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Wirecard: Aktie als Zockerpapier?

4. Februar 2019

Die Geschichte von Wirecard und einem Milliardenverlust an den Börsen könnte ein Lehrstück darüber sein, wie man Aktienkurse rauf oder runter schiebt und daran verdient. Es könnte sich aber auch um Betrug handeln.

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Wirecard Logo
Bild: picture-alliance/NurPhoto/A. Pohl

Erst seit dem Herbst im wichtigsten deutschen Börsenindex, dem DAX vertreten, und dann am vergangenen Freitag ein Kursabsturz von fast 40 Prozent - das Wort Achterbahnfahrt wirkt da noch verharmlosend. Binnen Minuten war Wirecard Ende vergangener Woche rund fünf Milliarden Euro weniger wert. Am heutigen Montag bezog der Konzern nun mehrfach selbst Stellung.

Das scheint für ein Unternehmen, das sein Geld als Dienstleister für den Zahlungsverkehr im Internet verdient, auch dringend angeraten. In dem Metier ist Vertrauen die Geschäftsgrundlage. Die "Financial Times" hatte in der vergangenen Woche zweimal über Wirecard berichtet. Dem Bericht zufolge konnten Journalisten der Zeitung Dokumente von Anwälten einsehen, die Wirecard selbst beauftragt hatte. Die Juristen fanden demnach Belege für "schwere Vergehen" wie Urkundenfälschung.

Im Zentrum: Singapur

Es gebe Grund zu der Annahme, dass diese Fälschungen andere Taten verdecken sollten, etwa Betrug, Untreue, Korruption oder Geldwäsche. Das Unternehmen habe gegen mehrere Gesetze Singapurs verstoßen. Die Berichte riefen die Polizei in Singapur auf den Plan. Die Behörde prüfe die Angelegenheit, teilte ein Polizeisprecher mit. Wirecard selbst wies die Vorwürfe ein ersten Mal bereits am Freitag zurück. Die Behauptungen seien "irreführend und diffamierend", hatte eine Konzernsprecherin erklärt.

Wirecard Zentrale vor Abendhimmel
Wirecard-Zentrale in Aschheim bei München Bild: picture-alliance/SvenSimon

Am Montag bezog Firmenchef Markus Braun erneut Stellung. "Wir haben alles aufgearbeitet. Es gibt keinerlei Risiko", sagte er dem deutschen "Handelsblatt". "Wir mussten in der Buchhaltung keinerlei Korrekturen oder Anpassungen vornehmen." Eine Anwaltskanzlei, die von Wirecard mit der Überprüfung der Berichte beauftragt worden sei, habe kein Fehlverhalten entdeckt, hieß es am Montag weiter von Seiten des Unternehmens.

Möglichen Unregelmäßigkeiten bei seinen Geschäften in Singapur geht Wirecard nach eigenen Angaben bereits seit Mai 2018 nach. Seitdem gebe es eine interne Untersuchung, sie stehe nun kurz vor dem Abschluss, teilte Wirecard in Aschheim bei München mit. Auch die interne Compliance-Abteilung des Unternehmens habe kein strafbares Fehlverhalten von Führungskräften oder Mitarbeitern des Unternehmens gefunden. Im Laufe des Tages will Braun sich bei einer Telefonkonferenz erneut äußern.

Es gebe Anzeichen, dass die Berichte auf persönliche Animositäten zwischen Beschäftigten im eigenen Haus zurückgingen, hieß es in der Mitteillung von Wirecard weiter. Die mit der Untersuchung beauftragte Anwaltskanzlei Rajah & Tann habe jedenfalls bisher keine Belege für ein strafrechtlich relevantes Fehlverhalten eines Wirecard-Mitarbeiters gefunden, so das Unternehmen am Montag. Die externe Prüfung stehe kurz vor dem Abschluss.

Auch die BaFin prüft

Die Affäre ausgelöst hatte nach Darstellung von Wirecard ein Mitarbeiter in Singapur. Der habe im April 2018 gegenüber der Rechtsabteilung Bedenken wegen eines möglichen Verstoßes eines Kollegen aus der Finanzabteilung gegen die Regeln zur guten Unternehmensführung (Compliance) bei der Bilanzierung geäußert. Die "Financial Times" hatte von unkorrekten Buchungen und mutmaßlichen Fälschungen von Dokumenten geschrieben. Dabei ging es laut Wirecard um Umsätze von knapp sieben Millionen Euro - über einen Zeitraum von mehr als drei Jahren.

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Wirecard: zum Börsenerfolg als Zahlungsabwickler im Internethandel Bild: picture-alliance/dpa/J.-P. Kasper

Die Aktien von Wirecard zogen nach der Stellungnahme am Montag in Frankfurt um 16 Prozent an, blieben aber unter den Werten vor den Zeitungsberichten. Es ist nicht das erste Mal, dass es zu heftigen Kursbewegungen bei dem Finanzdienstleister kommt.  Die deutsche Finanzaufsicht Bafin hatte schon letzte Woche erklärt, sie prüfe, ob es sich bei der Angelegenheit um mögliche Marktmanipulation handele.

Medien berichteten, dass sogenannte Shortseller bereits des Öfteren bei Wirecard zugegriffen hätten. Dabei handelt es sich um Aktienhändler, die auf kurzfristige Kursbewegungen bei einem Titel wetten, um damit zu verdienen. Medienberichten zufolge hat jetzt allein der Londoner Hedgefonds Odey Asset Management mit Wetten auf Wirecard 18 Millionen Dollar verdient.

Deutsche Bank überholt

Bei einem größeren Vorstoß dieser Art vor drei Jahren - auch damals berichtete die "Financial Times" - hatte ein weitgehend unbekanntes Analysehaus namens Zatarra schwere Vorwürfe gegen Wirecard lanciert. Damals verlor Wirecard ein Viertel seines Werts. Seinerzeit ermittelte die Staatsanwaltschaft gegen Zatarra. Das Verfahren läuft noch.

Wirecard hatte im vergangenen Herbst Schlagzeilen gemacht, als das Unternehmen die Commerzbank aus dem Dax verdrängte. Zu diesem Zeitpunkt war die Firma mehr als 23 Milliarden Euro wert und überrundete damit sogar die Deutsche Bank. Wirecard war 1999 auf dem Höhepunkt der Internetblase gegründet worden und konzentrierte sich schnell auf den Zahlungsverkehr im Internet. Zu den ersten Kunden gehörten vor allem Kasinos und Porno-Seiten, weil sie den Onlinehandel damals schon nutzten. Seitdem kamen aber viele Kunden aus anderen Branchen hinzu - Aldi und TUI etwa, Lufthansa oder O2.

ar/hb (rtr, afp, dpa –Archiv)