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"Wissenschaftlicher Walfang ist eine Farce!"

Judith Hartl11. Januar 2014

Japan jagt wieder Wale. Vor der eigenen Küste, nicht im Südpolarmeer, das hat der Internationale Gerichtshof sagen Forscher wie Harald Benke.

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Walfang in Japan (Foto: dpa-bildfunk)
Bild: picture-alliance/dpa

Bis zum 26. Mai sollen vor der Nordküste Japans bis zu 51 Zwergwale getötet werden. Anhand des Mageninneren solle der Einfluss der Wale auf die Küstenfischerei untersucht werden, so die Erklärung, die für den den Internationalen Gerichtshof in Den Haag offensichtlich so wenig überzeugend war, dass er entschied, dass Japan die angeblich zu Forschungszwecken abgehaltene Waljagd im Südpolarmeer stoppen muss.

DW.DE: Herr Benke, seit 1986 gibt es das Moratorium der Internationalen Walfangkommission, IWC, das besagt, Wale dürfen nicht zu kommerziellen Zwecken gejagt werden. Ist dieses Moratorium nicht verbindlich, oder weshalb wird Japan nicht dafür bestraft, dass es immer wieder auf Waljagd geht - wie auch jetzt wieder?

Harald Benke: Es ist richtig. Das Walfangmoratorium besteht, und eigentlich muss sich auch jede Nation daran halten. Doch die Japaner haben einen Ausweg gefunden. Sie sagen einfach, dass sie wissenschaftlichen Walfang betreiben. Ich war jahrelang Mitglied der Internationalen Walfangkommission. Jedesmal, wenn die Japaner ihre Ergebnisse vorgestellt haben, haben wir uns gewundert, dass es immer wieder die gleichen waren, die alle schon kannten.

Welche zum Beispiel?

Magenanalysen zum Beispiel, für die sie - wie sie sagen - Wale töten müssen, um an den Magen heranzukommen. Jeder Wissenschaftler sagt ihnen, dass das eine Farce ist. Denn solche Untersuchungen kann man auch anders machen. Dafür müssen heutzutage keine Wale mehr getötet werden.

Aber Japan macht es trotzdem …

Ja, Japan schert sich nicht darum. Die machen das trotzdem.

Gibt es keine rechtliche Handhabe dagegen?

Nein. Die Mitgliedsländer der Walfangkommission konnten 1986 - als das Moratorium ins Leben gerufen wurde - ein Veto einlegen. Das hat zum Beispiel Norwegen getan. Die Japaner haben das versäumt und nachträglich ein Schlupfloch gewählt, indem sie wissenschaftlichen Walfang vorgeben. Und für wissenschaftiche Untersuchungen ist es tatsächlich erlaubt, eine bestimmte Anzahl von Walen zu fangen.

Meeresbiologe Harald Benke (Foto: Stefan Sauer/lmv)
Bild: picture-alliance/dpa

Gibt es denn Möglichkeiten, dieses Schlupfloch - Waljagd für die Wissenschaft - zu stopfen?

Ja, aber nur durch politischen Druck oder durch Druck der Öffentlichkeit. Zum Beispiel, wenn die Menschen in Japan klar sagen würden: Wir wollen Walfleisch nicht mehr essen.

Passiert das?

Ja, es gibt mittlerweile viele Japaner, die sich klar gegen die Waljagd aussprechen. Doch die Walfanglobby hat - weil Walfang in Japan Tradition hat - noch immer ein sehr starkes Gewicht.

In Island ist es mittlerweile übrigens so, dass mit Whale Watching mehr verdient werden kann als mit Walfang. Viele ehemalige Walfänger bieten heute Whale Watching an. Deswegen formiert sich dort eine Gruppe, die gegen den Walfang ist.

Das Walfleisch landet in Japan letztendlich auf dem Teller. Wird Walfleisch eigentlich auf dem Schwarzmarkt verkauft oder ganz normal in japanischen Supermärkten?

Sie können Walfleisch in japanischen Supermärkten kaufen. Übrigens auch in Island oder Norwegen. Nur gibt es dort kaum noch Abnehmer. Nur ganz wenige Menschen mögen den Geschmack dieses Fleisches. Aber in Japan ist es eben Tradition. Mir wurde es dort selbst schon angeboten und ich habe es auch probiert. Denn es ist eben etwas ganz besonderes, wenn Ihnen der Gastgeber Walfleisch anbietet. Aber mir persönlich hat es überhaupt nicht geschmeckt.

Außerdem ist Walfleisch stark belastet …

Genau. Viele Wale stehen am Ende der Nahrungskette. Und dort sammeln sich die Schadstoffe an. Außerdem werden Wale sehr alt und Schadstoffe können sich über viele Jahre anreichern. Bestimmte Schwermetalle und Gifte werden sie während ihres ganzen Lebens nicht mehr los. Sie sammeln sich im Gewebe oder in der Muskulaur an. Je älter ein Wal wird, desto mehr Schadstoffe belasten ihn.

Macht das die Wale nicht krank?

Nicht unbedingt. Wenn Wale, die Schadstoffe im Gewebe haben, in sauberen Gewässern schwimmen, geht es. Schadstoffe können aber diejenigen Tiere krank machen, die in Regionen leben, in denen sie zusätzlich schadstoffreiche Beute fressen. In der Antarktis ist es noch relativ ok - deswegen jagen die Japaner am liebsten in den antarktischen Gewässern. Weil das Walfleisch dort am wenigsten belastet ist. Natürlich könnten sie auch in ihren Gewässern jagen. Die sind aber stark verschmutzt. Das Walfleisch dort schmeckt nicht so gut und ist vor allem für die Gesundheit gefährlich.

Wie ist denn momentan die politische Konstellation innerhalb der Internationalen Walfangkommission?

Das Problem ist, dass Japan versucht, mehr und mehr kleinere Länder - zum Beispiel Karibikstaaten - für sich zu gewinnen, indem es ihnen unter anderem große Unterstützung bei der Fischerei verspricht. Es könnte so durchaus passieren, dass das Moratorium gekippt wird und das IWC irgendwann sagen wird: ja, wir fangen wieder an, Wale zu jagen. Momentan ist die Mehrheit gegen Walfang, aber die Japaner machen ordentlich Lobbyarbeit.

Was halten Sie von Aktionen wie die der Tierschutzorganisation Sea Shepherd,die Walfangschiffe verfolgt und im äußersten Fall auch versucht, diese zum Kentern zu bringen?

Das ist eine sehr militante Art, davon halte ich nicht viel. Ich unterstütze da eher die Methode, die Greenpeace und andere Naturschutzorganisationen anwenden. Sie machen gute Lobbyarbeit, indem sie die Öffentlichkeit aufklären und versuchen, Unterstützer und Freunde für die Wale zu finden.


Das Gespräch führte Judith Hartl

Dr. Harald Benke ist Direktor des Deutschen Meeresmuseums und Geschäftsführer der OZEANEUM Stralsund GmbH.