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Wie gut ist das Weinjahr 2019?

Dagmar Breitenbach
28. September 2019

Es ist Herbst, in Deutschland hat die Weinlese begonnen und die neue Weinkönigin wird gewählt. Mit welchen Problemen Winzer zu kämpfen hatten und wie der Jahrgang 2019 ausfällt, erklärt Weinexpertin Romana Echensperger.

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Endingen | Weinlese: Winzer Uwe Hiss entleert eimer voll Trauben
Bild: picture-alliance/dpa/P. v. Ditfurth

DW: Überall in Deutschland beginnt dieser Tage die Traubenernte. Erwarten die Winzer ein gutes Jahr?

Romana Echensperger: Es wird ein sehr gutes Jahr! Es gab allerdings schon einige Herausforderungen für die Winzer, vor allem die Hitzewelle - da ist einiges an Ertrag an Sonnenbrand verloren gegangen. Der Reifeverlauf hat sich etwas verlangsamt im Vergleich zu 2018, es ist relativ normal. Man kann also auf einen sehr vielversprechenden Jahrgang schauen. Letztes Jahr war der Ertrag super, dieses Jahr wird er etwas geringer sein aber es bleibt im Rahmen.

Welche Trends gibt es denn 2019 bei Deutschlands Winzern, was haben sie Spannendes im Programm?

Ganz groß im Kommen ist deutscher Winzersekt. Die Qualitäten sind enorm gut geworden. Beim Verbraucher hieß es früher oft "Hauptsache, es sprudelt". Aber mittlerweile haben die Verbraucher erkannt dass es tolle Qualitäten im Schaumweinbereich gibt. Bei den Winzern tut sich unglaublich viel, sie lernen wie man tollen Schaumwein macht, denn es braucht viel Knowhow über die Feinheiten.

Chardonnay ist ebenfalls ein Trend, da sind wir mittlerweile bei 2000 Hektar Anbaufläche, in den 1990er-Jahren waren das vielleicht 200 Hektar. Dieser Wein ist mit einer neuen Stilistik wieder da, nicht mehr so üppig, sondern mit Schmelz und ein Bisschen Holzfaßeinsatz - es sind unglaublich tolle, balancierte Weine. Generell ist Weißwein bei uns im Trend. Vor 20 Jahren war Rotwein im Kommen, heute wird in Deutschland wird wieder mehr Weißwein als Rotwein getrunken.

Weinexpertin Romana Echensperger
Deutsche Weine sind die Nummer 1 in Norwegen, sagt Weinexpertin Romana EchenspergerBild: privat

Nach dem Glutsommer 2018 war es auch dieses Jahr wieder heiß und sehr trocken. Wie wirkt sich das auf die Pflanzen aus, und damit auf den Wein?

Der Weinbau an sich wird einfach herausfordernder, das muss man klar sagen. Man hat mit Wetterextremen zu kämpfen. 2017 hat es unfassbar viel geregnet, dann wieder Hitze und Trockenheit. 2017 haben die Winzer die Traubenzone entblättert, damit Luft an die Trauben kommt und die Feuchtigkeit abtrocknet, und keine Pilzkrankheiten entstehen. 2019 hat man das auch gemacht - und hat in manchen Regionen 30 Prozent der Trauben an Sonnenbrand verloren! Die Maßnahme, die 2107 goldrichtig war, war 2019 total verkehrt. Der Winzer muss genau beobachten, klug und schnell eingreifen. Am Ende gehört aber immer auch eine Portion Glück dazu.

Jeder vernünftige Winzer lässt mittlerweile Glyphosat weg, auch aufgrund des Klimawandels, denn bei langen Trockenzeiten ist es wichtig, dass der Boden vital ist, mit viel Humus der Wasser speichert.

Werden Winzer umdenken müssen bezüglich der Traubensorten, die sie anpflanzen, braucht man andere Rebsorten?

Es gibt zur Zeit eine sehr große Diskussion. Man kann durch weinbauliche Maßnahmen sehr viel abfangen. Riesling aber wächst auch in noch wärmeren Regionen. Was die Rebsorten angeht wird es erst mal keine Veränderungen geben.

Weinlese in  der Ortenau BdT
Die Trauben sind Reif - die Weinlese in Deutschland hat begonnenBild: picture-alliance/dpa/P. Seeger

Es gibt aber Probleme, die der Klimawandel mit sich bringt, da wird man neue Antworten finden müssen: Ich war gerade in der Pfalz, da gibt es große Probleme mit ESCA, eine Art Bakterium, das die Pflanzen befällt. Der Rebstock stirbt innerhalb von eine paar Monaten ab. Es gibt große Ausfälle durch ESCA, man kennt aber die Ursachen noch nicht. Früher kannte man ESCA nur im südlichen Europa, zum Beispiel in Bordeaux und Sizilien. Durch die Klimaerwärmung scheint das Problem voll bei uns angekommen zu sein. Es ist ein Riesenverlust und es gibt noch keine Gegenmaßnahmen.

Stichwort Umweltschutz, ökologischer Anbau: Wie wichtig ist das Thema resistente Rebsorten?

Man denkt, bezüglich der Vorteile von pilzresistenten Rebsorten, das ist doch eine tolle Idee - und dann probiert man den Wein und denkt, das ist doch nicht so eine gute Idee. Ich finde es schmeckt einfach nicht. Diese Sorten werden auch nur relativ verhalten angebaut.

Gibt es neue Absatzmärkte für gute deutsche Tropfen, steigt das Interesse im Ausland?

In China und USA hat man gute Aufbauarbeit geleistet. Skandinavien ist ganz vorne dabei: in Norwegen ist Deutschland die Nummer 1, der größte Lieferant für Wein.

Romana Echensperger trägt den Titel Master of Wine. Die Weinexpertin war Chef-Sommeliere in verschiedenen Spitzenrestaurants, und ist seit 2011 als Beraterin und Ausbilderin für Kunden aus dem In- und Ausland tätig. 

Als Weinjournalistin schreibt Echensperger regelmäßig für deutsche und niederländische Magazine, für das Deutsche Wein Institut gestaltet sie Workshops über die vielen Facetten des Deutschen Weines. 2017 erschien ihr Buch "Von wegen leicht und lieblich. Das ultimative Weinbuch (nur) für Frauen."

Das Gespräch führte Dagmar Breitenbach.