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Politik

Woher kommst Du? #vonhier

21. März 2019

Ist das noch Neugier? Oder schon Rassismus? Deutsche mit Wurzeln im Ausland werden ständig nach ihrer Herkunft gefragt. Am Welttag gegen Rassismus wirft die DW einen Blick auf die Debatte um Ausgrenzung und Identität.

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Symbolbild Einwanderungsland Deutschland
Bild: Getty Images

"München", sagt er, und der leicht bayerische Akzent ist nicht zu überhören. Wenn Tahir Della gefragt wird, wo er herkommt, dann nennt er die Stadt, in der er 1962 geboren wurde. Seit einigen Jahren lebt er zwar in Berlin. Doch München ist die Stadt, die ihn geprägt hat.

Gut, München also. Und ursprünglich? Also, die Eltern jetzt? Oder deren Eltern? "Das sind immer die ersten Fragen, die ich gestellt bekomme, wenn ich Leute kennenlerne", erzählt Della. "Wenn sich weiße Deutsche kennenlernen, dann kommen diese Fragen entweder gar nicht auf, oder wenn überhaupt, dann vielleicht irgendwann zu einem späteren Zeitpunkt."

Schwarz, deutsch, von hier

Nervig sei das, sagt Della, und auch rassistisch. "Es steckt nämlich mehr dahinter. Es wird im Grunde meine Existenz in Frage gestellt. Nach dem Motto: wie kann eine schwarze Person von sich behaupten, hier ihren Lebensmittelpunkt zu haben, ohne zu erklären, wieso, weshalb, warum? Meine Geschichte als schwarze Person wird in Frage gestellt." Selbst wenn es Neugier sei, selbst wenn es gut gemeint sei - entscheidend ist für Della, was die Fragerei bei ihm und anderen Betroffenen auslöst.

Tahir Della - von der "Inititiative Schwarze Menschen in Deutschland"
Genervt von der vielen Fragerei: Tahir DellaBild: picture-alliance/dpa/L. Schwedes

Tahir Della engagiert sich seit mehr als 30 Jahren in der "Initiative Schwarze Menschen in Deutschland". Er ist einer von vielen Deutschen, die nicht blond und weiß sind und die genug haben von der Frage nach dem Woher. Unter #vonhier berichten sie seit einigen Wochen auf Twitter von ihren Erfahrungen. Die Journalistin Ferda Ataman hatte als erste unter diesem Hashtag geschildert, wie sie von "Herkunftsdetektiven" ausgefragt wird. Der Titel ihres Buches zum Thema: "Ich bin von hier. Hört auf zu fragen!".

Bohlen bohrt

Ins Rollen gebracht hatte die Diskussion im Netz Ende Februar der bayerische Journalist Malcolm Ohanwe. Er hatte einen Videoclip geteilt, in dem der Musiker Dieter Bohlen als Juror einer Castingshow die fünfjährige Melissa fragt, woher sie kommt. Bohlen gibt sich mit der Antwort "Herne", einer Stadt im Ruhrgebiet, nicht zufrieden. Er bohrt nach: "Und Mama und Papa, wo kommt ihr her? Philippinen?" Nein, auch aus Herne, sagt das Mädchen. "Gebürtig? Aus welchem Land? Oma und Opa oder so?" Schließlich kommt die Mutter ihrer Tochter zur Hilfe und löst auf: die Familie hat thailändische Wurzeln. Erleichterung bei Bohlen.

Dieter Bohlens Fragerei sei "ein schönes Beispiel dafür, wie Menschen immer noch einmal nachhakten, selbst bei einem Kind", sagt der Aktivist Tahir Della. "Er kann es einfach nicht gut sein lassen, weil er es in seinem Kopf nicht klar kriegt. Und damit wird negiert, dass die deutsche Gesellschaft inzwischen eine Einwanderungsgesellschaft der vielen mit unterschiedlichen Erfahrungen und Hintergründen ist."

"Das ist mir zu weinerlich"

Rassismus in den Köpfen also, der sich im Alltag in der Frage nach dem Woher Bahn bricht? "Übertrieben" findet das die Journalistin Düzen Tekkal. "Dass die einfache Frage, woher kommst Du, plötzlich eine Verletzung darstellen soll, das will und kann mir einfach nicht einleuchten. Ich habe das schon so häufig erlebt und noch nie als Rassismus empfunden", sagt sie. Sie habe kein Problem damit, wegen ihres Namens oder ihres Aussehens nach ihren Wurzeln gefragt zu werden. Die sind kurdisch-jesidisch, ihre Eltern kamen aus der Türkei nach Deutschland. "Bei #vonhier gefallen sich zu viele in der Opferrolle, das ist mir zu weinerlich."

Düzen Tekkal, Autorin und Journalistin
"Kein Problem", sagt die Journalistin Düzen TekkalBild: DW

Erst wenn dem Betroffenen aufgrund seiner Herkunft ein Nachteil entstehe, könne man von Rassismus sprechen, so Tekkal. Statt sich in Diskussionen um verletzte Gefühle aufzureiben solle man besser echte Probleme angehen. "Etwa die systematische Diskriminierung bei der Wohnungssuche. Es ist Fakt, dass sie stattfindet bei Menschen mit sichtbarer Migrationsgeschichte oder ausländischem Nachnamen."

Deutschland auf dem Weg in die Gegenwart

Der Aktivist Tahir Della meint, das eine hänge mit dem anderen zusammen. Schließlich lehne ein Vermieter einen Mieter aus demselben Grund ab, aus dem er ihn nach seiner Herkunft frage: "Weil es rassistische Ressentiments gibt. Weil es die Vorstellung gibt, dass diese Menschen nicht hierher gehören, nicht wirklich Teil der Gesellschaft sind." Man müsse deshalb gegen beides kämpfen: Diskriminierung etwa auf dem Wohnungsmarkt genauso wie Alltagsrassismus.

Wer über Alltagsrassismus spricht, sieht sich häufig Anfeindungen ausgesetzt. So etwa die Migrationsforscherin Aylin Karabulut nach einem TV-Interview im Rahmen der internationalen Woche gegen Rassismus. 

 

Die Journalistin Düzen Tekkal hofft, dass sich der Umgang zwischen Deutschen mit und ohne Wurzeln im Ausland hierzulande weiter entkrampft. Vielleicht nutzt ja der ein oder andere den Internationalen Tag gegen Rassismus am 21. März um miteinander ins Gespräch zu kommen - über die Frage nach dem Woher hinaus.