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"Wir haben es in der Ostukraine mit einem Partisanenkrieg zu tun"

Alexander Warkentin11. Juli 2014

Das Chaos in der Ukraine werde noch lange andauern, befürchtet der russische Journalist und Politik-Experte Alexander Golz. Eine direkte Invasion der russischen Truppen schließt er zu diesem Zeitpunkt aber aus.

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Panzer bei Donezk in der Ukraine (Foto: AFP)
Bild: Dominique Faget/AFP/Getty Images

DW: Sprecher der ukrainischen Streitkräfte behaupten, dass sich die Belagerungsringe um die Städte Donezk und Lugansk in der Ostukraine zuziehen. Haben die Separatisten eine Chance, diesem Druck standzuhalten?

Alexander Golz: Die Chancen sind da. Ich würde Siegesmeldungen dieser Art nicht unbedingt glauben. Wir haben es praktisch mit einem Partisanenkrieg zu tun. Eine reguläre Armee kann so einen Krieg nicht gewinnen. In der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg finden wir keinerlei Beispiele dafür. Dafür aber Niederlagen - wie in Vietnam oder in Afghanistan, erst die sowjetische Niederlage, dann die der NATO-Verbündeten. Es gibt noch viele andere Beispiele.

Aber treffen solche Vergleiche denn zu? Für einen Partisanenkrieg ist normalerweise eine breite Unterstützung der Bevölkerung nötig.

Wir sehen keine Beispiele dafür, dass die Bevölkerung in Donezk und Lugansk besonders feindselig auf das Auftauchen der Separatisten reagiert. Das Gegenteil ist der Fall. Wir sehen das schlimmste Beispiel von dem, was bei den Militärs unter die Rubrik "wenig intensiver bewaffneter Konflikt" fällt: also Kriegshandlungen in einer Stadt oder Vorstadt. Da spielt die Zivilbevölkerung, ob sie es nun will oder nicht, die Rolle eines menschlichen Schutzschildes - das ist immer so bei Kampfhandlungen in einer Stadt.

Wenn die Lage jener Leute, die als Separatisten bezeichnet werden, doch kritisch wird: Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit eines direkten Eingreifens der russischen Streitkräfte? Besteht sie noch?

In der aktuellen Situation ist sie nur hypothetisch. Russland hat der Weltgemeinschaft alle nötigen Signale gegeben, dass es nicht zu einem direkten Einmarsch kommen wird. Dazu gehört auch diese komödienhafte Geste, dass der Föderationsrat in Moskau dem russischen Präsidenten die Vollmacht zum Truppeneinsatz in der Ukraine entzogen hat. Wenn man bedenkt, wie viel Autorität und Selbstständigkeit der Föderationsrat an den Tag legt, so kann man sich vorstellen, dass er dem Präsidenten diese Vollmacht innerhalb von Stunden - wenn nicht Minuten - auch wieder erteilt. Das ist klar. Aber wir sehen zurzeit auch keine militärischen Vorzeichen für so eine Operation. Schon seit Wochen gibt es keine Veränderungen der Truppenkonzentration an der Grenze.

Der russische Politik-Experte Alexander Golz bei einem Seminar in St. Petersburg (Foto: DW)
Der Politik-Experte Alexander GolzBild: DW

Sehen Sie einen Ausweg aus diesem Konflikt?

Offen gestanden: Nein. Denn die beiden Seiten haben gegensätzliche Interessen. Russland setzt auf eine dauerhafte Chaos-Periode im Südosten der Ukraine. Das Ziel der russischen Führung ist, den eigenen Bürgern bei jeder sich bietenden Gelegenheit zu zeigen, wie hoch der Preis für eine "Orangene Revolution" ist. (Anm. d. Red.: Gemeint ist die sogenannte Orangene Revolution in der Ukraine, durch die 2004 ein korruptes Regime gestürzt wurde.) Die Botschaft: Schaut her, so enden diese Revolutionen - in Chaos und Bürgerkrieg.

Ich sehe keinerlei Anzeichen dafür, dass die selbsternannten "Volksmilizen" in der Ukraine zu irgendeiner Art von substanziellen Verhandlungen bereit sind. Noch weniger Bereitschaft zu einem konstruktiven Dialog zeigen die Politiker in Kiew. Sie steuern auf eine militärische Lösung zu, die mehr als fragwürdig ist. Eine Lösung des Konflikts sehe ich erst, wenn alle Beteiligten ihre Ressourcen vollständig aufgebraucht haben.

Alexander Golz ist stellvertretender Chefredakteur des regierungskritischen Internetportals "Jeshednewny Journal" ("Tagesjournal") in Moskau.