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Transgender-Leichtathletinnen ausgeschlossen

Mathias Brück mit sid, dpa
24. März 2023

Transgenderfrauen sind in der Leichtathletik künftig von Spitzenwettkämpfen ausgeschlossen, wenn sie die männliche Pubertät durchlaufen haben. Der Weltverband begründet dies mit der "Integrität der weiblichen Kategorie".

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Leichtathletinnen in der Starthocke knieend, man sieht vor allem ihre Hände hinter der Startlinie.
In der Leichtathletik werden die Gender-Regeln geändertBild: Sven Hoppe/dpa/picture alliance

Der Leichtathletik-Weltverband World Athletics (WA) hat seine Beschränkungen für Transgender-Athletinnen und -Athleten verschärft. Dem neuen Beschluss zufolge dürfen transgeschlechtliche Frauen ab dem 31. März nicht mehr an Weltranglisten-Wettkämpfen in der Frauen-Kategorie teilnehmen, wenn sie die männliche Pubertät durchlaufen haben. Die Regeln gelten unabhängig vom aktuellen Testosteronspiegel, erklärte WA-Präsident Sebastian Coe nach einer Sitzung des Verbandes, der sich vor der Entscheidung mit 40 nationalen Verbänden, dem Internationalen Olympischen Kommitee (IOC) und Transgender-Gruppen intensiv beraten hatten. "Die Mehrheit der Befragten erklärte, dass Transgender-Athleten nicht in der weiblichen Kategorie antreten sollten", sagte Coe. "Viele sind der Meinung, dass es keine ausreichenden Beweise dafür gibt, dass Transfrauen keine Vorteile gegenüber biologischen Frauen haben."

Für Gabriel Nox Koenig vom Bundesverband Trans* e.V. ist diese Argumentation nicht nachvollziehbar. "Es wurde hier nicht versucht, einen fairen Wettbewerb zu ermöglichen, sondern Transfrauen und nicht-binäre Personen, bei denen bei Geburt das männliche Geschlecht eingetragen wurde, gezielt auszuschließen", sagt Koenig der DW. "Theoretisch ist es zwar möglich, mit Pubertätsblockern die Pubertät von trans- und nicht-binären Jugendlichen zu verzögern. In der Praxis ist die Zahl derer, die Zugang zu dieser Behandlung haben, aber sehr gering. Die Regelungen des Leichtathletik-Weltverbands sind also quasi für niemanden einhaltbar."

Derzeit gibt es keine Athletinnen und Athleten im höchsten Level der Leichtathletik, die diesen Kriterien entsprechen. WA werde jedoch eine Arbeitsgruppe unter der Leitung einer Transgender-Person einrichten, um die wissenschaftlichen Entwicklungen bei der Thematik weiterhin im Blick zu behalten. "Wir sagen nicht für immer nein", so Coe. "Sobald mehr Beweise vorliegen, werden wir unsere Position noch einmal überprüfen. Aber wir denken, dass die Integrität der weiblichen Kategorie in der Leichtathletik an erster Stelle steht." Bereits im vergangenen Juni hatte auch der Weltschwimmverband FINA beschlossen, Transgender-Frauen von Spitzenwettbewerben auszuschließen, wenn sie auch nur einen Teil der männlichen Pubertät erlebt haben.

Nach Ansicht Koenigs senden die Ausschlüsse ein fatales Zeichen an junge Transgender-Frauen, die sportlich aktiv werden möchten. "Trans-und nicht-binäre Personen machen im Sport, egal ob in der Schule, im Amateursport oder im Leistungssport, viele diskriminierende Erfahrungen", sagt Koenig. "Die meisten entscheiden sich daher schon sehr früh im Leben gegen organisierten Sport. Und nun macht die neue Regelung besonders Transfrauen einmal mehr klar, dass sie im Sport nicht erwünscht sind und gar nicht erst damit anfangen sollten." 

Sebastian Coe, Präsident des Weltverbands World Athletics, gibt ein Interview in Tokio
WA-Präsident Sebastian Coe schließt ein Umdenken in der Zukunft nicht ausBild: Kyodo/picture alliance

Caster Semenya weiterhin ausgeschlossen

World Athletics hat zudem die Zulassungsbestimmungen für Athleten mit Varianten der Geschlechtsentwicklung (DSD) geändert. Bei DSD handelt es sich um eine seltene Kondition, bei denen die Hormone, die Gene und/oder die Fortpflanzungsorgane eines Menschen eine Mischung aus männlichen und weiblichen Merkmalen aufweisen können. Einige der Betroffenen bevorzugen den Begriff "intersexuell". Die bekannteste DSD-Athletin ist die zweimalige 800-m-Olympiasiegerin Caster Semenya aus Südafrika. Nach den neuen Bestimmungen müssen DSD-Athletinnen, um in der weiblichen Kategorie antreten zu können, ihren Testosteronwert im Blut von derzeit fünf auf unter 2,5 Nanomol pro Liter senken und diesen Wert zwei Jahre lang unterschreiten statt wie bisher nur ein Jahr. Dies gilt zudem nun für alle Disziplinen und nicht mehr wie bisher nur für die Laufstrecken von 400 Metern bis zu einer Meile.

Caster Semenya rennt bei der IAAF Diamond League competition 2019
Caster Semenya gewann 2012 und 2016 olympisches Gold über 800 MeterBild: Karim Jaafar/AFP/Getty Images

Coe sagte, die neue Regelung betreffe 13 DSD-Aktive betreffen, von denen sieben in Laufdisziplinen über einen Meile und sechs in Sprintdisziplinen unter 400 Metern antreten. Er fügte hinzu, dass keiner der 13 Athletinnen und Athleten an den Leichtathletik-Weltmeisterschaften im August in Budapest teilnehmen dürfe. Für künftige Wettkämpfe, einschließlich der Olympischen Spiele 2024 in Paris, seien sie aber startberechtigt, "wenn sie ihr Testosteron auf dem erforderlichen Niveau halten". Semenya, die sich weigert, testosteronreduzierende Medikamente einzunehmen, gewann 2012 und 2016 olympisches Gold über 800 Meter. Seit 2019, als der Welt-Leichtathletikverband die bisherigen Beschränkungen einführte, war sie nicht mehr bei Olympia startberechtigt.

Russlands Dopingsperre aufgehoben

World Athletics hat außerdem die Sperre gegen Russland wegen des staatlich geförderten Dopings aufgehoben. Der Ausschluss wegen Russlands Angriffskrieg auf die Ukraine bleibt aber weiterhin bestehen. Der russische Leichtathletik-Verband RusAF bekam 35 Auflagen, die in den kommenden drei Jahren eingehalten werden müssen und von der WA-Integritätskommission überprüft werden.

Russische Athletinnen und Athleten bei einem Phototermin
Russische Athletinnen und Athleten dürfen auch weiterhin nicht an Wettkämpfen teilnehmenBild: Pavel Golovkin/dpa/picture alliance

Die Task Force von WA verdeutlichte, dass sie im Umgang mit Doping mittlerweile einen Kulturwandel bei der RusAF ausgemacht habe. Stellvertretend dafür erklärte Rune Andersen, Leiter der Russland-Taskforce am Rande der Sitzung: "Ich bin endlich zufrieden mit der neuen Kultur, der guten Führung und der Nulltoleranz gegenüber Doping in der gesamten Organisation".

Eine separate Sperre wegen des Krieges erhielt WA jedoch aufrecht. Auch in Zukunft bleiben russische und belarussische Athletinnen und Athleten bis zum Ende des Krieges in der Ukraine von Wettbewerben ausgeschlossen. Diese Entscheidung steht im Einklang mit dem Beschluss des Europäischen Leichtathletik-Verbands von vergangener Woche, geht jedoch in Opposition zum Internationalen Olympischen Komitee (IOC). Dieses arbeitet daran, Athletinnen und Athleten aus Russland und Belarus unter gewissen Voraussetzungen wieder zuzulassen. Am kommenden Dienstag will das IOC über die Kriterien für die Rückkehr beraten und Empfehlungen für die Weltverbände verabschieden.