WM-Historie
30. Mai 2010Waren die Olympischen Sommerspiele über viele Jahre eine Art Ersatz-WM, nahmen die Dinge 1930 ihren eigenständigen Lauf. In Uruguay wurde zum ersten Mal ein Fußball-Weltmeister ermittelt, wenn auch noch längst nicht in den Dimensionen, in denen das Spektakel heute stattfindet. Gerade mal 13 Mannschaften traten in der Hauptstadt Montevideo, wo alle Spiele ausgetragen wurden, an. Darunter waren alleine sieben Teams aus Südamerika. Die besten Europäer blieben zu Hause – auch Deutschland. Dies hatte entweder finanzielle, logistische oder sportpolitische Gründe. Den ersten Titel gewann Gastgeber Uruguay durch einen 4:2-Sieg im Finale gegen Argentinien. Dieses Endspiel fand unter höchsten Sicherheitsvorkehrungen statt. So wurden vor dem Anpfiff zahlreiche Schuss- und Stichwaffen sichergestellt.
Deutsche WM-Premiere
Bei der zweiten WM 1934 in Italien traten neben Deutschland 15 weitere Länder an und damit insgesamt drei mehr als noch in Uruguay. Wie schon vier Jahre zuvor holte sich abermals der Gastgeber den Titel. Im Endspiel setzten sich die Italiener mit 2:1 nach Verlängerung gegen die Tschechoslowakei durch, die im Halbfinale die deutsche Mannschaft mit 3:1 bezwungen hatte. Im "kleinen Finale" gewann Deutschland gegen Österreich mit 3:2, so dass das WM-Debüt mit Platz drei endete. Allerdings fand dieser vielversprechende Start zunächst keine Fortsetzung.
1938 musste auf Geheiß Adolf Hitlers eine deutsch-österreichische Auswahl bei der WM in Frankreich antreten. Die Mannschaft schied gleich in der ersten Runde aus, ausgerechnet gegen die kleine Schweiz. Erneut holte Italien den Titel.
Aufgrund des Zweiten Weltkriegs folgte eine zwölfjährige WM-Pause. Erst 1950 wurde in Brasilien wieder ein Weltmeister ermittelt. Jedoch ohne Deutschland, das vom Weltfußballverband FIFA noch nicht wieder als Mitglied aufgenommen war. Uruguay bejubelte den zweiten Titelgewinn nach 1930.
Das Wunder von Bern
Neun Jahre nach Kriegsende sorgte die deutsche Nationalmannschaft mit ihrem Titelgewinn 1954 in der Schweiz für ein neues Selbstwertgefühl in Deutschland. Am 4. Juli traf die von Sepp Herberger trainierte Auswahl im Berner Wankdorfstadion auf den großen Favoriten Ungarn. Der ging auch früh mit 2:0 in Führung, Deutschland gelang jedoch noch vor der Pause der Ausgleich. In der 84. Minute erzielte schließlich Helmut Rahn das Siegtor zum 3:2 und löste damit in Deutschland lange nicht mehr erlebte Glücksgefühle aus. Schon damals wusste Kapitän Fritz Walter, dass "es wahrscheinlich noch Stunden oder Tage dauern werde, um die Größe dieses Ereignisses begreifen zu können". Vermutlich hat es noch länger gedauert.
Deutschland war zum ersten Mal Fußball-Weltmeister. Ein Erfolg, der bei den beiden folgenden Weltmeisterschaften allerdings nicht wiederholt werden konnte. 1958 war im Halbfinale gegen Gastgeber Schweden Endstation, 1962 in Chile schon im Viertelfinale gegen Jugoslawien. Den Titel gewann zweimal in Folge Brasilien. In dessen Reihen stand damals mit Pelé der Weltfußballer des vergangenen Jahrhunderts.
Das berühmteste (Nicht-)Tor der Fußball-Geschichte
1966 stand eine deutsche Mannschaft zum zweiten Mal in einem WM-Finale. Gegner war am 30. Juli im Londoner Wembley-Stadion Gastgeber England. Nach der regulären Spielzeit stand es 2:2. In der 101. Minute fiel schließlich das legendäre Wembley-Tor. Geoff Hurst schoss den Ball an die Unterkante der Latte, von wo aus er wieder ins Feld zurücksprang. Nach kurzem Zögern und Blickkontakt mit Linienrichter Tofiq Bahramov entschied der Schweizer Schiedsrichter Gottfried Dienst auf Tor. Die Engländer trafen noch einmal, gewannen 4:2 und damit ihren bislang einzigen WM-Titel.
1970 in Mexiko gelang der deutschen Mannschaft wenigstens eine kleine Revanche. Im Viertelfinale besiegte sie das Team Englands mit 3:2 nach Verlängerung. Als "Jahrhundertspiel" gilt das Halbfinale gegen Italien, das Deutschland mit 3:4 nach Verlängerung verlor. Kleiner Trost war Platz drei nach einem 1:0-Erfolg gegen Uruguay. Weltmeister wurde Brasilien.
Der zweite deutsche Titelgewinn
1974 bei der Heim-WM jubelte Deutschland über den zweiten Weltmeistertitel. Im Finale in München behielt die DFB-Auswahl gegen die Niederlande mit 2:1 die Oberhand. Zwar geriet Deutschland schon in der zweiten Minute in Rückstand, drehte das Spiel aber noch vor der Pause durch Tore von Paul Breitner und Gerd Müller. Für Kapitän Franz Beckenbauer auch ein Ergebnis der niederländischen Taktik nach dem frühen Führungstor: "Sie haben sich zurückgezogen, sich nur mehr aufs Konterspiel verlassen. Wir haben das Mittelfeld besetzt und das Spiel dann eigentlich überlegen gespielt."
Insgesamt war es eine überlegene Turnierleistung der deutschen Mannschaft, die nur eine einzige Niederlage einstecken musste - ausgerechnet gegen die DDR. In der ersten Finalrunde gab es ein 0:1 in Hamburg. Schütze des historischen Tors war Jürgen Sparwasser.
Peinliche Auftritte
1978 in Argentinien triumphierten die Gastgeber. Die deutsche Mannschaft flog in der zweiten Runde raus. Dabei gab es im letzten Spiel gegen Österreich eine blamable 2:3-Niederlage, die berühmte "Schmach von Cordoba". 1982 in Spanien folgte die "Schande von Gijon". Wieder waren Deutschland und Österreich beteiligt. Nachdem Algerien bereits tags zuvor sein letztes Gruppenspiel gewonnen hatte, reichte beiden Mannschaften ein knapper deutscher Sieg zum Weiterkommen. Nachdem die deutsche Elf früh mit 1:0 in Führung gegangen war, stellten beide Team ihr Angriffsspiel ein, woraufhin Algerien ausschied. Als Konsequenz aus diesem Nichtangriffspakt werden bis heute die jeweils letzten Gruppenspiele parallel angepfiffen.
Wenig glanzvoll war im Halbfinale auch der Auftritt von Torwart Toni Schumacher, der Frankreichs Patrick Battiston so rüde foulte, dass der kurzzeitig bewusstlos war, eine Gehirnerschütterung erlitt und zwei Zähne verlor. Im Finale gegen Italien war die deutsche Mannschaft chancenlos und verlor mit 1:3.
Wieder Zweiter
Im Endspiel der WM 1986 in Mexiko gegen Argentinien musste sich die deutsche Mannschaft mit 2:3 geschlagen geben. Trotzdem ein großer Erfolg, waren doch zuvor Streitigkeiten und Undiszipliniertheiten immer wieder Thema im deutschen Lager. So musste Torwart Uli Stein die Heimreise antreten, nachdem er Teamchef Franz Beckenbauer als "Supperkasper" bezeichnet hatte. Für eine sportliche Legende sorgte Argentiniens Superstar Diego Armando Maradona, als er im Viertelfinale gegen England den Ball zum zwischenzeitlichen 1:0 ins Tor faustete und später von der "Hand Gottes" sprach.
Der Triumph von Rom
Bei der WM 1990 in Italien gab es den dritten Titelgewinn für eine deutsche Mannschaft. Wie schon vier Jahre zuvor hieß der Finalgegner Argentinien. Diesmal aber hatte Deutschland dank Andreas Brehme das bessere Ende für sich. In der 85. Minute verwandelte der Abwehrspieler einen Foulelfmeter zum entscheidenden 1:0. Während nach dem Schlusspfiff Spieler und Fans feierten, sorgte Teamchef Franz Beckenbauer für eines der bleibenden Bilder dieser WM, als er abseits des Trubels gedankenverloren über den Platz des Olympiastadions von Rom schlenderte.
Effenbergs "Stinkefinger"
Fast schon traditionell gerieten die beiden folgenden Weltmeisterschaften nach dem deutschen Titelgewinn zu sportlichen Enttäuschungen. 1994 in den USA scheiterte das deutsche Team im Viertelfinale an Bulgarien. Stefan Effenberg wurde vorzeitig nach Hause geschickt, nachdem er dem pfeifenden Publikum den gestreckten Mittelfinger gezeigt hatte. Weiterer unrühmlicher Höhepunkt: Diego Maradona wurde des Drogenkonsums überführt und gesperrt. Weltmeister wurde zum vierten Mal Brasilien.
1998 in Frankreich holten sich die Gastgeber den Titel. Für Deutschland war im Viertelfinale nach einer 0:3-Niederlage gegen Kroatien Endstation. In Lens sorgten deutsche Hooligans mit dem brutalen Überfall auf den französischen Polizisten Daniel Nivel für das schwärzeste Kapitel in der deutschen Fußball-Geschichte. Nivel ist seitdem schwerstbehindert.
Bei der WM 2002 in Japan und Südkorea kam es im Endspiel in Yokohama zu einem Klassiker: Deutschland und Brasilien standen sich gegenüber. Am Ende setzten sich die Südamerikaner mit 2:0 durch und wurden zum fünften Mal Weltmeister und damit zum Rekordsieger.
Das Sommermärchen
2006 war die Fußball-Welt in Deutschland "zu Gast bei Freunden", so das offizielle Motto der WM. Zwar waren die Spiele nicht auf allerhöchstem Niveau, traumhaftes Wetter und eine unglaubliche Stimmung ließen das Turnier jedoch zu einer unvergesslichen Veranstaltung werden.
Die deutsche Mannschaft trug ihren Teil dazu bei – besonders im Viertelfinale gegen Argentinien, als Torwart Jens Lehmann im Elfmeterschießen zum Helden wurde. Lehmanns Spickzettel mit den bevorzugten Ecken der argentinischen Elfmeterschützen liegt heute in einem Bonner Museum. So euphorisch die Stimmung nach dem Halbfinaleinzug, so niedergeschlagen war sie nach dem Aus gegen Italien. Deutschland beendete das "Sommermärchen" schließlich auf Platz drei. Weltmeister wurde Italien - in einem Finale gegen Frankreich, das vor allem durch den Kopfstoß von Superstar Zinédine Zidane gegen Marco Materazzi in Erinnerung bleiben wird.
Jetzt warten in Südafrika neue Geschichten für die Geschichte der Fußball-Weltmeisterschaft.
Autor: Torsten Ahles
Redaktion: Stefan Nestler