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Politik

Wirbel um Triage-Äußerungen aus Sachsen

16. Dezember 2020

Ein Klinikdirektor aus Zittau schafft es in die überregionalen Schlagzeilen - mit einem Corona-Mahnruf. Die Zahl der COVID-19-Toten ist so hoch wie noch nie.

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Rettungshubschrauber vor dem Klinikum Oberlausitzer Bergland in Zittau
Alarmstufe rot: Klinikum Oberlausitzer Bergland im ostdeutschen ZittauBild: Daniel Schäfer/picture-alliance/dpa

Äußerungen eines Chefarztes aus Zittau zur angewandten Triage sorgen bundesweit für Aufsehen. Der Ärztliche Direktor des Klinikums Oberlausitzer Bergland, Mathias Mengel, hatte laut Berichten am Dienstagabend in einem Online-Bürgerforum berichtet, in seinem Krankenhaus habe man schon mehrfach vor der Entscheidung gestanden, welcher Corona-Patient Zugang zu den begrenzt vorhandenen Sauerstoffgeräten erhalte und wer nicht.

Wie die "Sächsische Zeitung" unter Berufung auf Teilnehmer schreibt, erläuterte Mengel auf Nachfrage, es sei vielfach um die Entscheidung gegangen, welcher Patient für eine Verlegung infrage komme und eine Chance habe, einen Transport zu überstehen. "Es ist eine einsame Entscheidung, und am Ende steht man allein damit da", sagte Mengel dem Internetportal "T-Online".

Ärztin auf einer Intensivstation für COVID-19-Patienten
Ärztin auf einer Intensivstation für COVID-19-Patienten (Archivbild)Bild: Bodo Schackow/picture-alliance/dpa

Der Krankenhausträger im Landkreis Görlitz bestätigte inzwischen, dass die Lage kritisch ist: Die Intensivmedizin im Klinikum Oberlausitzer Bergland stoße "an die Grenzen des Leistbaren". Die Kapazität zweier eigens eingerichteter COVID-19-Stationen von insgesamt 100 Betten in Zittau und Ebersbach könne nicht ausgeschöpft werden, da Personal fehle.

"Das ist ein Hilferuf"

Nachdem die Aussagen des Arztes großes Medienecho hervorgerufen hatten, äußerte sich auch Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer. "Die Wortmeldung aus Zittau ist ein Hilferuf", sagte der CDU-Politiker. Zugleich verwies er auf die "geltenden ethischen und medizinrechtlichen Standards", die überall in Sachsen beachtet würden. Es gebe keine davon abweichenden COVID-19-Regeln. Gesundheitsministerin Petra Köpping sprach von einem "Weckruf". Die Verantwortlichen wollten zeigen: "Wir wissen bald nicht mehr, wie wir die Patienten versorgen sollen", erklärte die SPD-Politikerin am Rande einer Landtagsdebatte.

Michael Kretschmer
"Keine abweichenden COVID-19-Regeln": Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (Archivbild)Bild: John MacDougall/AFP via Getty Images

Ostsachsen zählt zu den Corona-Hotspots in Deutschland. Nach Angaben der zuständigen Krankenhausleitstelle mussten in den vergangenen Tagen "verstärkt" Patienten aus den Landkreisen Bautzen und Görlitz in entferntere Kliniken verlegt werden. Noch habe es sich um Einzelfälle gehandelt. Man gehe aber von einer Zunahme in den kommenden Tagen aus, sagte der Chef der Leitstelle, Christian Kleber.

Entscheidung über Leben und Tod

Der Begriff "Triage" stammt aus dem Französischen und bedeutet "Auswahl". In der Medizin bezeichnet er den Fall, dass Ärzte aufgrund knapper Ressourcen entscheiden müssen, welchen Patienten geholfen wird und welche zurückstehen müssten - mitunter eine Entscheidung über Leben und Tod. Auch für die Ärzte und Pfleger ist die ethisch schwierige Situation mit größten Belastungen verbunden.

Angela Merkel
Regierung fährt bei Impfstrategie auf Sicht: Bundeskanzlerin Merkel im BundestagBild: Markus Schreiber/picture-alliance/AP Photo

Die Zahl der Corona-Todesfälle erreichte in Deutschland einen neuen Rekordwert. Das Robert Koch-Institut (RKI) meldete 952 Tote binnen 24 Stunden und 27.728 Neuinfektionen. Mit Wirkung ab diesem Mittwoch hatten Bund und Länder den bisherigen Teil-Lockdown weiter verschärft, um die Zahl der Ansteckungen zu verringern. So mussten etwa Einzelhändler bis auf Geschäfte des täglichen Bedarfs schließen - zunächst bis zum 10. Januar. Auch Schulen und Kitas sollen nach Möglichkeit nicht öffnen. In einigen Bundesländern gelten Ausgangsbeschränkungen.

"Ab Sommer Rückkehr zur Normalität"

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn geht davon aus, dass auch bei rascher Zulassung eines Impfstoffs die Abstands- und Hygieneregeln noch längere Zeit den Alltag bestimmen werden. Er sei aber optimistisch, dass es ab dem Sommer Zug um Zug eine Rückkehr zur Normalität geben könne", sagte der CDU-Politiker den Sendern RTL und n-tv. Die europäische Arzneimittelbehörde EMA wird voraussichtlich am Montag über die Zulassung eines Impfstoffs der Unternehmen BioNTech und Pfizer entscheiden.

Bundeskanzlerin Angela Merkel stellte in Aussicht, dass bei den geplanten Impfungen kurzfristig nachgesteuert werde. Das Vorgehen hänge auch davon ab, was die Zulassungsbehörden zur Eignung der Vakzine für verschiedene Gruppen, etwa Kinder, feststellten, sagte Merkel im Bundestag. Bei sechs Herstellern seien Präparate bestellt worden. Besonders gefährdete Menschen sollen Vorrang haben. Mittelfristiges Ziel sei eine "Herdenimmunität", wofür laut Experten 65 bis 70 Prozent der Bevölkerung geimpft werden müssten. Eine Impfpflicht sei jedoch nicht geplant, bekräftigte die Kanzlerin erneut.

jj/ml (dpa, afp, rtr, epd)