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Politik

Wo sich die US-Wahl entscheidet

Peter Geoghegan cr
3. November 2016

Die Bewohner der Stadt Bethlehem in Pennsylvania haben ein gutes Gespür: Die Stadt stimmt seit den fünfziger Jahren für den Kandidaten, der am Ende Präsident wird. Peter Geoghegan hat sich dort umgeschaut.

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Bild: DW/P. Geoghegan

Wahrscheinlich wissen Sie es nicht, aber Sie sind möglicherweise schon einmal über ein Stück Bethlehem, Pennsylvania, gelaufen. Die riesigen Stahlwerke der Stadt haben die Träger für die berühmtesten Bauwerke der USA hergestellt - etwa für die Golden Gate Bridge oder das Empire State Building. Auch das erste Riesenrad der Welt auf der Weltausstellung in Chicago 1893 wurde mit Stahl aus Bethlehem gebaut.

Heute stehen die Stahlwerke in der 75.000-Einwohner-Stadt still. Die riesigen Turbinen sind bedeckt mit Rost und Moos. Nach Jahrzehnten des Niedergangs stoppten die turmhohen Kolben in den späten 1990-er Jahren. Tausende verloren ihren Job.

Diese Geschichte - typisch für den amerikanischen "Rust Belt" - dürfte aus Bethlehem einen fruchtbaren Boden für Donald Trumps protektionistische Botschaft machen. Genau solche Orte muss der Republikanische Präsidentschaftskandidat gewinnen, um eine Chance auf das Weiße Haus zu haben: Pennsylvania ist einer der wichtigsten Swing States - und Bethlehem hat seit 1952 bei jeder Präsidentschaftswahl den Kandidaten unterstützt, der schließlich ins Oval Office einzog.

Bethlehem kein typisches Beispiel für die Misere der US-Arbeiterklasse. Das 6,5 Quadratkilometer große Stahlwerk wurde in einen blumenbewachsenen Landschaftspark umgewandelt. Es gibt ein Kunstzentrum und ein Kasino mit insgesamt 2400 Mitarbeitern. Außerhalb der Stadt sind neue Gewerbegebiete entstanden, in denen sich E-Commerce-Unternehmen angesiedelt haben. Sie profitieren von der Nähe zu New York und New Jersey.

"Bethlehem erlebt eine Renaissance", sagt Stephan Ohl, der mit seiner Familie vor zehn Jahren nach Pennsylvania gezogen ist. "Damals gab es noch viel Leerstand in den Straßen. Heute gibt es wieder viele Läden."

Wut auf die Politik

Bethlehem wurde im 17. Jahrhundert von Siedlern aus Mähren gegründet und von einem deutschen Grafen christianisiert. Das Stadtzentrum hat eine bürgerliche New England-Atmosphäre. Herbstgelbe Bäume stehen vor pitoresken Antik- und Feinkostläden.

Obama gewann hier zweimal - mit großem Vorsprung 2008 und etwas weniger deutlich 2012. Bei dieser Wahl hat Donald Trump einigen Grund, optimistisch zu sein. 2014 gewannen die Republikaner erstmals seit Jahrzehnten die Mehrheit im Bezirk Northhampton. In diesem Jahr überwiegt die Registrierung republikanischer Wähler bei Weitem die der Demokraten.

In den charmanten Straßen im Kolonialstil im Zentrum von Bethlehem hängen immer wieder "Vote Hillary"-Plakate. Aber auf dem flachen Land, das die Stadt umgibt, sieht man nur Zeichen der Unterstützung für Trump.

Der Geschäftsmann Dave Petrozzo gibt den Demokraten die Schuld an den steigenden Steuern für seinen Laden für E-Zigaretten. "Wir sind völlig überreguliert", sagt er, während er in Joe's Tavern, einer Kneipe im Zentrum, College Football schaut. "Ich wähle Trump, denn ich habe genug vom Status Quo und von all diesen Berufspolitikern."

Auf der anderen Straßenseite liegt - gepflastert mit bunten Bannern - das Hauptquartier der örtlichen Clinton-Kampagne: Puerto Ricaner für Hillary, Afroamerikaner für Hillary, Studenten für Hillary. Die Bevölkerungsgruppe der Latinos ist in Bethlehem in den vergangenen Jahren merklich gewachsen. Die Stadt verfügt außerdem über vier Universitäten. All dies dürften gute Nachrichten für die demokratische Kandidatin sein - aber ihre Unterstützer sind besorgt wegen der FBI-Ermittlungen gegen Clinton in der E-Mail-Affäre.

"Obwohl dies hier ein Swing State ist, waren wir optimistisch, nicht übermäßig selbstsicher, aber optimistisch. Aber dann kam die Sache mit den E-Mails", sagt Wahlkämpferin Vicky Orth zwischen Clinton-Plakaten und Hillary-Broschüren "Ihre Gegner werden alles tun, um zu verhindern, dass Hillary Präsidentin wird."

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Bei den letzten Wahlen hat Bethlehem für Obama gestimmt. Kann Hillary Clinton den Ort halten?Bild: DW/P. Geoghegan

Wahlkampf im Endspurt

Die 50-jährige Beth Fisher ist aus San Diego gekommen, um beim Wahlkampf für Clinton in Bethlehem zu helfen. "Dies ist einer der zehn stark umkämpften Bezirke in den  USA", erklärt sie. "In den schöneren Oberklasse-Gegenden liegt Clinton vorn. Wenn man in die Arbeiterviertel geht, ist es Trump."

In diesem engen Rennen geht es darum, die Wähler zu mobilisieren. Die beiden Büros von Clinton in Bethlehem machen einen hochorganisierten Eindruck. Die offizielle Sprecherin der Kampagne sagt, sie könne ohne Erlaubnis des Hauptquartiers nicht mit der Deutschen Welle sprechen.

Trumps Kampagne ist etwas chaotischer. Am letzten Samstag vor der Wahl gibt es außer einigen Unterstützern, die Trump-Sticker verteilen, keine wirkliche Straßenpräsenz.

Trump hofft, vom allgemeinen Unmut über die seit Jahren stagnierenden Einkommen, zu profitieren. Stephan Ohl ist kein Fan des Reality TV-Stars, jedoch sagt auch er, dass sich der Lebensstandard für seine Familie seit der Finanzkrise 2008 nicht verbessert hat.

"Meine Frau ist Krankenschwester und hat seit einigen Jahren keine Gehaltserhöhung mehr bekommen", sagt Ohl. "Wenn Du in den Supermarkt gehst, kostet eine Gallone Milch einen Dollar mehr als vor fünf Jahren. Aber die Gehälter sind gleich geblieben."

"Kein gutes Beispiel für die Welt"

Zurück in Joe's Tavern. Al Sinift lehnt beide Kandidaten ab. "Die US-Wahl ist zu einer Jerry-Springer-Show geworden", sagt er in Anspielung auf die berühmte Krawall-Talkshow im US-Fernsehen.

Sinift will für den Kandidaten der libertären Partei, Gary Johnson, stimmen. "Jeder sagt, dass ich meine Stimme damit wegwerfe", sagt er. "Aber das würde ich auch tun, wenn ich einen der anderen Kandidaten wählen würde." Laut Umfragen liegt Johnson in Pannsylvania bei sechs Prozent, genug um bei der Wahl ausschlaggebend für die eine oder andere Seite zu sein.

Prasad Tholasi stammt aus Südindien und lebt seit zehn Jahren in Bethlehem. Der Mitarbeiter eines Lebensmittelladens ist wütend wegen der Wahl. "Die US-Wahl ist wie die indische Wahl geworden - dreckig", schimpft er. Seit Trump da ist, ist es nicht mehr wie vorher. Es ist richtig schlimm geworden. Ein schlechtes Beispiel für die ganze Welt", sagt er bei einem Bier.

Es habe zahlreiche erhitzte Stammtischdebatten vor der Wahl gegeben, sagt Barbesitzerin Shelley Selleck. Aber egal wer am 8. November gewinne, ihre Gäste würden auch weiter gemeinsam einen Drink nehmen, ist sie sicher. "Was auch immer passiert, es ist schon okay", sagt Selleck. "Alle werden weiter Freunde sein." Das bleibt auch für den Rest der USA zu hoffen.