"Wir wollen Wettbewerb auf Augenhöhe"
20. Dezember 2020"Unter fairen Bedingungen würden Google auf einen Schlag 20 Prozent Marktanteil verlieren." Für Gabriel Weinberg (Artikelbild) steht der Endgegner fest: Google, seine Suchmaschine und das System drumherum. Der 41-Jährige ist Geschäftsführer von DuckDuckGo, einer Suchmaschine, die mit Privatsphäre wirbt und kein Datenstaubsauger sein will.
"Es fühlt sich schlecht an. Du hast eine Lösung, aber Du wirst zurückgehalten. Das muss korrigiert werden", sagt Weinberg. Sein übermächtiger Konkurrent habe es ihm auf Android-Handys unnötig schwer gemacht, andere Suchmaschinen zu nutzen. "Man braucht 15 Klicks, um uns als Standardsuchmaschine einzustellen." Jeder solle sich einfacher entscheiden können, welche Suchmaschine er nutzt. "Wir wollen einfach nur Wettbewerb auf Augenhöhe."
Mit seinen Forderungen ist Weinberg in den USA schon lange nicht mehr allein. Die Politik hat sich auf seine Seite geschlagen. Die Kritik an der Marktmacht von Google, Facebook, Amazon und Apple ist kein Hintergrundgeräusch mehr, es wird langsam zu einer Sirene. Etliche US-Bundesstaaten haben Google verklagt und werfen dem Mutterkonzern Alphabet vor, mit illegalen Wettbewerbspraktiken seine Monopolstellung bei Online-Suchen und Online-Werbung zu verteidigen. Auch gegen Facebook laufen Klagen.
Die EU plant den großen Wurf
Was in den USA im Kleinen geschieht, wird in der Europäischen Union derzeit im Großen geplant. Dabei geht um nicht mehr als die Neuordnung der digitalen Welt. Die EU-Kommission will mit einem Digitale-Dienste-Gesetz und einem Digitale-Märkte-Gesetz den Wettbewerb fairer machen. Wer sich den möglichen Auflagen widersetzt, dem könnten Strafen von bis zu sechs Prozent des jeweiligen globalen Jahresumsatzes drohen. Wohl auch deshalb ist sich der Netzaktivist Markus Beckedahl sicher. ″Das wird die größte Lobbyschlacht der Digitalen Welt."
Beckedahl beobachtet das Gebaren der Techriesen seit fast 20 Jahren aufnetzpolitik.org. Auf die langen "Regulierungsferien" bei den Behörden müsste nun ein Regulierungsrahmen folgen, der verhindere, dass die großen Konzerne "aus ihrer marktdominanten Position heraus, ihre Macht weiter ausbauen können."
″Es gibt eine riesige Machtasymmetrie″
Nach dem Vorschlag der EU-Kommission dürfen Plattformen ihre eigenen Inhalte und Produkte nicht mehr denen anderer Anbieter vorziehen. Sie müssen ihre Werbung und ihre Empfehlungsalgorithmen transparenter machen, damit nachvollziehbar wird, wann wem was angezeigt wird. Als letztes Mittel denkt die EU sogar die Zerschlagung von Konzernen an, wenn sie sich nicht an die EU-Regeln halten.
Eine scharfe Waffe könnte auch die sogenannte Interoperabilität sein. Demnach müssten die großen Konzerne ihre Systeme öffnen: Eine Nachricht von Whatsapp könnte dann auch zu Telegram verschickt werden. "Das kann dazu führen, dass in den Markt der Messengerdienste mehr Wettbewerb reinkommt", sagt Beckedahl im Gespräch mit der DW.
Auch Forscher und Behörden sollen besseren Zugriff auf Daten von Amazon, Google und Co erhalten. "Es gibt momentan eine riesige Machtasymmetrie. Die Plattformen haben diese ganze Daten, ihre Forschungsabteilungen können in Echtzeit darauf zugreifen. Während Regulierungsbehörden ratlos davorstehen."
Doch die Initiative der Kommission kommt schon fast zu spät. Neben dem Suchmaschinenmarkt ist Google über Youtube auch marktführend bei nutzergenerierten Videos. Amazon baut neben dem Versandhandel seine Vormachtstellung im Cloud-Geschäft (AWS - Amazon Web Services) aus (siehe Grafik). Und Facebook dominiert mit der hauseigenen Plattform und Instagram die sozialen Netzwerke - mit Whatsapp den Messengermarkt.
Auch Gabriel Weinberg von DuckDuckGo beobachtet die Entwicklungen in Europa. Das Unternehmen zählt zu den Gründungsmitgliedern von Global Privacy Control, einer Allianz, die sich um den Schutz privater Daten kümmert.
Seit knapp 13 Jahren arbeitet er nun an seiner Suchmaschine und hat mittlerweile 150 Mitarbeiter. Für ihn sind die personenbezogenen Daten dafür verantwortlich, "was gerade schlecht im Internet läuft und auch gesellschaftliche Probleme bereitet". Zwar verdient auch seine Suchmaschine Geld mit Werbung. Doch anders als bei Google, orientiere man sich dabei eben am Kontext der Suche - nicht am Profil der Nutzer. Weinberg glaubt daran, dass sich dadurch auch die Qualität von Suchergebnissen verbessert. "Wir wollen, dass überall auf der Welt die Ergebnisse gleich sind und nicht abhängig von Deinen personenbezogen Daten."
Laut eigener Aussage hat seine Suchmaschine derzeit zwei Milliarden Anfragen im Monat und wächst schnell, doch der Marktanteil bei Suchen von DuckDuckGo ist im Vergleich mit der Konkurrenz (siehe Grafik oben) nach wie vor verschwindend gering. "Wenn es leichter wäre, mit uns zu suchen, könnten wir in Europa schon zehn Prozent Marktanteil haben."
Von Europa in die USA?
Die US-Regierung habe erstmal kein Interesse, hart gegen ihre Techriesen durchzugreifen, glaubt Markus Beckedahl von netzpolitik.org. "Das sind die Unternehmen, mit denen sie die Welt dominieren." Dennoch könnte eine strengere Regulierung in der EU zum Vorbild werden und den Ruf nach vergleichbaren Maßnahmen erhöhen. Das habe sich auch schon bei der Datenschutz-Grundverordnung DSGVO gezeigt. "Hier hat Europa einen digitalen Standard geschaffen." Nur durch Regulierung alleine werde sich aber nicht automatisch alles zum Besseren wenden. Dazu benötige es auch die Konsumenten. "Mit jedem Klick, mit jeder Suchanfrage, wird Google besser."
DuckDuckGo-Chef Weinberg hofft darauf, dass der Wettbewerb fairer wird. Ein Interesse an mehr Privatsphäre nimmt er bereits wahr. Und so gab es auch schon die ein oder anderen Übernahmegerüchte an seiner Suchmaschine. Die möchte er nicht kommentieren. Nur so viel: "An Google werden wir auf jeden Fall nicht verkaufen."