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Politik

Wo steht der internationale Klimaschutz?

24. September 2020

Große Ankündigungen allenthalben: Nach der EU legt auch China neue Pläne zur Senkung seiner Treibhausgas-Emissionen vor. Doch wie sieht es mit anderen Staaten aus? Wer liefert tatsächlich beim Umwelt- und Klimaschutz?

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Eine Person läuft durch den Smog
Bild: picture-alliance/NurPhoto/I. Aditya

Vergangenen Samstag installierten Klimaaktivisten in New York eine riesige Countdown-Uhr. Sie zeigt an, wie viel Zeit noch bleibt, bis sich das globale Klima um 1,5 Grad Celsius erwärmt hat. Viel stärker darf sich die Erde nicht aufheizen, sonst droht ein weltweiter Klimakollaps - waren sich die Vertragsstaaten des Pariser Klimaschutzabkommens im Dezember 2015 einig. Bis zur 1,5-Grad-Marke aber bleiben gerade einmal: sieben Jahre und aktuell knapp 100 Tage.

In New York suchen Regierungsvertreter, Wirtschaftsbosse sowie Mitglieder von Klima- und Umweltschutzorganisationen auf der aktuell laufenden Climate Week nach Ideen, wie Klimaschutz in unterschiedlichsten Bereichen gelingen kann.

Was sich ändern muss, ist allerdings längst bekannt: Die Menschheit muss ihre Treibhausgas-Emissionen drastisch reduzieren. 

COVID-19 als Ausrede für Klimasünder

"Grundsätzlich tun alle Staaten bisher viel zu wenig für den Klimaschutz", sagt Niklas Höhne, Mitgründer des NewClimate Institutes. Die deutsche Nichtregierungsorganisation (NGO) hat diese Woche zusammen mit Climate Analytics, einem gemeinnützigen Institut für Klimawissenschaft und -politik, den neuen "Climate Action Tracker" (CAT) über das Handeln von Staaten in der Corona-Krise veröffentlicht. Der CAT analysiert Klimamaßnahmen von Regierungen und misst sie am 1,5-Grad-Ziel des Pariser Abkommens.

"Die Corona-Pandemie stellt die Weltgemeinschaft vor besondere Herausforderungen. Leider nutzen sie viele Staaten als Ausrede, um sich von ihren Klimaschutzbemühungen noch weiter zu verabschieden", bemängelt Klimaforscher Höhne. So hätten die USA in ihrem Wiederaufbauprogramm so gut wie keine Investitionen in den Klima- oder Umweltschutz vorgesehen. Stattdessen würden etwa Fluggesellschaften bedingungslos vom Staat unterstützt.

Auch Russlands neue Energiestrategie fördere weiterhin fossile Brennstoffe, das jüngste Konjunkturpaket sei völlig frei von klimabezogenen Maßnahmen, heißt es im CAT-Bericht. Mexiko nutze die Pandemie als Vorwand, um den Ausbau erneuerbarer Energien zu stoppen und fossile Brennstoffe zu fördern. Und Brasilien unternehme nichts gegen die zunehmende Entwaldung und Emissionen aus der Landwirtschaft, im Gegenteil, dort würden Umweltauflagen sogar gelockert oder ganz zurückgenommen.

China kündigt Klimaneutralität an

Besonders in den Fokus nimmt der CAT die Investitionspläne von fünf Staaten: die Chinas, der USA, der EU, Indiens und Südkoreas. "Neben der EU hat Südkorea mit seinem "Korean Green New Deal" bei den Corona-Hilfen ganz bewusst einen grünen Schwerpunkt gesetzt," so Höhne. Wie sich Indiens Pläne auf das Klima auswirken, lässt sich laut CAT dagegen noch nicht genau vorhersagen.

Infografik Hilfspakete Corona-Krise DE

Vor allem bei China gab es bislang nur eine kleine Chance, dass die Volksrepublik in Zukunft klimafreundlicher wirtschaften könnte. Als sicher galt das nicht. Nun aber wirbelt die Ankündigung von Chinas Staatschef Xi Jinping bei der UN-Generalversammlung alle Vorhersagen durcheinander. Mit seinem Satz, China werde "vor 2060 die CO2-Neutralität anstreben", erstaunte er in dieser Woche die Weltgemeinschaft.

"Dies ist die wichtigste Ankündigung in der globalen Klimapolitik seit mindestens fünf Jahren", betont Niklas Höhne. "Wenn China, das für ein Viertel der weltweiten Treibhausgasemissionen verantwortlich ist, tatsächlich vor 2060 CO2-neutral sein sollte, würde dies die Prognosen für die globale Erwärmung um rund 0,2 bis 0,3 Grad Celsius senken."

Infografik Temperaturanstieg bis 2100 DE

Doch selbst mit Chinas neuen Klimaschutzplänen wird die Erderwärmung bis Ende des Jahrhunderts laut CAT voraussichtlich im Durchschnitt um 2,4 bis 2,5 Grad Celsius steigen. Auch die in diesem Jahr durch die Lockdowns während der COVID-Pandemie gesunkenen CO2-Emissionen (um etwa fünf bis neun Prozent weltweit) könnten diese Richtung nicht ändern, heißt es.

Kleine Staaten mit Klima-Ehrgeiz

Alle Vertragsstaaten des Pariser Abkommens haben sich dazu verpflichtet, bis 2020 bekannt zu geben, welche "ambitionierten Klimaziele" sie sich bis 2030 setzen. Doch bislang haben dies laut CAT nur 12 Länder getan. Ehrgeizig sind demnach eher kleine Staaten, wie etwa Chile oder Norwegen.

Erfahren Sie mehr: "Wir haben die Klimakrise nicht unter Kontrolle"

Auch Ruanda macht beim Klimaschutz Tempo. Im Mai kündigte das Land als erster afrikanischer Staat an, seine Klimaziele zu verschärfen und seine Treibhausgasemissionen bis 2030 um mindestens 16 Prozent zu reduzieren.

Solar-Farm in freier Landschaft in Ruanda
Ruanda setzt unter anderem auf SolarstromBild: Imago/Nature Picture Library

"Ein solcher Schritt ist ein wichtiges Zeichen in einer Zeit, in der die Länder prüfen, wie sie in der COVID-19-Krise ihr Wachstum wieder ankurbeln können", kommentiert Helen Mountford, Vize-Präsidentin des World Resources Institute und zuständig für die Themen Klima und Wirtschaft, die Ankündigung Ruandas.

Corona und die Klima-Resilienz

Mountford hofft, dass die aktuelle Pandemie trotz aller Negativbeispiele in Sachen Klimaschutz langfristig doch etwas Positives bewirken könnte. Die Krise habe gezeigt, wie vernetzt die globalisierte Welt sei. "Die Industrienationen sind durchaus abhängig von den Ländern des globalen Südens, etwa bei der Lebensmittelproduktion. Allein schon um die Warenströme aufrecht zu erhalten, aber auch um Migrationsbewegungen gering zu halten, gibt es ein steigendes Interesse, mehr für das Wohl dieser Staaten zu tun - also auch, negative Klimaauswirkungen zu begrenzen", meint Mountford.

Infografik Karte Klimaschutz-Index 2020 DE

Auf diese Entwicklung setzt auch Rixa Schwarz, Teamleiterin Internationale Klimapolitik bei der NGO Germanwatch. Die Corona-Krise verdeutliche, wie sehr es auf Resilienz ankomme, also auf die Fähigkeit von Gesellschaften, mit Krisen umzugehen. "Nun gilt es, Lehren für die Klimakrise daraus zu ziehen und die Weltgemeinschaft resilient gegen Schocks wie Pandemien bis hin zu Klimafolgen zu machen", fordert Schwarz.

Bisher keine Klimaschutz-Sieger, nirgends

Wie weit die Welt davon noch entfernt ist, zeigt der sogenannte Klimaschutz-Index (KSI), den Germanwatch, das NewClimate Institute und die NGO Climate Action Network International einmal im Jahr herausgeben.

Im KSI 2020 heißt es klar: "Kein Land erreicht den ersten bis dritten Platz, da kein Land genug unternimmt, um einen gefährlichen Klimawandel zu vermeiden." Chinas Ankündigung dürfte sich auf seine Bewertung im neuen Klimaschutz-Index 2021 zwar positiv auswirken. Doch bis 2060 ist es noch lange hin. Und die Uhr bis zur 1,5-Grad-Marke tickt weiter - noch sieben Jahre und knapp 100 Tage.

Russland: Wenn das ewige Eis schmilzt

DW-Redakteurin Jeannette Cwienk
Jeannette Cwienk Autorin und Redakteurin, Fokus unter anderem: Klima- und Umweltthemen