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NSA-Affäre: Wikileaks sorgt für Wirbel

12. Mai 2015

Seit Wochen werden immer neue Details zur NSA-Spionageaffäre bekannt. Nun hat Wikileaks viele Mitschriften aus dem Untersuchungsausschuss publiziert. Wem nützen die Indiskretionen? Gefährden sie unsere Sicherheit?

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NSA-Untersuchungsausschuss des Bundestages zur BND-Affäre (Foto: dpa)
Bild: picture-alliance/dpa/B. von Jutrczenka

Die Enthüllungsplattform Wikileaks hat hunderte Mitschriften aus dem NSA-Untersuchungsausschus des Bundestages öffentlich gemacht. Im Internet könne man nun Vernehmungs-Protokolle lesen, teilte Wikileaks mit. Die Dokumente protokollieren Zeugenbefragungen des Ausschusses von Mai 2014 bis Februar 2015. Die 1380 abrufbaren Seiten können mit Suchworten durchforstet werden. Insgesamt sind die Aussagen von 34 Zeugen protokolliert, unter ihnen 13 Mitarbeiter des Bundesnachrichtendiensts (BND), die anonym vor dem Ausschuss aussagten. Zudem erstellte Wikileaks zu jeder Sitzung sowohl auf Deutsch als auch auf Englisch eine Zusammenfassung.

Bisher waren die Protokolle des Ausschusses nicht öffentlich zugänglich - auch nicht solche der öffentlichen Sitzungen. Nun finden sich in den WikiLeaks-Dokumenten sogar einige Protokolle nicht öffentlicher Sitzungen. Gründer Julian Assange betonte, nur durch öffentliche Kontrolle könne der Ausschuss Transparenz und Gerechtigkeit herstellen. Die Öffentlichkeit habe ein Recht auf die Informationen. Der Ausschuss arbeitet die Spionageaffäre rund um den US-Geheimdienst NSA und den BND auf. Der BND steht im Verdacht, der NSA dabei geholfen zu haben, befreundete Länder und Unternehmen auszuspähen. Die Opposition wirft der Bundesregierung vor, seit 2008 davon gewusst, dies aber bis vor kurzem bestritten zu haben.

Ins Verhör nahm der Ausschuss bisher schwerpunktmäßig teils auch hochrangige Mitarbeiter des BND, der Telekom und der NSA. Vertreter der Öffentlichkeit dürfen bei den öffentlichen Sitzungen mitschreiben, Blogger stellen die Äußerungen auch online. Ton- oder Videoaufzeichnungen sind aber nicht erlaubt. Der Geschäftsordnungsausschuss des Bundestags hatte entschieden, dass die Veröffentlichung der Protokolle derzeit nicht möglich sei. Die Zeugen werden in der Sitzung von einem Anwalt begleitet. Er und auch Vertreter der Bundesregierung schreiten immer wieder ein, wenn die Abgeordneten Dinge wissen wollen, die die Regierung als vertraulich einstuft. Dann wird darauf verwiesen, dass darüber nur in nichtöffentlicher Sitzung Auskunft gegeben kann.

Machtkampf im Ausschuss?

Beobachter sehen im sogenannten Durchstechen von geheimen Dokumenten den Ausdruck eines Machtkampfs im NSA-Ausschuss. Einige Abgeordneten instrumentalisierten das Parlament für ihre Zwecke, schreibt ein Kommentar der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung". Dies sei ein Affront gegenüber Bundesregierung und Sicherheitsbehörden. Allerdings zeigen sich auch einige Mitglieder des Ausschusses sind nicht gerade begeistert von der Wikileaks-Publikation.

Der Ausschussvorsitzende Patrick Sensburg sagte: "Für die Aufklärung der Sache sind diese Offenlegungen jedenfalls nicht hilfreich." Durch die Preisgabe der Dokumente auf Wikileaks könnten sich Zeugen vor ihrer Vernehmung nun detailliert über vorherige Befragungen informieren. Wenn zum Beispiel BND-Chef Gerhard Schindler ausgesagt habe, werde kein Behördenmitarbeiter dieser Aussage widersprechen. "Zeugen müssen unabhängig von Aussagen der anderen Zeugen vernommen werden", betonte der CDU-Politiker. Er kündigte an, er werde die WikiLeaks-Dokumente auf Hinweise auf die undichte Stelle abklopfen. Angesichts des großen Adressatenkreises - bestehend aus Ausschuss-Mitgliedern, Bundesregierung, Mitarbeitern und Stenografen - sei die Aufklärung aber kaum möglich.

"Mühsames Gezanke"

Der Grünen-Obmann Konstantin von Notz sagte der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung", der Ausschuss selbst hätte die Veröffentlichung der Protokolle in einem „geordneten Verfahren“ vornehmen müssen. Es gebe aber leider mit der Bundesregierung ein „mühsames Gezanke“ über Fragen der Geheimhaltung. Notz warf der Bundesregierung vor, die Geheimhaltung von Dokumenten als politisches Mittel einzusetzen. „Nicht alles, was für die Regierung peinlich ist, darf deshalb geheim sein“, sagte er.

Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen sieht durch die vielen Veröffentlichungen in der Spionageaffäre insgesamt Deutschlands innere Sicherheit bedroht. Er kritisierte im Südwestrundfunk, seit Monaten kursierten auch vertraulichste Informationen in den Medien. Dies sei "ein Skandal, der bisher nicht als Skandal bezeichnet worden ist". Maaßen forderte, diese Vorgänge "auch strafrechtlich aufzuarbeiten".

1,3 Milliarden Metadaten

BND-Abhörstation in Bad Aibling (Foto: dpa)
Großer Datenfluss in die USA: die BND-Abhörstation in Bad AiblingBild: picture-alliance/dpa/A. Warmuth

Unterdessen wurde bekannt, dass der BND der NSA pro Monat bis zu 1,3 Milliarden Metadaten über Telefonate, SMS oder Mails weitergeleitet haben soll. Die Rohdaten würden über die BND-Abhörstation im bayrischen Bad Aibling geliefert, berichtete Zeit Online. Die Daten von Deutschen würden zuvor ausgefiltert. Metadaten zeigen etwa, wer wen wann anruft oder wie lange ein Gespräch dauert. Bei Telefonaten am Handy beinhalten Metadaten auch den Standort der Person. Massenhaft gesammelt ermöglichen sie eine Analyse von Netzwerken. Einen Einfluss darauf, was die NSA mit den Daten macht, hat der BND dem Bericht zufolge nicht. Gleichwohl sehen BND und Kanzleramt das Vorgehen durch deutsche Gesetze gedeckt.

Die Kontrolle der Geheimdienste in Deutschland ist nach Ansicht des Menschenrechtskommissars des Europarates, Nils Muiznieks, unzureichend. "Das Kontrollsystem muss gestärkt werden", sagte er der Deutschen Presse-Agentur. Die Kontrolleure des Bundestages hätten nicht genügend Mitarbeiter mit Expertenwissen. Zudem seien ihre Befugnisse stark eingeschränkt. "In den Niederlanden haben die Kontrolleure jederzeit das Recht, Geheimdienst-Einrichtungen zu besuchen, dort mit Mitarbeitern zu sprechen und alle Akten einzusehen", erklärte Muiznieks. Dies sei wichtig, damit die Abgeordneten wüssten, ob sie ein vollständiges Bild sehen oder nur das, was ihnen die Dienste zeigen wollen.

kle/rb (dpa, afp, FAZ)