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WM-Sponsoren halten der FIFA die Stange

Arthur Sullivan
16. November 2022

Eine Fußball-WM ist immer ein Großereignis für Werbetreibende. Das gilt auch für Katar 2022. Und obwohl der Veranstalter in viele Skandale verstrickt ist, wollen die Sponsoren weiter am Ball bleiben. Warum nur?

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Adidas Sponsor und offizieller Partner der FIFA für Fußballweltmeisterschaft in Katar
Fußball vor dem Gebäudes des Sportartikelherstellers Adidas in HerzogenaurachBild: K. Schmitt/Fotostand/IMAGO

Große Firmen, die viel Geld für Werbung ausgeben, mögen Kontroversen in der Regel nicht. Tiger Woods zum Beispiel, seinerzeit einer der größten Sportstars überhaupt, war 2009 in einen "Sexskandal" verwickelt. Neben anderen hatten Gillette, Gatorade, AT&T, Tag Heuer und Accenture mit dem Golfer geworben und ließen ihn umgehend fallen.

Ein Jahr später wurde Katar vom Weltfußballverband FIFA mit der Ausrichtung der Fußballweltmeisterschaft 2022 beauftragt - eines der größten Werbeereignisse überhaupt.

In den zwölf Jahren, die seither ins Land gegangen sind, ist Katar beinahe zum Synonym für "Kontroverse" geworden. Tausende Wanderarbeiter sollen dort seit 2010 beim Ausbau der Infrastruktur gestorben sein. Männliche Homosexualität steht in dem Land unter Strafe und Mitglieder der sogenannten LGBTQ-Community sind mit Diskriminierung und verschiedenen gesetzlichen Hürden konfrontiert.

Und dann ist da noch die umstrittene Vergabe des Turniers an Katar. Nach der FIFA-Entscheidung zugunsten des arabischen Scheichtums standen mehr als die Hälfte der Delegierten, die für den Wüstenstaat gestimmt hatten unter Korruptionsverdacht: 22 Mitglieder des FIFA-Exekutivkommitees wurden der Bestechlichkeit oder schlechter Amtsführung beschuldigt oder sind bereits Gegenstand von Untersuchungen.

Das ist nicht gerade etwas, mit dem Firmen wie Adidas oder Coca Cola unter normalen Umständen in Verbindung gebracht werden wollen. Doch wenn am 20. November der Anstoß zum Weltturnier erfolgt, werden sie, wie andere weltweit tätige Unternehmen auch, prominent vertreten sein.

Sponsoren und offizielle Partner der FIFA für Fußballweltmeisterschaft in Katar
Keine Feier ohne uns: Sponsoren und offizielle Partner der FIFA für Fußballweltmeisterschaft in KatarBild: FIFA

Streit? Hauptsache wir sind dabei

Seit dem letzten Weltturnier, 2018 in Russland, hat sich in der Phalanx der Sponsoren kaum etwas verändert. Aus der Kombination der sogenannten FIFA-Partner und den besonders eng angebundenen "FIFA World Cup Sponsors" fehlt  in diesem Jahr nur der russische Energiekonzern Gasprom. Dieser ist wegen des Ukrainekrieges sanktioniert und fällt unter einen internationalen Boykott.

Neben Adidas und Coca Cola sind Hyundai-Kia, Qatar Airways, Visa, The Wanda Group, Anheuser-Busch, Hisense, McDonalds, Mengniu Dairy und Vivo auch diesmal wieder an Bord des FIFA-Reklametankers.

Hinzugekommen sind drei weitere offizielle Sponsoren: Die Softwarefirma Globant und die indische Techfirma Byju's sowie Crypto.com, was das immer enger werdende Verhältnis der FIFA zum Kryptosektor symbolisiert.

Konsequenzen? Fehlanzeige!

Als 2014 neue Vorwürfe rund um das Vergabeverfahren des Turniers in Katar laut wurden, veröffentlichten einige Konzerne (Fly Emirates, Coca-Cola, Sony, Adidas und Visa) Stellungnahmen, in denen sie ihre Sorgen über die Wahl von Katar als Ausrichterstaat formulierten.

"Der negative Tenor der gegenwärtigen öffentlichen Debatte um die FIFA ist weder gut für den Fußball, noch für die FIFA oder deren Partner", so Adidas. Visa präzisierte: "Es bleibt unsere Erwartung, dass alle unsere Partner an ihren strengen ethischen Maßstäben festhalten und transparent arbeiten."

Von den protestierenden Firmen waren Sony und Fly Emirates die einzigen, die ihre Geschäftsbeziehungen mit der FIFA beendeten. Beide teilten mit, sie würden ihre Verträge über 2014 hinaus nicht verlängern.

Coca Cola Sponsor und offizieller Partner der FIFA für Fußballweltmeisterschaft in Katar
Ob die Fans es mögen oder nicht: Reklame gibt's immer. Hier bei der "FIFA Trophy Tour" in MexikoBild: Gerardo Vieyra/NurPhoto/picture alliance

Es gibt da eben Verträge

Kieran Maguire, Experte für Sport und Finanzen an der Universität von Liverpool, weist darauf hin, dass viele Unternehmen in Langzeitverträgen an die FIFA gebunden sind und es vorziehen, sich auf das Verhältnis zum Verband zu konzentrieren, anstatt sich mit den jeweiligen Veranstaltern auseinanderzusetzen.

"Sie haben einen Vertrag mit der FIFA und nicht mit Regierung von Katar", sagt er im DW-Gespräch. "Auch wenn die ethisch-moralischen und kulturellen Positionen Katars nicht mit den Vorstellungen der Sponsoren übereinstimmen: Es reicht nicht, dass sie sagen, 'Nein, bei diesem Turnier wollen wir unsere Produkte nicht bewerben.'"

Es ist üblich, dass Sponsoren sich über einen längeren Zeitraum an den Verband binden, oft über acht oder sogar 16 Jahre hinweg. Die wichtigsten FIFA-Partner -  Adidas, Anheuser-Busch, Coca-Cola und Visa - haben ihre Verträge verlängert, nachdem die Entscheidung zugunsten von Katar bereits gefallen war. Hyundai hatte seinen aktuellen Kontrakt nur wenige Tage, bevor der Ausrichter der WM '22 bekanntgegeben worden war, erneuert.

Viele der gegenwärtig laufenden Verträge stehen direkt nach dem Finale des Katar-Turniers zur Neuverhandlung an.

Werben vor einem Milliardenpublikum

Für viele Sponsoren ist die Sichtbarkeit, die ihnen die WM bietet, zu bedeutend und verlockend, um auf sie zu verzichten. FIFA-Präsident Giovanni Infantino erwartet rund fünf Milliarden Zuschauer, die das Turnier verfolgen werden - das würde den Rekord der vorangegangenen WM in Russland übertreffen.

Mit dem Näherrücken der WM ist der Druck auf die Sponsoren gestiegen. Im Juli 2020 nahm die Zahl der Berichte, die die Bedingungen der Wanderarbeiter in Katar thematisierten, dramatisch zu und verschiedene Menschenrechtsgruppen baten FIFA-Partner zu intervenieren.

BG Fußball-WM in Katar, Stadien
Keine Reklame in Katars Al Thumama Stadion! Klar, aber das Turnier hat ja auch noch nicht begonnen ...Bild: picture alliance / GES/Markus Gilliar

Zahnloser Protest

Adidas, Anheuser-Busch, Coca-Cola und McDonalds reagierten und versprachen, Arbeitsreformen zu unterstützen und sprachen sich für Entschädigungszahlungen aus. Trotzdem hielten alle Sponsoren dem Ereignis die Treue. Maguire meint, ihre Statements hätten keinen Eindruck hinterlassen.

"Es gibt keinen Hinweis darauf, dass auch nur einer der Hauptpartner sich nachdrücklich eingesetzt hätte, weil die Kritik an Menschenrechtsverletzungen von den liberalen Demokratien kommt", sagt er. "Die FIFA hat rund 200 Mitglieder. Darunter gibt es eine ganze Menge Länder, denen das, was in Katar geschieht, ziemlich egal ist."

Einige Unternehmen, die eher mit einzelnen Teams verbunden sind als mit der FIFA selbst, wollen ihr Engagement herunterfahren. ING etwa, die Bank unterstützt die niederländische Mannschaft, will das Turnier nicht besuchen und kein spezielles WM-Marketing veranstalten. Dänemarks Team-Ausrüster Hummel hat sein Logo auf den Trikots verkleinert - es ist so kaum noch sichtbar.

Es wird sich nichts ändern

Alles in allem aber ist das generelle Bild, dass die FIFA und ihre Partner bei diesem Turnier abgeben werden, nicht viel anders als bei früheren Weltmeisterschaften auch, trotz aller Kontroversen.

Maguire weist darauf hin, dass jeder, der anderes erwarten haben mochte, sich nur die WM vor vier Jahren anzuschauen braucht. Das Beispiel habe gezeigt, dass sich nicht viel ändern würde.

"Coca Cola und Adidas verkaufen ihre Produkte in Katar", sagt er. "Wenn ihnen das alles wirklich wichtig wäre, könnten sie sich ja aus diesen Märkten zurückziehen. Doch denken Sie vier Jahre zurück: Russland hatte schon 2014 die Krim überfallen und annektiert. Aber das hatte keinen der Sponsoren daran gehindert, 2018 wieder dabei zu sein."

Dieser Beitrag wurde aus dem Englischen adaptiert.