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Wird Instagram zur Gefahr für Amazon?

Dina Slanjankic
9. Juni 2019

In der Foto-App was Schönes entdecken und gleich kaufen? Ging bislang nicht. Jetzt aber könnte das neue "Checkout"-Feature der Social-Media-Plattform Instagram den bisherigen E-Commerce-Markt umkrempeln.

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Symbolbild: Instagram
Bild: Reuters/D. Ruvic

Onlineshopping ist in: Viele Menschen nutzen lieber Laptop oder Smartphone, um einzukaufen, als den Laden in der Stadt. Einkaufsstraßen werden leerer und vor allem Onlineversandhändler wie Amazon sind beliebte Quellen fürs Shopping. Alles, was das Herz begehrt, ist nur ein paar Klicks entfernt, direkt über die Plattformen erhältlich und manchmal schon am selben Tag geliefert. Doch jetzt könnten Amazon, Zalando und Co Konkurrenz bekommen, die das Einkaufsverhalten der Kunden drastisch verändern könnte.

Nach E-Commerce nun Social Commerce?

Die als Foto-Plattform groß gewordene App Instagram hat Anfang März ein neues Feature unter dem Namen Checkout on Instagram vorgestellt. Der Online-Kauf von in Fotos abgebildeten Artikeln ist nun über einen Klick direkt in der App möglich. Farbauswahl, Größe und Bestellstatus inklusive. Instagram wird zur E-Commerce-Plattform, nur eben jetzt mehr aktiv als passiv.

Doch wie gefährlich kann das für jetzigen Onlineriesen wie Amazon und Co werden und was könnte das neue Feature am bisherigen E-Commerce ändern?

Zurzeit befindet sich die Innovation noch in einer Probephase in den USA. Doch wenn man anschaut, wer da schon alles mitmacht – zum Beispiel Adidas, Nike, Dior, H&M, Zara – dann wird schnell klar, dass sich das Konzept bei erfolgreicher Probezeit auch auf dem internationalen Markt ausgerollt werden dürfte. 23 Marken und eine Handvoll Influencer haben derzeit Zugriff auf das neue Feature.

Zwar konnte man schon vorher bestimmte Artikel in Fotos markieren, doch der Interessent wurde dann direkt zur Onlinewebsite des Verkäufers umgeleitet und musste sich dem gleichen, manchmal nervenden, Bestellprozess unterziehen wie im üblichen Onlineshop. Dies fällt durch Checkout nun weg und könnte Instagrams "Ass im Ärmel" gegen andere Onlinehändler sein.

"Eine Konkurrenz ist Instagram auf alle Fälle" sagt Georg Rainer Hofmann. Er ist Direktor des Information Management Instituts in Aschaffenburg und Sprecher der Kompetenzgruppe "E-Commerce" des eco-Verbandes der Internetwirtschaft. Ob es jedoch eine wirkliche Bedrohung sei, bliebe unklar.

Neues Beauty-Produkt: Auf Instagram entdeckt, auf Instagram gekauft
Neues Beauty-Produkt: Auf Instagram entdeckt, auf Instagram gekauftBild: Instagram

Hohes Potenzial im E-Commerce

Durch seine insgesamt 500 Millionen aktiven Nutzer und den 300 Millionen davon, die täglich auf Instagram vorbeischauen, hat die Plattform eine enorme Reichweite. Amazon hat im Gegensatz dazu nur 300 Millionen User-Accounts. Der psychologische Vorteil ist hierbei, dass die Kunden beim Besuch auf Amazon bewusst etwas kaufen wollen, während sich der Prozess auf Instgram passiv entwickelt. Man selber verspürt also eine ungezwungene Atmosphäre. "Dieser Kauf ist spontan und situativ möglich, ein wesentlicher Kaufanreiz ist die Möglichkeit der unmittelbaren Aneignung der Ware", erklärt Hofmann.

Auch der Marketingexperte Björn Tantau sieht hohes Potenzial beim Shopping auf Instagram: "Viele User sind dort, um sich schöne Dinge anzusehen und insgesamt hat Instagram eher den Ruf eines Hochglanzmagazins. Digitales Shopping jeglicher Art passt in dieses Umfeld."

Dies wird vermutlich auch einer der wichtigsten Beweggründe für Instagram gewesen sein. Denn wer kennt das nicht? Man sieht beim Surfen im Netz etwas, das einem gefällt und wird dann von einer Webseite zur nächsten geleitet, muss immer wieder seine Daten, um sich nach einer Viertelstunde schließlich doch gegen das Produkt zu entscheiden.

Schneller, einfacher, und vor allem: weniger Zeit sich, um zu entscheiden. Das ist die Devise. Instagram verkürzt den Weg zum Kauf mit einer einmaligen Dateneingabe und der In-App-Shopping-Option. "Die Rationalität der Kaufentscheidung wird durch Wahrnehmungsverzerrungen der unmittelbaren Verfügbarkeit modifiziert", sagt der Wirtschaftswissenschaftler Hofmann. Vom Interessenten zum Käufer in nur wenigen Sekunden.

"Wenn eine Ware in einem Medium in einem positiven Kontext gezeigt wird und sofort gekauft werden kann, dann dürfte das einen wesentlichen kommerziellen Vorteil darstellen", behauptet Hofmann.

Influencer und Startups profitieren

Ein weiterer Vorteil, der sich in der Vergangenheit schon als profitabel bewährt hat, ist die Zusammenarbeit mit sogenannten Influencern. Social Commerce ist schon lange keine Neuheit mehr im Marketing. Laut einer Studie der Unternehmensberater von PwC aus dem Jahr 2018 kaufte ein Drittel der Befragten schon mal etwas, das von Influencern empfohlen wurde. Die Reichweite und Werbebereitschaft der Instagram-Stars könnte der größte Unterschied im Gegensatz zu den traditionellen Onlinehändlern sein. Die Facebook-Tochter Instagram ist in dieser Werbeform Vorreiter. "Wie so oft muss da sicher erst eine Phase der Beobachtung erfolgen, bevor dann auch deutsche Unternehmen voll in das Thema einsteigen", meint Björn Tantau.

Auch Startups bietet sich die Möglichkeit, ihre Unternehmen ohne getrennte Website aufzubauen und zu vermarkten. wobei das für Georg Rainer Hofmann eine "zweischneidige Angelegenheit" für die Unternehmen ist. "Dem direkten und schnellen Marktzugang steht die finanzielle Belastung durch die Margen der Plattform gegenüber." Björn Tantau sieht das eher positiv: "Durch die neuen Verkaufsmöglichkeiten mit Checkout qualifiziert sich Instagram definitiv als Unterstützer dieser Startups und kleinen Anbieter."

Daten bleiben bei Instagram

Dennoch: Wer sich auf fremdem Territorium befindet, muss schließlich auch nach dessen Regeln spielen. "Die Kundenbindung geht verloren", befürchtet Tantau. Alles läuft über Instagram und der Konzern ist nicht dazu verpflichtet, mehr als die notwendigsten Kundendaten an die Anbieter weiterzugeben. In der heutigen Zeit, wo Daten schon als Währung gelten, ist dies ein Nachteil für die Marken.

"Zunächst wird Instagram meiner Ansicht nach als Ergänzung fungieren, es ist aber durchaus damit zu rechnen, dass die User irgendwann die nativen Online-Shops links liegen lassen", sagt der Marketingexperte. Denn Käufer sind in erster Linie User von Instagram und nicht die Kunden von Nike und Co. Die Plattform selbst hingegen kann auf dieser Grundlage die angezeigten Beiträge optimieren und somit weiteren Umsatz fördern. Schon jetzt klicken 130 Millionen Nutzer jeden Monat auf die Shopping-Ads bei Instagram und durch Checkout kann die Plattform durch Verkaufsgebühren, die die Händler an diese zahlen müssen, davon profitieren.

Instagram hat also seinen Einfluss auf den E-Handel erkannt und möchte nun endlich auch finanziell ein Stück vom Kuchen abhaben. Die einst reine Foto-Plattform fokussiert sich immer mehr auf das Onlinemarketing und wird das Einkaufserlebnis in Zukunft aktiv beeinflussen. Ganz auf traditionelle Inhalte wird Instagram jedoch nicht verzichten können. "Wenn sich Instagram zum reinen Werbekanal entwickelt, werden die User das abstrafen", da ist sich Björn Tantau ziemlich sicher. Klar ist jedoch, mit Checkout wird schon bald ein neuer ernstzunehmender Mitstreiter im E-Commerce mitmischen. "Es wird eine Komponente 'Instagram' der Plattformökonomie entstehen, die ein Player im zunehmend oligopolistischen Onlinehandel-Markt sein wird", sagt Hofmann.