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Wo Whistleblower Hilfe bekommen

Beatrice Christofaro
15. November 2021

Erst das Risiko abklären, dann an die Öffentlichkeit gehen: Vor einer Enthüllung können Whistleblower sich mittlerweile von spezialisierten Organisationen professionell beraten lassen.

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Symbolbild I Rote Trillerpfeife - Whistleblowing
Ohne sie geht es nicht: Mutige Whistleblower wie Frances Haugen, Edward Snowden und Julien Assange Bild: Franziska Gabbert/dpa Themendienst/picture alliance

Facebook-Whistleblowerin Frances Haugen ist allgegenwärtig. Seit sie Anfang Oktober ihr Insiderwissen über den Tech-Riesen teilte, blicken Medien und Gesetzgeber anders auf Facebook und wollen die Dominanz des Unternehmens, das angeblich Gewinne über die Sicherheit der Nutzer stellt, einschränken.

Bevor Haugen ihre Identität preisgab, sicherte sie sich allerdings mit Hilfe der gemeinnützigen Organisation "Whistleblower Aid" rechtlich ab. Die Organisation bietet für diese Personengruppe kostenlose Rechtsberatung sowie zusätzliche Dienstleistungen wie Mediencoaching und sichere Kommunikationsmittel an.

Gravierende Folgen

Für Whistleblower sind diese Organisationen die erste Anlaufstelle, bevor sie sich an die Öffentlichkeit wagen. Denn die Folgen der Enthüllungen hängen von der jeweiligen Gesetzgebung des Landes ab und können gravierend sein - sie reichen von Drohungen und Erpressung bis hin zu sozialer Ächtung oder gar Mord.

In den USA gibt es relativ strenge Gesetze wie das Dodd-Frank-Gesetz, eine Reaktion auf die Finanzkrise 2007-2009. Mit diesem Gesetz wurde die Möglichkeit geschaffen, Hinweisgeber auszuzeichnen oder entschädigen. Außerdem verbietet es Arbeitgebern, Vergeltungsmaßnahmen gegen Whistleblower aus ihren Reihen zu ergreifen. Allerdings wurden die Bestimmungen 2015 wieder gelockert.

Auch in der EU ist das Bewusstsein für die Bedeutung von Whistleblowern gewachsen. Vor zwei Jahren verabschiedeten die Mitgliedsstaaten eine Richtlinie zum Schutz von Hinweisgebern (Whistleblower Protection Directive).

Facebook-Whistleblowerin Frances Haugen in Brüssel
Whistleblowerin Frances Haugen fordert vor dem EU-Parlament in Brüssel mehr Kontrolle für digitale NetzwerkeBild: Geert Vanden Wijngaert/AP/dpa/picture alliance

Brüssel prescht vor

Laut der Richtlinie haben die EU-Mitgliedstaaten bis zum 17. Dezember Zeit, nationale Gesetze zu erlassen, die dieser Richtlinie entsprechen. Bisher ist dies allerdings noch in keinem Land geschehen. Und selbst in Regionen, in denen es bereits Gesetze gibt, brauchen viele Hinweisgeber Rat, wie sie vorgehen sollen.

"Trotz der Schutzmaßnahmen sind Hinweisgeber immer noch Vergeltungsmaßnahmen ausgesetzt", sagt Siri Nelson, Geschäftsführerin des National Whistleblower Center. Die gemeinnützige Organisation mit Sitz in Washington stellt Whistleblowern Ressourcen zur Verfügung und vermittelt sie an Anwälte.

Für Marie Terracol, Koordinatorin des Whistleblowing-Programms bei Transparency International, ist es wichtig, dass die Hilfe so schnell wie möglich in Anspruch genommen wird. Die Organisation hat auf der ganzen Welt Advocacy- und Rechtsberatungszentren (ALACs) eingerichtet, die Menschen helfen, Korruption zu melden.

"Es geht darum, ihnen dabei zu helfen, eine fundierte Entscheidung zu treffen und sie durch die Prozesse zu begleiten", so Terracol. In Ländern, in denen es keine Schutzgesetze gibt oder die Gesetze nicht durchgesetzt werden, müssen die Organisationen oft noch einige Schritte weiter gehen.

Der Whistleblower im Dieselskandal 

Mutige Banker

So konnte Transparency International zwar den Bankmanager Gasim Abdul Kareem vor Gericht verteidigen. Doch der Whistleblower, der dazu beigetragen hatte, ein mit der Regierung verbundenes Korruptionssystem auf den Malediven aufzudecken, wurde dennoch verurteilt. Er erhielt aber ein milderes Urteil, so dass er keine weitere Haftstrafe antreten musste.

Auch die Plattform zum Schutz von Whistleblowern in Afrika (PPLAAF) muss ihre Dienste je nach Land, in dem sie tätig ist, anpassen. Während Fälle in Südafrika mehr juristische Beratung erfordern, kann es in Ländern wie der Demokratischen Republik Kongo (DRC) notwendig sein, dass eine Organisation Familien innerhalb weniger Wochen evakuiert.

"Whistleblower sind überall gefährdet, aber in Afrika ist es noch schlimmer, denn man könnte sein Leben verlieren oder jemand aus der Familie oder dem näheren Umfeld könnte körperlich verletzt werden", sagte Gabriel Bourdon-Fattal, Projektleiter bei PPLAAF.

Jean-Jacques Lumumba | kongolesischer Whistleblower
Pionier: Jean-Jaques Lumumba machte Whistleblowing mit seinen Enthüllungen in der DRK bekanntBild: La Libre

"Es kann jedem passieren"

In der Demokratischen Republik Kongo war der Begriff Whistleblower bis vor kurzem noch überhaupt nicht bekannt. Erst als der kongolesische Banker Jean-Jacques Lumumba die Korruption in der Familie des ehemaligen Präsidenten Joseph Kabila aufdeckte, erregte er große Aufmerksamkeit. Nach Lumumba traten auch viele andere Whistleblower traten an die Öffentlichkeit.

Auch für Menschen, die mit ihrem Insiderwissen noch nicht an die Öffentlichkeit gegangen sind, können die Hilfs-Organisationen für Whistleblower nützlich und in einigen Fällen sogar lebensrettend sein.

"Es ist wie eine Feueralarmübung", sagt Siri Nelson vom National Whistleblower Center. „Man weiß dann, was im Notfall zu tun ist, auch wenn man es nicht plant", sagt sie. "Denn Whistleblowing kann jedem passieren".

Der Text wurde aus dem Englischen adaptiert.