konferenz zur Flüchtlingskrise stattBild: picture-alliance/epa/C.Bruna

"Wir werden wachsam sein"

In Wien kamen Polizeichefs aus Bulgarien, Griechenland, Kroatien, Mazedonien, Polen, Rumänien, Serbien, der Slowakei, Slowenien, Tschechien und Ungarn zusammen, sowie Vertreter von Europol und Frontex. Sie einigten sich nach eigenen Angaben auf "polizeiliche Maßnahmen für den weiteren Umgang mit unkontrollierter Migration".

"Österreich ist durch seine geografische Lage sowohl von Migration über die Westbalkanroute als auch über die Mittelmeerroute betroffen. Wir werden wachsam sein, sollte es zu Routenverlagerungen etwa über Bulgarien kommen", sagte Konrad Kogler, Generaldirektor für die öffentliche Sicherheit im österreichischen Innenministerium. "Wir können unkontrollierte Migration nur dann erfolgreich bekämpfen, wenn wir unsere polizeilichen Maßnahmen eng abstimmen."

Das Treffen der Polizeichefs gilt als eine Vorbereitung für die nächste große Balkan-Flüchtlingskonferenz, die das österreichische Innenministerium für Mitte Juli in Wien plant. Innenminister Wolfgang Sobotka teilte mit, dass die Neuauflage der Balkan-Konferenz sicherstellen soll, "dass die Balkanroute geschlossen bleibt".

Neue Routen noch gefährlicher

Fabrice Leggeri, Chef der EU-Grenzschutzagentur Frontex, ist besorgt über eine Verlagerung der Fluchtrouten. Besonders Italien sei dadurch einer massiven Belastung ausgesetzt. Aus Libyen kommen 13 bis 14 Mal mehr Flüchtlinge nach Italien als aus der Türkei nach Griechenland, gibt er zu bedenken. Die zentrale Mittelmeerroute sei so stark frequentiert wie noch nie, und die Zahl der illegalen Grenzübertritte zwischen Libyen und Italien übersteige die Zahl aller anderen illegalen Grenzübertritte in die EU, so der Frontex-Chef.

Diese Route werde vor allem von Flüchtlingen aus Westafrika und vom Horn von Afrika genutzt. "In Eritrea gibt es Verfolgung und eine brutale Diktatur, diese Menschen sind schutzbedürftig", sagte Leggeri. "Aus Senegal, Gambia, der Elfenbeinküste und Niger fliehen viele aus wirtschaftlicher Perspektivlosigkeit." Die gefährliche Fahrt nach Europa über das Mittelmeer würden die Menschen von Ägypten aus antreten, das sich zu einem neuen Hotspot entwickeln würde, so Leggeri.

Nach dem Treffen mit seinem italienischen Amtskollegen sagte der österreichische Innenminister Wolfgang Sobotka, dass Europa einen funktionierenden Außengrenzschutz und funktionsfähige Hotspots in Italien brauche. Österreich sei bereit, nationale Experten zur Unterstützung dieser Hotspots nach Italien zu entsenden, und sich auch bei der Einrichtung von Hotspots am Meer einzubringen. Dadurch sollen Menschen bereits auf Schiffen registriert werden. "Es ist wichtig, dass Nicht-Schutzbedürftige rückgeführt und Schutzbedürftige in Italien betreut werden", betonte Sobotka.

Schlepper profitieren von Schließung der Balkanroute

Durch die Schließung der sogenannten "Balkanroute" und das Flüchtlingsabkommen zwischen der EU und der Türkei sind die Flüchtlingszahlen in letzter Zeit stark gesunken. Doch durch die Grenzschließung habe das Schlepperwesen wieder an Bedeutung gewonnen, warnt die Historikerin Armina Galijas vom Zentrum für Südosteuropa-Studien der Universität Graz. "Die Menschen sind nicht verschwunden, sie sind immer noch da, nur ist ihre Lage jetzt noch schwieriger. Mittlerweile gibt es für sie kaum Hilfe und Unterstützung und das Geschäft der Schlepper floriert. Die Schlepper verlangen jetzt auch wesentlich mehr Geld als früher", schildert Galijas die Lage nach einem Besuch in Belgrad.

Flüchtlinge bei Mistlberg an der Grenze zu Deutschland (Foto: Getty Images/S. Gallup)
Flüchtlinge bei Mistlberg an der Grenze zu Deutschland im November 2015Bild: Getty Images/S. Gallup

Die Historikerin kritisiert eine gewisse Scheinheiligkeit der Europäischen Union in der Flüchtlingskrise: "Viele Politiker aus den Balkan-Ländern werden von der EU als autoritär und auch nationalistisch eingestuft, doch wenn sie die EU bei Plänen für eine restriktive Politik gegenüber den Flüchtlingen unterstützen, dann sind sie auf einmal sehr wichtige Partner", so Galijas.

Nun hat auch Österreich mit seinen Partnern aus den Balkan-Staaten neue Pläne für die nächste Flüchtlingskrise geschmiedet. "Eine enge Zusammenarbeit zwischen unseren Ländern war auch zu Beginn des Jahres der Schlüssel, um die Situation entlang der Westbalkanroute zu kontrollieren", so Konrad Kogler nach dem Treffen der Polizeichefs in Wien. Dieses Treffen solle dafür sorgen, dass sich daran nichts ändert.