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Wirtschaftsthemen dominieren

Michael Knigge31. Oktober 2012

Wenn es ein Wahlkampfthema gibt, bei dem Welten zwischen Barack Obama und Mitt Romney liegen, dann ist es die Wirtschaftspolitik. Und dennoch gibt es ein heißes Eisen, das keiner der beiden anzufassen wagt.

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Bild: Fotolia/jamdesign

Bei einer Arbeitslosenquote, die beharrlich bei acht Prozent verharrt und einer stotternden Wirtschaft überrascht es kaum, dass die Wirtschaftspolitik als das möglicherweise entscheidende Wahlkampfthema gehandelt wird.

Wenn man dann noch weiß, dass sich der Herausforderer Mitt Romney den amerikanischen Wählern als erfolgreicher Geschäftsmann und Firmenretter verkauft, der für die gegenwärtige Krise geradezu gemacht zu sein scheint, dann könnte man meinen, die Präsidentschaftswahl sei gelaufen.

Doch das stimmt nicht. Im Gegenteil: Trotz der schlechten Wirtschaft liegt Obama den meisten landesweiten Umfragen zufolge vor seinem republikanischen Kontrahenten.

Und das kann nur zweierlei bedeuten: Entweder Romney hat den Wählern bislang nicht gut genug dargelegt, dass er und sein Programm die bessere Alternative zu Obama sind - wie Romneys republikanische Kritiker beteuern. Oder aber die Wähler haben Romneys Programm sehr wohl verstanden und lehnen es ab - wie die Demokraten beteuern.

Die DW hat drei wichtige wirtschaftspolitische Themenbereiche analysiert, um die Positionen von Obama und Romney zu verdeutlichen:

Steuern

Obama will die Steuern für Haushalte, die mehr als 250.000 Dollar verdienen oder Einzelpersonen mit einem Einkommen von mehr als 200.000 Dollar erhöhen. Für diese Gruppe will Obama den Einkommenssteuerspitzensatz von 35 auf 39,4 Prozent heraufsetzen. Mit dieser Steuererhöhung für Wohlhabende kann die Beibehaltung der derzeitigen Sätze für die restlichen Steuerzahler finanziert werden.

"Obamas Plan erhält den Status Quo für die meisten Amerikaner und ist eine sehr gemäßigte Steuererhöhung für Gutverdienende", sagt Andrea Louise Campbell, Politik-Professorin am Massachusetts Institute of Technology in Cambridge. "Dies würde die Einkommensteuer wieder auf das Niveau von Zeiten unter Präsident Clinton bringen."

Dagegen will Romney die Steuern generell um 20 Prozent senken. "Der größte Unterschied für den Gesamthaushalt besteht darin, dass der Romney-Plan nicht sagt, wie die 20-Prozent-Kürzung bezahlt werden soll", sagt Robert P. Inman, Finanzprofessor an der Wharton School der University of Pennsylvania in Philadelphia.

Klaffendes Haushaltsloch

Inman unterstützt die Steuersenkungspläne im Prinzip, betont jedoch, dass Romney zu deren Finanzierung anderswo große Steuererleichterungen streichen müsse. Die wichtigsten Erleichterungen für Millionen von US-Steuerzahlern - das steuerliche Absetzen von Immobilienhypotheken, lokalen Steuern und gemeinnützigen Spenden - müssten demnach wegfallen. Dies im Wahlkampf zu thematisieren, ist politisch äußerst riskant.

Romney plant außerdem die Streichung der Erbschaftssteuer, während Obama die Steuer mit einem Höchstsatz von 45 Prozent und Steuerfreiheit für bis zu 3,5 Millionen Dollar beibehalten will. Obama plant zudem eine Erhöhung der Kapitalertragssteuer auf 20 Prozent. Romney will den derzeitigen Satz von 15 Prozent beibehalten. Unter Romney, ergänzt Campbell, würde zudem die Steuerrückzahlung für Geringverdiener gekürzt, was einer Steuererhöhung für Geringverdiener gleichkomme.

Ein-Dollar-Schein auf US-Fahne mit Rissen, Staatsverschuldung der USA
Wem trauen die Wähler zu, ihr Land aus der Wirtschaftskrise rauszuholen?Bild: picture-alliance/chromorange

Gesundheitspolitik

Gesundheitspolitik ist nicht nur Sozialpolitik, sondern ein bedeutendes Wirtschaftsthema. Rund 20 Prozent des US-Haushalts werden für Gesundheitspolitik ausgegeben, was bedeutet, dass die USA mehr als alle anderen Länder dafür aufwenden. Trotz dieser immensen Kosten sind noch immer Millionen von Amerikanern ohne Krankenversicherung.

Mitt Romney hat den Wählern versprochen, die von Obama kürzlich eingeführte Gesundheitsreform, die Millionen bislang nicht versicherten Amerikanern Zugang zur Krankenversicherung verschaffte, zurückzudrehen. "Unter Romney würde weiterhin einer von sechs Amerikanern ohne Versicherung sein", erklärt Campbell.

Radikale Reform

Romney hat noch weitergehende Pläne, nämlich den Komplettumbau der derzeitigen staatlichen Gesundheitsfürsorge. Geht es nach ihm, wird Medicare - die staatliche Krankenversicherung für ältere Menschen - in ein Gutscheinsystem mit festem Geldwert umgewandelt, mit dem ältere Menschen sich ihre Krankenversicherung auf dem freien Versicherungsmarkt kaufen können. "Und wenn die privaten Tarife mehr kosten als der Wert des Gutscheins, dann müssten die älteren Menschen die Differenz aus eigener Tasche bezahlen", erläutert Campbell. Dies sei zwar ein sehr effektiver Weg, die ständig steigenden staatlichen Kosten für Gesundheitsfürsorge zu begrenzen, so Campbell, aber es werde den ohnehin bereits hohen Anteil, den ältere Menschen zu zahlen haben (derzeit die Hälfte der Kosten), nochmals steigern.

Medicaid, das staatliche Gesundheitsprogramm für Arme, würde unter Romney ebenfalls drastisch gekürzt. Derzeit teilt sich Washington mit den Bundesstaaten die Kosten für das Programm, wobei die Zentralregierung garantiert, dass jeweils genügend Mittel vorhanden sind.

Festgelegte Zuschüsse

"Der Plan von Ryan und Romney würde das Programm in ein festes Zuschusssystem umwandeln", sagt Campbell. Jeder Bundesstaat bekäme einen festgelegten, auf Dauer sinkenden Betrag aus Washington, ergänzt er. Dies bedeute langfristig, dass immer weniger Menschen eine Krankenversicherung beziehen könnten.

Dagegen will Obama die derzeitigen staatlichen Gesundheitsprogramme erhalten und effizienter machen. "Obamas Hoffnung, dass wir zum Beispiel durch bessere Vorbeugung und ähnliche Maßnahmen große Steuereinsparungen erzielen können, ist bis jetzt unbewiesen", betont Inman.

Verteidigung

Die USA wenden rund 20 Prozent ihres Haushalts für Verteidigung auf. Zum Vergleich: Washington gab 2011 deutlich mehr als die nächsten zehn Staaten zusammen oder mehr als fünf Mal so viel wie China aus.

Aufgrund der daraus resultierenden immensen militärischen Überlegenheit könnte man annehmen, dass der Verteidigungshaushalt in Zeiten des allgemeinen Sparens auf der Kippe stehe.

Weit gefehlt. Weder Romney noch Obama planen einschneidende Kürzungen bei den Militärausgaben. Romney hat Obama im Wahlkampf für die Schwächung des Militärs kritisiert und angekündigt, das derzeitige Niveau von vier Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Verteidigungsausgaben aufrechtzuerhalten. In Dollar gemessen bedeutet dies eine faktische Steigerung der Ausgaben.

Heißes Eisen

"Niemand spricht darüber, denn die Amerikaner verstehen es einfach nicht", sagt Inman. Viele Menschen sähen die USA entweder als Weltpolizisten oder als Verteidiger der Freiheit. Campbell ergänzt, dass viele Bürger nicht wüssten, wie hoch der Verteidigungsetat wirklich sei. Aber die öffentliche Meinung unterstütze auch hohe Militärausgaben, da dieser Bereich viele Arbeitsplätze biete und weil die Menschen ein starkes Militär befürworteten.

"Das führt ironischerweise dazu, dass es sogar bestimmte Waffensysteme gibt, die das Pentagon selbst nicht mehr will, die es aber nicht einstellen darf, weil der Kongress sein Veto einlegt, weil der Wahlbezirk von Abgeordneten davon betroffen wäre", erläutert Campbell.

Trennende Ideologie

Inman sieht den größten Unterschied zwischen Obama und Romney in der unterschiedlichen Wahrnehmung der Rolle von Regierung und Märkten. Obama glaube, dass die Regierung eine wichtige Aufgabe in der Wirtschaftspolitik habe, während Romney der Ansicht sei, dass Märkte dies besser könnten als staatliches Handeln.

Campbell befürchtet, dass der Romney-Plan den Trend zu wachsender wirtschaftlicher Ungleichheit in den USA weiter verstärken wird. Die wirtschaftliche Ungleichheit befinde sich in den USA auf dem höchsten Stand seit den 1920er Jahren und sei drastischer als in Europa oder Japan. "Ich empfinde es als schlimm, dass so viel von der Wirtschaftsleistung des Landes bei einem nur sehr kleinen Teil der Bevölkerung landet", ergänzt sie. Campbell hofft, dass Obamas geplante Steuererhöhung für Wohlhabende die Ausgaben für dringend benötigte Staatsaufgaben möglich macht.