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Sorgen um Produktion in Mexiko: Sind Investitionen sicher?

Tobias Käufer
30. September 2024

Für Mexikos neue Präsidentin Claudia Sheinbaum gibt es viele Herausforderungen. Im US-Wahlkampf droht ihr Land zwischen die Fronten zu geraten.

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Präsidentin Claudia Sheinbaum winkt mit erhobener Hand
Präsidentin Claudia Sheinbaum bei der Zertifizierung ihres Wahlsieges am 15. August 2024 in Mexiko CityBild: Fernando Llano/AP Photo/picture alliance

Geht es nach dem republikanischen Präsidentschaftskandidaten Donald Trump, dann sollten die Unternehmen, die in Mexiko für den amerikanischen Markt produzieren, ihren Standort sofort in die USA verlegen.

Wenn die Chinesen ihre Autos in den USA verkaufen wollten, sollten sie diese auch in den USA produzieren. Ansonsten, so drohte Trump auf dem Nominierungsparteitag seiner Republikaner, würde er die Fahrzeuge mit Zöllen so teuer machen, dass sie unbezahlbar würden. Auch die deutsche Autoindustrie, die zum Teil in Mexiko produziert, ist ein Ziel dieser Drohung.

Die Debatte zeigt: Mexiko droht, wie so oft, zum Spielball der US-amerikanischen Innenpolitik zu werden.

Warten auf den 5. November

Zwar tritt mit Claudia Sheinbaum (62) an diesem Dienstag (1.10.2024) erstmals eine Frau das Präsidentenamt in Mexiko an, doch so richtig beginnt ihre Präsidentschaft wohl nach der US-Wahl vom 5. November. Erst dann ist klar, wer in den USA gewonnen hat und damit in den nächsten vier Jahren Ansprechpartner oder Ansprechpartnerin Nummer eins in Washington wird.

Ob Kamala Harris oder Donald Trump im Weißen Haus das Sagen haben wird, dürfte auch entscheidend sein für das Nachbarschaftsklima. Linkspolitikerin Sheinbaum erbt von ihrem Vorgänger, Mentor und Parteifreund Andres Manuel Lopez Obrador, eine Volkswirtschaft, die vor einigen ungewissen Entwicklungen steht.

Wachstum und Justizreform

Die mexikanische Wirtschaft wuchs im vergangenen Jahr laut Weltbank um 3,2 Prozent. Damit legte Mexiko im zweiten Jahr in Folge ein Wirtschaftswachstum von über drei Prozent hin. Laut offiziellen Angaben sank die Armutsquote von 43,9 Prozent (2020) auf 36,3 Prozent (2022): Rund 8,8 Millionen Mexikaner schafften demnach den Sprung aus der Armut.

Für Aufregung sorgte in den letzten Wochen eine Justizreform. Sie wurde trotz zahlreicher Proteste in Rekordzeit durch die Institutionen gepeitscht und löste bei Handelspartnern in den USA und Kanada Besorgnis aus.

Die Reform sieht vor, dass künftig alle Bundesrichter direkt gewählt werden. Kritiker befürchten, dass dadurch die organisierte Kriminalität, die in Mexiko großen Einfluss hat, mehr Einfluss auf die Justiz erhalten könnte.

Mexiko, Guerrero | Tatort: Bürgermeister-Kandidat Alfredo Cabrera ermordet
Die Polizei sichert den Tatort in Las Lomas, Coyuca de Benitez im Bundesstaat Guerrero. Am 29. Mai 2024 wurde hier Afredo Cabrera ermordet, der sich als Kandidat der Opposition für das Amt des Bürgermeisters bewarbBild: Francisco Robles/AFP/Getty Images

US-Botschafter Ken Salazar sagte vor wenigen Wochen, diese Reform bedrohe die aufgebauten Beziehungen, "die vom Vertrauen der Investoren in den mexikanischen Rechtsrahmen abhängen".

Trotzdem setzte Lopez Obrador die Reform, die er eine "Demokratisierung des Rechtssystems" nennt, auf den letzten Metern seiner Amtszeit durch.

Rechtsstaatlichkeit und Investitionen

Bereits jetzt warnen Menschenrechtsorganisationen oder die Kirche davor, dass Wahlen in Mexiko von der organisierten Kriminalität unterwandert sein könnten. Die hohe Zahl an ermordeten Kandidatinnen und Kandidaten bei Wahlkämpfen sind ein klares Indiz dafür.

Mindestens 22 Lokalpolitiker wurden seit September 2023 in Mexiko ermordet, so offizielle Regierungsangaben vom Mai dieses Jahres. Einige Nicht-Regierungsorganisationen wie Data Civica kommen auf noch höhere Zahlen.

Diese Art der politischen Gewalt, so die Befürchtung, könnte sich auch auf Wahlkämpfe im Justizwesen ausbreiten.

"Für die Wirtschaft ist Rechtsstaatlichkeit ein wichtiges Kriterium, um im Ausland tätig zu sein, Werke zu errichten und zu betreiben. Und für die Rechtsstaatlichkeit wiederum sind unabhängige Richter eine Grundvoraussetzung", sagt Hartmut Rank, Leiter des Lateinamerika-Rechtsstaatsprogramms der Konrad-Adenauer-Stiftung in der kolumbianischen Hauptstadt Bogota, im Gespräch mit der DW.

"Wenn die Reform wie geplant umgesetzt wird, werden Gerichte in Mexiko weniger unabhängig sein, was Unternehmer bewegen könnte, nach alternativen Standorten Ausschau zu halten", so Rank.

Hartmut Rank Porträtfoto im Grünen
Unternehmen könnten abwandern, sagt Hartmut Rank von der Konrad-Adenauer-StiftungBild: Privat

Auch an den Finanzmärkten herrscht Skepsis: Nach den Wahlen hat die mexikanische Währung gegenüber dem US-Dollar 13 Prozent an Wert verloren.

Den Sorgen der ausländischen Unternehmen hält die künftige Regierung eine optimistische Prognose entgegen. Wie das Portal "El Economista" berichtete, rechnet die Sheinbaum-Regierung mit einem Anstieg der ausländischen Direktinvestitionen um drei bis vier Milliarden Dollar pro Jahr. Bis zum Ende der sechsjährigen Amtszeit 2030 würde das einen ausländischen Investitionszufluss von bis zu 24 Milliarden US-Dollar bedeuten. 

Deutsche Unternehmen warten ab

Auch unter den deutschen Unternehmen, die in Mexiko zahlreich vertreten sind, ist die Justizreform ein Thema. "Wir müssen aber abwarten, wie die Reform in der Praxis umgesetzt wird, alles andere ist Spekulation", sagt Johannes Hauser, Geschäftsführer der Auslandshandelskammer (AHK) Mexiko auf Anfrage der DW.

Mexiko, Puebla | Arbeiter im VW-Werk bei der Montage eines PKW
In seinen zwei mexikanischen Werken (hier in Puebla) beschäftigt der deutsche Autobauer Volkswagen 13.000 MenschenBild: Pedro Pardo/AFP/Getty Images

"Unsere Mitgliedsunternehmen analysieren aktuell die Szenarien. Es ist klar, dass die Justizreform die Unabhängigkeit der Gerichte beschneiden könnte. Weil eine Wiederwahl der Richter vorgesehen ist, wird es vermutlich schwerer, Einzelinteressen gegenüber Gruppeninteressen durchzusetzen, das dürfte für Personen ebenso gelten wie für Unternehmen", so Hauser.

Hauser spielt damit auf die Befürchtung an, dass Richter in Zukunft ähnlich denken könnten wie Politiker. Sie würden dann vielleicht bei ihren Urteilen berücksichtigen, welche Auswirkungen diese auf ihre Chance auf Wiederwahl haben.

Was passiert bei einem Wahlsieg von Trump?

Für deutsche Autobauer ist Mexiko ist nach Angaben des Verbands der Automobilindustrie (VDA) hinter den USA und vor Brasilien und Argentinien der wichtigste Produktionsstandort in Amerika. Entsprechend aufmerksam wurden in den Konzernzentralen die jüngsten Äußerungen von Donald Trump zu den Produktionsstandorten zur Kenntnis genommen.

Ein VDA-Sprecher verweist auf Anfrage der DW auf die gültige Rechtslage: "Die USA haben mit Mexiko und Kanada das USMCA-Handelsabkommen vereinbart. Die Erhebung von höheren US-Einfuhrzöllen für Fahrzeuge aus Mexiko würde einen Bruch dieses Abkommens bedeuten, der insbesondere den US-Unternehmen schaden würde. Denn sie sind es, die viele Vorteile aufgrund des nordamerikanischen Produktionsverbunds genießen."