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Wirtschaftsinstitut sieht "klare Signale für Wachstum"

Dirk Kaufmann
27. Dezember 2021

Das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) erwartet für 2022 eine wirtschaftliche Erholung. So werde es nicht zu Produktionsrückgängen kommen, es werde wieder mehr investiert und neue Arbeitsplätze könnten entstehen.

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Elektroindustrie   Produktion bei ebm-papst
Bild: picture-alliance/dpa/D. Maurer

In seiner jährlichen Umfrage unter 48 Wirtschaftsverbänden hat das arbeitgebernahe Kölner Institut der deutschen Wirtschaft (IW) eindeutige Signale empfangen: In keinem der befragten Verbände wird für das kommende Jahr ein Produktionsrückgang befürchtet. Zwar gebe es Branchen, in denen mit Stellenabbau gerechnet wird, doch der mögliche Stellenzuwachs in anderen Bereichen werde das mehr als wettmachen. Ein so eindeutiges Votum aus allen befragten Verbänden - das gab es noch nie, seit diese Umfrage vom IW erhoben wird.  

Das aktuelle Wirtschaftsumfeld sei, so das IW, von den seit Oktober 2021 wieder stark ansteigenden COVID-19-Infektionen, den Risiken durch weitere Virusvarianten sowie durch die Verunsicherungen über die politischen Reaktionen geprägt.

Auch vor einem Jahr habe die Pandemie zu starken Einschränkungen geführt, die industrielle Erholung habe bereits zu stocken begonnen. Das sei mit der aktuellen Lage durchaus vergleichbar: Die Umfragedaten seien bis in den Dezember hinein erhoben worden, und zwar "schon in der Kenntnis der seit November steigenden Zahlen der Neuinfektionen und der Debatte darüber", wie IW-Direktor Michael Hüther im DW-Gespräch klarstellt.

Infografik Umfrage Erwartungen der Verbände 2022 DE

Dämpfer bei Schiffbau und Papierindustrie

Für das Jahr 2022 lässt die Umfrage einen "breiten Optimismus" erkennen. Dieses "außerordentliche Erwartungsumfeld für die deutsche Konjunktur" zeige sich daran, so das IW, dass keiner der aktuell befragten Wirtschaftsverbände für das kommende Jahr einen Produktions- oder Geschäftsrückgang erwartet.

Allerdings geben sechs der 48 befragten Branchen an, schlechter aufgestellt zu sein als vor einem Jahr. Dabei handele es sich, so Michael Hüther, um die am stärksten von der Pandemie betroffenen Betriebe. Das gelte beispielsweise für die Messewirtschaft, da rund "70 Prozent der Messen in diesem Jahr und in 2020 abgesagt" worden sind.

Ebenso betroffen seien der Schiffbau, weil es "für die Kreuzfahrten weiterhin keine Perspektive" gebe. Etwas anders lägen die Probleme in der Papierverarbeitung, "weil die Altpapierpreise in den Himmel gewachsen sind und von daher einfach enorme Schwierigkeiten entstehen".

Gebeutelte Dienstleister

Die Dienstleister tun sich in der Krise besonders schwer. Für IW-Chef Hüther ist das nicht überraschend, weil in der Pandemie gerade im Dienstleistungssektor Geschäfte "entweder direkt geschlossen werden oder es durch 2G-Regeln zu einer Belastung kommt. Da stellt man auch fest, dass die Unternehmen sich schwer tun, ihre Kapazitäten entsprechend anzupassen."

Die IW-Umfrage zeigt aber auch, dass sich in den unterschiedlichen Dienstleistungsbereichen eine moderate Verbesserung ankündigt - jedenfalls rechne auch in diesem Bereich keine Branche mit einem Geschäftsrückgang. Im Finanzwesen wird allerdings eine Stagnation erwartet: "Das Kreditgeschäft", so die IW-Ökonomen, "dürfte zum einen im Gefolge der erwarteten Erholung der Investitionen begünstigt werden. Zum anderen leidet der Finanzsektor nach eigenen Angaben unter den anhaltend niedrigen Margen. "

Ems Schleppfahrt Neues Kreuzfahrtschiff «Aidacosma»
Ein neues Kreuzfahrtschiff: Sieht gut aus, repräsentiert aber eine Branche, die sich nicht so schnell erholen wirdBild: Mohssen Assanimoghaddam/dpa/picture alliance

Produktion wird wieder anlaufen

Insgesamt aber ließen die Produktionsperspektiven der vom IW befragten Unternehmen eine dominierende Zuversicht für das kommende Jahr erkennen: Fast die Hälfte der mehr als 2.800 befragten Firmen erwartet für 2022 eine höhere Produktion oder Geschäftstätigkeit. In allen Branchen bestehen positive Produktionsaussichten, wobei die größte Zuversicht in den Dienstleistungs- und Industriefirmen zu beobachten ist. In der Bauwirtschaft fielen die Erholungspotenziale und die Produktionsperspektiven für 2022 vergleichsweise etwas schwächer aus, weil diese Branche durch die Pandemie bislang weniger beeinträchtigt worden ist.

Arbeitsmarkt bleibt robust

Bislang ist Deutschland noch recht gut durch die Krise gekommen - zumindest, was die Lage auf dem Arbeitsmarkt anbelangt. Hüther sieht den Grund dafür eindeutig beim "Kurzarbeitergeld, das sehr schnell wirkt. Deswegen sind viele Menschen vor einer Arbeitslosigkeit bewahrt worden."

Die IW-Verbandsumfrage lässt einen weiteren Beschäftigungsaufbau erwarten. In 21 der 48 teilnehmenden Verbände werde für das kommende Jahr ein Plus bei der Beschäftigung gesehen. Dazu zählt das IW eine Reihe von Industriesparten wie etwa die Pharmaindustrie oder die Metall- und Elektroindustrie.

In der Bauwirtschaft und im Handwerk werde "sowieso händeringend nach Personal" gesucht. Im Dienstleistungssektor sollen etwa in den Bereichen Spedition, Investment und Leasing, Informations- und Werbewirtschaft im kommenden Jahr zusätzliche Mitarbeiter eingestellt werden.

In jenen Industrien hingegen, für die eine rückläufige Investitionstätigkeit im Jahr 2022 zu erwarten ist, wird aber voraussichtlich Beschäftigung abgebaut. So entfallen im Finanzwesen als Folge des Strukturwandels (zunehmende Nutzung von Onlinebanking, Schließung von Filialen) insgesamt Arbeitsplätze. Durch die Corona-Pandemie werde die Digitalisierung und die Veränderung ganzer Geschäftsmodelle beschleunigt - und das könne auch Entlassungen zur Folge haben.

Michael Hüther
IW-Chef Michael Hüther sieht bei den Themen 'moderner Staat und digitale Verwaltung' die Regierung herausgefordertBild: Wolfgang Kumm/dpa/picture alliance

Höchste Zeit

Eine wirtschaftliche Erholung, wenn sie im kommenden Jahr tatsächlich einsetzen sollte, wird aber keineswegs ein Selbstläufer werden. Dazu, so IW-Direktor Hüther, brauche es flankierende Maßnahmen vom Gesetzgeber, der Staat müsse "endlich mal wieder Handlungsfähigkeit demonstrieren".

Dazu müsse er seinen Ankündigungen auch Taten folgen lassen: Es seien ja Teile "des Koalitionsvertrags dem Thema 'moderner Staat und digitale Verwaltung' gewidmet". Hier lägen "große Aufgaben". Denn Ziele wie Klimaneutralität oder digitale Transformation könne man bei einem "weiter-wie-bisher" nicht erreichen. Es gehe also um "sehr konkrete Fragen: Wie kann der Staat sein Handeln wieder wirksam und verlässlich gestalten?" Das, so Hüther, müsse jetzt "wirklich schnell auf den Weg gebracht werden".