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Wohin fließt das Geld für die Rohstoffe?

Matthaei, Katrin11. Oktober 2012

Brüssel drängt auf ein neues Gesetz: Europäische Konzerne sollen offenlegen, wie viel Geld sie Ländern etwa in Afrika oder Lateinamerika bezahlen, um Abbaurechte zu erwerben. Deutschland blockiert.

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Bauxit-Abbau in Guinea (Foto: Bob Barry)
Bild: DW/Bob Barry

"Rohstoff-Fluch": So nennen manche Menschenrechtler aus Afrika oder Lateinamerika den Reichtum, der in den Böden ihrer Staaten schlummert. Der Grund: Die Industrienationen zahlen gut für die Abbaurechte der begehrten Rohstoffe vor Ort, doch davon profitiert oft nur eine kleine Elite. Der Großteil der Bevölkerung geht leer aus und lebt in Armut.

Weder die Regierungen noch die Rohstoff-Konzerne müssen die Geldtransfers veröffentlichen. Laut der Nichtregierungsorganisation Transparency International nahmen die Rohstoff-Staaten damit im vergangenen Jahr fast das Siebenfache dessen ein, was sie an internationaler Entwicklungshilfe bekamen. Simbabwe beispielsweise bestreitet rund 15 Prozent seines Staatshaushalts mit Einnahmen aus dem Minen-Sektor.

Ziel: Mehr Geld für die Bürger in Rohstoff-Ländern

Güterzug beim Bauxit-Abbau in Guinea (Foto: Bob Barry)
Abbau von Bauxit, hier in GuineaBild: DW/Bob Barry

Jetzt will die Europäische Union die börsennotierten europäischen Konzerne dazu verpflichten, alle Zahlungen im Zusammenhang mit dem Rohstoff-Abbau in ihren Jahresbilanzen offenzulegen. Auf diese Weise - so die Hoffnung - könnten Bürger in den Rohstoff-Ländern genau einsehen, wie viel Geld ihre Regierung einnimmt und darauf drängen, dass davon Schulen, Krankenhäuser oder Straßen gebaut werden können.

"Das würde ganz konkret so laufen, dass eine Firma, die Ressourcen in einem Drittstaat abbauen will, alle Zahlungen in ihrer Jahresbilanz offenlegen muss", erklärt Jana Mittermaier, Leiterin des Brüsseler Büros von Transparency International. "Wenn sie das nicht tut oder falsche Zahlen angibt, könnte die Firma von der nationalen Börsenaufsicht verklagt werden."

Ringen um die Einzelheiten

Soweit die Idee. Doch die Verhandlungen in Brüssel verlaufen schwierig. Der Grund: Es geht um Geld - viel Geld. Es geht um die Interessen der europäischen Wirtschaft, vor allem um die der deutschen Wirtschaft. Auf der anderen Seite steht die US-amerikanische Regierung: Washington hat schon ein ähnliches Gesetz auf den Weg gebracht und drängt die Europäer, endlich nachzuziehen.

Ska Keller, EU-Abgeordnete der Grünen (Foto: Ska Keller)
Fordert Klarheit: EU-Abgeordnete Ska KellerBild: Ska Keller

In dieser Gemengelage ringen die Abgeordneten des EU-Parlaments mit der Europäischen Kommission und den EU-Mitgliedstaaten um einen Kompromiss. Die Europäische Kommission etwa will in den Bilanzen nur sehen, wie viel ein Konzern insgesamt an ein Land überweist - eingerechnet werden sollen nur Verträge ab einer halben Million Euro. Viel weiter geht das EU-Parlament: Es fordert die Aufschlüsselung aller Projekte in einem Land schon ab 80.000 Euro. "Das sind die Kernpunkte, die müssen auf jeden Fall erhalten bleiben, weil der Sinn des Vorschlags ja ist, dass die ganze Sache transparent wird", sagt die EU-Abgeordnete Ska Keller von den Grünen. "Also: Wo verdient welcher Konzern wie viel, wie viel Geld lässt er im Land, wie viele Steuern bezahlt er und so weiter. Darum geht es."

Die deutsche Industrie fürchtet um ihre Geschäfte

Fließband im BMW-Werk Leipzig (Foto: dpa)
Die deutsche Industrie ist auf die Rohstoffe angewiesenBild: picture-alliance/dpa

Darum geht es aber nicht allen - ausgerechnet die deutsche Bundesregierung stellt sich quer. Immerhin ist die deutsche Wirtschaft fast vollständig abhängig vom Rohstoff-Import: Jährlich führt sie Metalle, Minerale, Gas und Erdöl im Wert von rund 115 Milliarden Euro ein. Autobauer wie BMW oder Mercedes brauchen das Bauxit aus Kamerun für Aluminium-Karosserien oder das Kupfer aus der Demokratischen Republik Kongo für die Elektrik. Die Industrie fürchtet, dass sie in Zukunft nicht mehr genug Rohstoffe zu guten Preisen bekommt, wenn die Regeln für den Abbau verschärft werden. Sie macht über ihren Bundesverband BDI Druck.

Dort leitet Matthias Wachter die Abteilung Rohstoffe und Sicherheit. Sein Standpunkt: Transparenz sei gut, aber sie müsse freiwillig sein. Und: Brüssel solle zuerst die Verursacher von Korruption in die Pflicht nehmen: "Aus unserer Sicht macht es keinen Sinn, eine Menge von Zahlen in der Bilanz offen zu legen, wenn man nicht weiß: Was ist letztlich bei der Regierung in den jeweiligen Ländern angekommen und wie geht die Regierung mit den entsprechenden Zahlungseingängen um. Deshalb muss jede Regelung die Regierung vor Ort dringend mit einbeziehen." 

Angst vor chinesischer Konkurrenz und zuviel Bürokratie

Dass ausgerechnet autokratische Regime wie Simbabwe oder Kongo ihre Einnahmen aus dem Rohstoffsektor freiwillig offen legen, ist allerdings illusorisch. Auch warnt BDI-Mann Matthias Wachter davor, dass allein die chinesische Konkurrenz von der europäischen Transparenz-Offensive profitiere. Die Sorge ist nicht unbegründet: Schließlich brauchen chinesische Firmen ihre Zahlungen nicht offenzulegen, für korrupte Regierungen wären sie die angenehmeren Geschäftspartner.

Jana Mittermaier, Leiterin des Brüsseler Büros von Transparency International (Foto: Katrin Matthaei)
Jana Mittermaier will Zahlen sehenBild: DW

Doch so deutlich will es Matthias Wachter nicht sagen. Er führt den drohenden Wettbewerbsnachteil in erster Linie auf zuviel Bürokratie zurück - wenig überzeugend, findet Jana Mittermaier von Transparency International: "Die Firmen haben ja diese Informationen - und die so detailliert zu veröffentlichen, kostet nicht sehr viel. Wir gehen natürlich davon aus, dass diese Firmen alle sauber arbeiten, und deshalb gibt es auch überhaupt keinen Grund, diese Informationen nicht zu veröffentlichen."

Noch ist nichts entschieden. Aber in Brüssel wissen alle: Ohne den Wirtschaftsmotor Deutschland kommt kein europäisches Industrie-Gesetz zustande. Das eigentliche Ziel, dass mehr Geld bei den Bürgern in Afrika oder Lateinamerika ankommt,  könnte dabei auf der Strecke bleiben.