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Commerzbank muss den DAX verlassen

Brigitte Scholtes
5. September 2018

Die Commerzbank steigt aus der ersten Börsenliga ab. Das Gründungsmitglied des Deutschen Aktienindex DAX wird seinen Platz für ein Fintech-Unternehmen räumen - für den Zahlungsabwickler Wirecard.

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Deutschland Wirtschaft Banken Gebäude von Commerzbank in Frankfurt am Main
Bild: picture-alliance/dpa

Der Abstieg ist für die Commerzbank bitter - ausgerechnet im 30. Jahr des Bestehens des DAX. Doch viermal im Jahr wird geprüft, wer zum Kreis der 30 größten dort gelisteten deutschen Konzerne gehört. Das wird bemessen nach Börsenwert und Handelsumsatz. Und da ist die Commerzbank gemessen am Börsenwert aktuell nur noch knapp 10,3 Milliarden Euro wert, der wesentlich kleinere Zahlungsanbieter Wirecard kommt auf gut 24 Milliarden Euro und hat in den vergangenen Wochen sogar die Deutsche Bank überholt. Die Banken in Deutschland, eben auch die Commerzbank, haben in Folge der Finanzkrise heftige Kursverluste erlitten.

"Das zeigt, in welchem Maß sie hinter andere Industrieunternehmen in Deutschland und Europa zurückgefallen sind", meint Klaus Nieding, Vizepräsident der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW). Die Bedeutung der deutschen "Großbanken" sei im internationalen Umfeld gesunken - die Commerzbank hat aber ohnehin in den vergangenen Jahren ihren internationalen Ansatz stark zurückgefahren.

Verdrängt Wirecard die Commerzbank?

"Schön finde ich das nicht", ist die lakonische Reaktion des Commerzbank-Chefs Martin Zielke auf den angekündigten Abstieg. Dennoch werde sich am Geschäft der Bank für die Kunden nichts ändern. Man bleibe die führende Mittelstandsbank in Deutschland. Er kann in seiner Rolle wohl nicht anders reagieren, doch klar ist: Wer aus dem DAX fliegt, der genießt nicht mehr die volle Aufmerksamkeit der Investoren: "Man steht nicht mehr im Premium-Schaufenster, sondern nur noch in der zweiten Reihe", sagt Nieding. Und klar ist auch: Die Investmentfonds, die den Index abbilden, müssen die Commerzbank-Aktien verkaufen. Das wird den Kurs zunächst weiter unter Druck setzen.

Was macht Wirecard?

Umgekehrt genießt der Zahlungsabwickler Wirecard nun die noch größere Aufmerksamkeit der Investoren, obwohl er weitaus kleiner ist - und sehr hoch bewertet wird. Zum Vergleich: Die Commerzbank wird gemessen am operativen Ergebnis 2017 mit dem achtfachen Börsenwert eingeschätzt, Wirecard kommt da auf den Faktor 75. Der Zahlungsabwickler hat sich seit seinen Anfängen - da waren Glückspiel- und Pornoindustrie noch die wesentlichen Kunden - inzwischen etabliert. Digitale Zahlvorgänge im Internet gehören nicht mehr in die Schmuddelecke, sondern sind eine Selbstverständlichkeit - auch an der Ladentheke. Fast 200.000 Unternehmen zählt der Münchner Anbieter zu seinen Kunden, darunter auch die Commerzbank. Dabei bleiben von jedem Euro, den das Unternehmen an Umsatz macht, 27 Cent als operativer Gewinn übrig. Und Wirecard-Gründer Markus Braun will diese Marge noch steigern, weil das digitale Bezahlen erst am Anfang stehe.

Der Aufstieg solcher Finanztechnologieunternehmen macht das Leben für die traditionellen Banken wie die Commerzbank schwer. Denn die haben zwar inzwischen auch erkannt, welche Bedeutung die Digitalisierung hat. Commerzbank-Chef Zielke setzt darauf, will bis 2020 vier Fünftel der Geschäftsprozesse digitalisieren. Doch gerade die "gelbe Bank" hatte in den letzten Jahren viel mit der Aufarbeitung der strategischen Fehler der Vergangenheit zu tun. Deren schwerwiegendster war wohl die Übernahme der Dresdner Bank Ende August 2008. Zwei Wochen später kam es dann zur Insolvenz der amerikanischen Investmentbank Lehman Brothers, und die Finanzkrise erreichte ihren Höhepunkt.

Die Commerzbank konnte nur durch den Einstieg des Staates gerettet werden - der ist immer noch mit mehr als 15 Prozent beteiligt. Seither wird umgebaut, sind Tausende Mitarbeiter entlassen worden. Bis 2020 will die Bank die Zahl der Vollzeitstellen um 7300 auf 36.000 verringern. Ende des ersten Halbjahres 2018 waren es noch 41.300. Der Abbau kostet Geld und drückt auf den Ertrag. Im zweiten Quartal 2017 führte der Stellenabbau zu einem Verlust von 640 Millionen Euro. Ein Jahr später konnte die Bank immerhin wieder einen Gewinn nach Steuern von 272 Millionen Euro erwirtschaften. Kostenintensiv ist aber auch das Werben um Privatkunden: Die Bank setzt darauf, dass sich das in einigen Jahren auch in höheren Erträgen niederschlagen wird. Diesen Beweis ist das Bankhaus bisher schuldig geblieben.