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Wirtschaftlicher Stillstand in Südafrika

Mark Caldwell/ oha28. August 2014

Südafrikas Wirtschaft droht eine starke Rezession. Ökonomen diskutieren verschiedene Konzepte, um den Haushalt wieder auf Kurs zu bringen. Im Gespräch mit der DW erklärt Patrick Bond, wie die aktuelle Lage ist.

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North Mara Gold Mine in Tansania
Bild: DW/J. Hahn

DW: Südafrika ist in der ersten Jahreshälfte nur knapp einer Rezession entkommen. Im ersten Quartal war das Bruttoinlandsprodukt (BIP) um 0,6 Prozent geschrumpft, von April bis Juni aber ist die südafrikanische Wirtschaft zu einem leichten Wachstum (ebenfalls 0,6 Prozent) zurückgekehrt. Offiziell gilt eine Rezession erst nach zwei aufeinanderfolgenden Quartalen mit negativem Wachstum. Warum stagniert die südafrikanische Wirtschaft?

Patrick Bond: Eigentlich ist es viel schlimmer als nur eine Stagnation, weil das BIP sinkt, wenn man den Ressourcenabfluss berücksichtig. Denken Sie an Kohle, Gold und andere Mineralien. Wenn wir aber eine einfache Korrektur vornehmen und die natürlichen Ressourcen berücksichtigen, die ausgebeutet werden, dann befänden wir uns in einem extrem negativen Bereich. Die jetzige Stagnation rührt daher, dass sich Südafrika auf seine Rohstoffe verlässt und von einer Deindustrialisierung im Land, die scheinbar immer schlimmer wird.

Wir schaffen es nicht, etwas aus unseren riesigen Rohstoffvorkommen zu machen. Und ehrlich gesagt, auch wenn es nicht zu den Streiks der Metallarbeiter gekommen wäre, durch die ein großer Teil der Produktion eingestellt worden ist, hätte der Industriesektor weiter stagniert. Leider werden in Südafrika die großen Rohstoff-Ressourcen nicht weiterverarbeitet. Hier liegt das große Problem.

Inwiefern ist Südafrika von den schwierigen globalen Rahmenbedingungen betroffen?

Die Verlangsamung der chinesischen Wirtschaft, die sinkenden Rohstoffpreise und die Stagnation in Europa - einer unserer Hauptexportmärkte - und das sehr schwache Wachstum der US-Wirtschaft, das alles beeinflusst uns! Eigentlich war der bisher einzige Wachstumsbereich der private Verbrauch, basierend auf Konsumentenkrediten, basierend auf der riesigen Verschuldung gewöhnlicher Menschen. Dieser Bereich erreicht aber jetzt auch schon seine Grenzen.

Südafrika Diamantenmine Cullinan Diamond Mine bei Johannisburg
Ein übermäßige Abhängigkeit der Rohstoffexporte beeinträchtigt die WirtschaftBild: Alexander Joe/AFP/Getty Images

Unsere sechstgrößte Bank, die African Bank, ging letzte Woche pleite. Daraufhin stufte Moody's alle großen Banken herab, eine wohl etwas übertriebene Reaktion. Aber sie zeigt, dass die bisherige Überschuldung unseres Kreditsystems, das gerade einmal dieses kleine Wachstum befeuert hat, an seine Grenzen gestoßen ist. Wir haben eine Auslandsverschuldung von etwa 140 Milliarden Dollar (106,4 Milliarden Euro). Nach dem letzten Statement der Reserve Bank bewegen wir uns damit auf sehr gefährlichem Terrain. Zum letzten Mal hatten wir diese 40-Prozent-Schuldenquote im Jahr 1985. Das führte zu einer Schuldenkrise. Damals kehrten weiße Unternehmer der Regierungspartei der weißen Afrikaaner den Rücken, und es war das Ende der Apartheid. Das bedeutet, dass solche wirtschaftlichen Probleme große Folgen haben.

Was muss die Regierung tun, um das Wachstum wieder anzukurbeln?

Es gibt zwei Grundpositionen. Die eine kommt aus dem Betriebsbereich und nennt sich Nationaler Entwicklungsplan (NDP). Diese wird von den meisten großen politischen Parteien unterstützt. Auf der anderen Seite sind die drittgrößte Partei, die linksgerichteten Economic Freedom Fighters (EFF) und die größte Gewerkschaft von Metallarbeitern. Sie lehnen diesen NDP ab, weil er Südafrika in ihren Augen weiterhin von einer Wirtschaft abhängig macht, die sich hauptsächlich über den Rohstoff-Export finanziert.

Ich stimme mit dieser Kritik überein. Südafrika ist letztendlich das Land mit der weltweit ungerechtesten Wohlstandsverteilung. Mit der Liberalisierung seit 1994 hat sich dieses Problem nur verschärft und das wiederumg führte zu einer extrem hohen Rate an sozialen Protesten - wahrscheinlich zur höchsten weltweit.

Nach Messungen des Weltwirtschaftsforums ist die Militanz der südafrikanischen Arbeiterklasse die höchste der Welt und nach Pricewaterhouse Coopers ist unsere Unternehmensklasse wegen massiver Bestechung und Betrugs, die korrupteste der Welt.

Patrick Bond Südafrika Experte
Patrick Bond: Südafrika muss seine Rohstoffe selber verarbeitenBild: Patrick Bond

Braucht das Land dann sowohl soziale als auch wirtschaftliche Reformen?

Genau. Es gibt eine allgemeine Sozialpolitik mit der etwa 16 Millionen Menschen Zuschüsse erhalten. Diese haben aber im ganzen System nur eine Alibifunktion. Nur drei Prozent des BIP sind auf diese Zuschüsse zurückzuführen. Damit liegen die Sozialausgaben Südafrikas, nach Angaben der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) an viertletzter Stelle unter den weltweit Top 40 Volkswirtschaften. Trotz extremer Ungleichheit und extremem Klassenkampf - das Massaker im Platin-Berwerk Marikana vor zwei Jahren ist nur ein Beispiel dafür - nimmt die Regierung bisher nicht genügend Geld in die Hand, um den Gini-Koeffizienten (statistisches Maß zur Darstellung von Ungleichverteilungen, Anm. d. Red.) des Landes zu beeinflussen.

Wie wird sich die südafrikanische Wirtschaft im dritten und vierten Quartal entwickeln?

Ich denke, es wird sich nicht viel ändern. Die große Frage ist, ob China durch eine echte Verlangsamung beispielsweise in seiner Immobilien- und seiner Bauwirtschaft wirklich weniger Rohstoffe aus Afrika importieren wird. Dann müsste sich die herrschende Klasse in Südafrika fragen, ob es nicht an der Zeit wäre, sich mehr an dem Eigenverbrauch der Ressourcen zu orientieren, statt nur auf den Export zu setzen.

Patrick Bond ist ein politischer Ökonom an der Universität von KwaZulu-Natal.