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Wirtschaftssanktionen nach Militärjetabschuss

Juri Rescheto30. November 2015

Nach dem Abschuß des russischen Militärjets durch die Türkei hat Russlands Präsident Putin verfügt, die bilateralen Beziehungen stark einzuschränken. Russen fürchten die Folgen. Aus Moskau Juri Rescheto.

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Tayyip Erdogan (l.) und Wladimir Putin stehen nebeneinander Foto: PHOTO / VASILY MAXIMOV
Ein Bild aus besseren Tagen - Tayyip Erdogan (l.) und Wladimir PutinBild: Getty Images/AFP/V. Maximov

Plötzlich reden alle über die Türkei. Die meisten aber wissen nicht, wovon sie reden, weil vieles noch nicht klar ist. Mein Freund Maksim kam gestern auf ein Bier vorbei und brachte eine Flasche "Starij Melnik" mit. "Starij Melnik" und "Zolotaja Botschka" sind der Russen Lieblingsbiere und zwei der insgesamt 25 Sorten hier, die dem türkischen Produzenten EFES gehören. 25 Sorten machen 17 Prozent des russischen Bierkonsums aus und kommen also aus türkischer Hand.

Maksim arbeitet bei EFES. Sein eigenes Bier wollte ihm nicht mehr so richtig schmecken, als er von einem Erlass erfuhr, den Präsident Putin unterschrieb und der "die Handelstätigkeit türkischer Firmen in Russland einschränkt" oder - auf gut Russisch - Maksim auf die Straße wirft, wenn EFES kein Bier mehr in Russland brauen darf.

Neben Maksim merken plötzlich alle: die Türkei ist ganz groß in Russland. In Moskau am größten, schaut man sich die Wolkenkratzer der vor ein paar Jahren erschaffenen Moscow City an. Den schicken Turm "Evolution" hat der türkische Baukonzern "Renaissance Construction" gebaut. Insgesamt sind in Russland mehr als 100 türkische Baufirmen tätig, viele waren an solch prestigeträchigen Bauvorhaben wie den Sportstätten der Olympischen Spiele in Sotschi beteiligt, an der Sanierung der Staatsduma, der Autobahn M11 Moskau-Sankt Petersburg und dem neuen Flughafenterminal in Sankt Petersburg.

Strand von Antalya Foto: Mikael Damkier
Beliebtes Russenziel - der Strand von AntalyaBild: Mikael Damkier - Fotolia.com

Tourismusziel Türkei ersetzen?

Während sich Maksim darum sorgt, wie er künftig sein Geld verdienen kann, machen sich 4,5 Millionen seiner Landsleute Gedanken darum, wo sie ihr Geld künftig ausgeben sollen. So viele Russen haben nämlich ihren Urlaub im vergangenen Jahr in der Türkei verbracht. Ich kenne keinen, der davon nicht begeistert war. Die Türkei ist groß bei den Russen, ganz groß. War... Und nun? "Wir sollten jetzt die Krim ausprobieren" - seufzt eine junge Frau in unserer Blitz-Umfrage auf Moskaus Straßen. "Klar ist die Türkei besser, aber was sollen wir tun?"

Die israelische Tourismus-Behörde weiß, was zu tun ist. Sie wirbt Kunden ab. Überall in Moskau locken ihre Plakate potentielle Totes-Meer-Fans an. Tel Aviv und Jerusalem seien im Kommen. Israel spricht Russich, das ist lange bekannt. "Aber – sagt Larisa Akhanova von Tez Tour, einem der größten Reisenanbieter – es wird schwer, der Türkei eine wirkliche Alternative zu finden. Innerhalb Russlands gibt es nicht genügend Hotels, wir haben nicht die Infrastruktur für den Heimaturlaub so vieler Menschen auf einmal." Gleichzeitig räumt Akhanova im DW-Gespräch ein, dass Abu Dabi, Zypern und Tunesien als Ausweichziele in Frage kommen könnten. Und für Moskauer und Sankt Petersburger ist Deutschland ohnehin beliebt - Platz drei nach Ägypten und der Türkei, was die Besucherzahlen angeht. Berlin liegt nur 2,5 Stunden von der russischen Hauptstadt entfernt, die Flugtickets sind erschwinglich.

Russland Industriestadt Pikalevo Fotp: Andrey Kalich
Embargos als Vergeltung für den MilitärschlagBild: Andrey Kalich

Viele Wirtschaftszweige betroffen

Aber zurück zum Erlass, der meinem Freund Maksim und vielen anderen die Laune verdirbt. Ab dem 1. Januar soll der visafreie Verkehr zwischen den beiden Ländern ausgesetzt werden. Auch sollen keine Charter-Maschinen mehr fliegen. Linienflüge sind davon nicht betroffen. Noch nicht. Ansonsten müsste allein die Turkish Airlines 88 Flüge täglich streichen. Waren "Made in Turkey" sollen mit einem Embargo belegt werden. Das sind vor allem Zitrusfrüchte und Tomaten, aber auch Textilien und Autobauteile. Schon jetzt ist übrigens zu hören, das manche Lokalbehörden in vorauseilendem Gehorsam den Präsidentenerlass umsetzen, ohne dafür die entsprechenden Gesetze abzuwarten. Mal ist im Radio die Rede von einer ganzen LKW-Kolonne mit türkischen Importwaren, die an der weißrussisch-russischen Grenze "bis auf weiteres" stecken blieb. Mal von 39 türkischen Geschäftsleuten, die aus der Region Krasnodar rausgeworfen wurden, weil ihre Einreiseunterlagen angeblich nicht in Ordnung waren.

Die staatstreuen Medien wie die Zeitung "Izvestia" beschwichtigen: alles halb so schlimm, merkt ohnehin keiner. "Die Bürger Russlands werden nicht spüren, dass die Türkei nicht mehr auf dem russischen Markt vertreten ist" - zitiert die Zeitung den russischen Landwirtschaftsminister Alexander Tkatschow und führt potentielle alternative Exporteure an: Aserbaidschan, Usbekistan, Marokko und Israel.

Kann sein, dass die usbekischen Weintrauben süßer und die marokkanischen Tomaten saftiger sind. Den Arbeitsplatz von Maksim können sie nicht retten. "Andererseits", philosophiert fatalistisch mein Freund, "wenn 17 Prozent des russischen Bierkonsums wegfällt, weil Efes verboten wird, heißt es, dass wir Russen 17 Prozent weniger Bier trinken? Das ist doch was! Oder trinken wir dann wieder mehr Wodka?"