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Stimmung gut wie lange nicht

24. Juni 2021

Die deutsche Wirtschaft schüttelt laut Ifo-Institut "die Coronakrise ab". Die Stimmung habe sich im Juni deutlich verbessert. Die Unternehmen würden die Geschäftslage erheblich besser bewerten.

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Deutschland Konjuktur Turbinenfertigung Windkraftanlagen
Bild: picture-alliance/dpa/B. Wüstneck

Der Ifo-Index für das Geschäftsklima in Deutschland stieg um 2,6 Punkte auf 101,8 Punkte, wie das Münchner Ifo-Institut am Donnerstag bekanntgab. Dies ist der höchste Stand seit November 2018. Analysten hatten mit einem schwächeren Zuwachs auf 100,7 Punkte gerechnet. 

Sowohl die Geschäftserwartungen der befragten Unternehmen als auch die Lagebeurteilung hellten sich deutlich auf. "Die deutsche Wirtschaft schüttelt die Coronakrise ab”, kommentierte Ifo-Präsident Clemens Fuest.

Die Manager beurteilten ihre Lage besser als zuletzt und auch die Geschäftsaussichten für die kommenden sechs Monate. Auch das Institut IHS Markit hatte bei seiner Firmenumfrage zuletzt kräftige Wachstumssignale festgestellt.

Das ersehnte "Licht am Ende des Tunnels”

Insgesamt sieht das Ifo-Institut die deutsche Konjunktur im Aufwind und rechnet im zu Ende gehenden zweiten Quartal mit einem Wachstum von 1,3 Prozent, das im Sommer mit 3,6 Prozent noch deutlicher ausfallen soll.

Zu Jahresbeginn war das BIP wegen des Corona-bedingten Konsumeinbruchs um 1,8 Prozent geschrumpft. Das Ifo-Institut geht davon aus, dass das BIP in diesem Jahr um 3,3 Prozent und 2022 um 4,3 Prozent wachsen wird.

"Die deutsche Wirtschaft nimmt weiter Tempo auf", sagte der Experte. "Wichtiger Treiber sind die Öffnungen nach dem Lockdown, die viele Dienstleister und den Handel beflügelt haben."

So verbesserte sich die Geschäftslage der Einzelhändler im Juni so stark wie noch nie seit der Wiedervereinigung. Auch das von Corona schwer gebeutelte Gastgewerbe sieht Licht am Ende des Tunnels. "Die Lage ist zwar noch schlecht, aber der Optimismus bei Hotels und Gaststätten steigt", sagte Wohlrabe.

Interview Clemens Fuest, Ifo-Institut München

Die Preise werden steigen

Allerdings machen der deutschen Industrie deutlich gestiegene Kosten zu schaffen. Alle Bereiche der Branche befänden sich zwar im Aufwind, sagte Ifo-Experte Klaus Wohlrabe. "Wermutstropfen bleiben aber die stark gestiegenen Einkaufskosten." Diese seien zum Teil auf Engpässe bei wichtigen Vorprodukten zurückzuführen, die ein großes Problem blieben. "Sehr viele Unternehmen wollen wegen der gestiegenen Kosten ihrerseits die Preise erhöhen", sagte Wohlrabe. Die Exporterwartungen seien weiter gestiegen, auch die Binnennachfrage sei gut.

Ein Sack voll Geld von der Deutschen Bundesbank
Wenn die Wirtschaft wieder brummt, werden auch die Preise steigen, warnt das Ifo-InstitutBild: picture-alliance/chromorange

Animierte Börsen

Die gute Stimmung unter den deutschen Firmenchefs hat die Börsianer am Donnerstag angesteckt. "Um die deutsche Konjunktur ist es derzeit exzellent bestellt", fasste Thomas Gitzel, Chefvolkswirt der VP Bank zusammen. Selbst die Materialknappheit scheine die deutsche Industrie nicht sonderlich zu beeinträchtigen, wenn auch die Pandemie und insbesondere die Virus-Mutationen immer noch Sorgen bereiteten. Der Dax legte am Donnerstagvormittag 0,7 Prozent auf 15.567 Punkte zu, der EuroStoxx50 gewann 0,9 Prozent auf 4111 Zähler.

"Vereinzelte Sorgenfalten”

Die Chefvolkswirtin der KfW, Fritzi Köhler-Geib, weist darauf hin, dass sich die hoffnungsfrohen Ifo-Zahlen bereits deutlich zeigen: "Schon beim Blick auf das Straßenbild wird klar, dass sich die Umsätze in den meisten pandemie-betroffenen Dienstleistungsbranchen deutlich erhöht haben. Dank der Ersparnisse aus den Zeiten des Lockdowns könnte bei einigen der Geldbeutel etwas lockerer sitzen".

Für Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer geht der Anstieg des Ifo-Index "vor allem auf die gelockerten Corona-Beschränkungen zurück, die dem Handel und vielen Dienstleistern eine kräftige Steigerung ihrer Umsätze ermöglichen.” Nur eine eingeschränkte Aussagekraft habe die Entwicklung des Geschäftsklimas dagegen für das verarbeitende Gewerbe: "Wegen eines Mangels an Vorprodukten dürften die Unternehmen die boomende Nachfrage bis weit in das zweite Halbjahr hinein nicht in eine steigende Produktion ummünzen können."

Deutschland | Coronavirus - Einkaufsstraße Schildergasse
Die Entspannung, so Ökonomin Fritzi Köhler-Geib, zeige sich bereits im StraßenbildBild: Marius Becker/dpa/picture-alliance

Für Andreas Scheuerle von der Dekabank hängt der Konjunkturhimmel noch lange nicht voller Geigen. Er verweist darauf, dass sich "bei der Industrie vereinzelt Sorgenfalten” zeigten. Scheuerle weiter: "Immer deutlicher werden die Behinderungen durch Engpässe bei Rohstoffen, Vorprodukten und Transportkapazitäten. Nachdem monatelang die Industrie die konjunkturelle Erholung antrieb, sind es nun in stärkerem Maße die Dienstleister und der Handel."

Die Pandemie ist noch nicht vorüber

"Die Messlatte für die deutsche Wirtschaft liegt sehr hoch und der heutige Ifo-Wert schiebt sie noch höher”, hält der Makroökonom Carsten Brzeski von der ING-Bank fest: "Das einzige Problem war bisher, dass harte Daten, die nur bis April vorliegen, diese Erwartungen noch nicht erfüllt haben. Im Gegenteil, der Start in das zweite Quartal verlief eher schleppend. Dass ein starker Optimismus nicht notwendigerweise immer zu starken Ergebnissen führt, haben die deutschen Fußballfans auf die harte Tour gelernt. Hoffen wir, dass es der Wirtschaft besser ergeht."

Auch Thomas Gitzel von der VP Bank sieht nicht uneingeschränkt optimistisch in die Zukunft: "Um die deutsche Konjunktur ist es derzeit exzellent bestellt. Allerdings fällt die Pandemie als konjunktureller Stolperstein immer noch nicht ganz weg. Die Delta-Variante macht nicht nur Virologen Sorgen, sondern auch Ökonomen. Einmal mehr kommt es auf die Impfgeschwindigkeit an. Je schneller geimpft wird, desto weniger Schaden kann die Mutation anrichten."

dk/hb (dpa, rtr)