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Wissenschaftler kritisieren Zuwanderungskompromiss

Thomas Mösch 29. März 2004

Das Hamburger HWWA-Institut für Wirtschaftsforschung widmet sich in den nächsten Jahren vermehrt dem Thema Migration. Das geplante Zuwanderungsgesetz für Deutschland kritisieren die Hamburger Wissenschaftler.

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Manche sind willkommen, andere nicht - die Unterscheidung fällt mitunter schwerBild: AP GraphicsBank

Der Präsident des HWWA-Instituts für Wirtschaftsforschung ist enttäuscht. Das, was an Kompromissvorschlägen in Berlin jetzt auf dem Tisch liegt, ist für Thomas Straubhaar kein Zuwanderungsgesetz mehr, sondern nur noch ein Integrationsgesetz. Straubhaar kritisiert vor allem, dass Koalition und Opposition nun offenbar darauf verzichten wollen, Zuwanderungsquoten festzulegen und die möglichen Einwanderer nach einem Punktesystem auszuwählen. Nur ein solches System ermögliche es, Zuwanderung flexibel auch nach den Bedürfnissen der Wirtschaft zu steuern. "In einzelnen Sektoren, in einzelnen Regionen, für einzelne Berufe oder bei Fachkräftemangel kann Zuwanderung sehr schnell helfen, Lücken zu stopfen", sagt Straubhaar. "Für die Wirtschaft insgesamt ist es eine Möglichkeit, fehlendes Personal von außen reinzuholen."

Machtprobe

Da sich über diese Vorteile inzwischen auch in Deutschland alle wichtigen politischen Kräfte einig seien, sei die derzeitige Debatte in Berlin lediglich Ausdruck einer parteipolitischen Machtprobe, so Straubhaar. Hierzu gehöre auch der Versuch von CDU und CSU, die Zuwanderungsfrage mit sicherheitspolitischen Aspekten zu verknüpfen.

Geradezu neidisch blickt Straubhaar deshalb in Richtung USA. Selbst nach dem 11. September 2001 werde das Thema Zuwanderung dort vor allem unter ökonomischen Aspekten diskutiert, berichtet der Migrationsexperte Philipp Martin von der Universität in Davis nahe der kalifornischen Hauptstadt Sacramento. Die US-Wirtschaft investiere viel Geld und Energie, um höhere Zuwanderungsquoten durchzusetzen. "Die Business Community bei uns war in der Vergangenheit und ist heute sehr pro Einwanderung. Es ist geteilt: Die High-Tech (-Industrie) ist für Inder, die Landwirtschaft ist für Mexikaner. Aber sie sind für mehr Einwanderung, nicht weniger."

Illegale

Derzeit werde diskutiert, wie man mit der geschätzten Zahl von zehn Millionen Ausländern umgehen soll, die ohne Genehmigung in den USA arbeiten. Präsident Bush wolle ihnen eine auf sechs Jahre begrenzte Arbeitserlaubnis anbieten, erklärt Martin. Die Demokraten wollen nach fünf Jahren legaler Arbeit sogar ein endgültiges Bleiberecht gewähren. Die regierenden Republikaner seien jedoch tief gespalten in Wirtschaftsliberale und diejenigen, die Angst vor Überfremdung haben. Deshalb werde es vor den Wahlen im November wohl zu keiner Regelung kommen, glaubt Martin.

Der Kalifornier Philipp Martin und Thomas Straubhaar aus Hamburg sind sich allerdings einig, dass Zuwanderung längst nicht die großen wirtschaftlichen Auswirkungen habe, die die Politik annehme. Thomas Straubhaar sagt: "In der langen Frist ist es so, dass Migration gemessen an allen anderen makroökonomischen Gegebenheiten ein vergleichsweise geringes Gewicht hat, weil es quantitativ nur wenige Menschen sind, die zuwandern und auf dem Arbeitsmarkt arbeiten."

Kein Allheilmittel

Gesteuerte Zuwanderung werde die wirtschaftlichen und sozialen Gefüge nicht gefährden. Sie kann aber auch nicht das alleinige Heilmittel gegen die Überalterung der Bevölkerung sein. "Um dieses Problem mit Zuwanderung lösen zu wollen", so Straubhaar, "müssten Jahr für Jahr riesige Mengen von Menschen mit der richtigen Altersstruktur zuwandern. Das würde die Bevölkerung in Deutschland völlig umkrempeln und den Ausländeranteil bis auf ein Drittel hochschrauben. Ich halte das für politisch nicht machbar. Deshalb darf man sich keine falschen Hoffnungen machen. Zuwanderung kann das Problem der demografischen Alterung mindern im Übergang, aber nicht lösen."

Wer jedoch darauf verzichtet, Zuwanderung flexibel zu steuern, nimmt der Wirtschaft wichtige Gestaltungsmöglichkeiten, ist Straubhaar überzeugt.